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„Der Beitrag ist irreführend“

Lesezeit: 4 Minuten

Die Ausführungen im Artikel „Landwirtschaft: CO2-Sünder oder Retter“ und die dazugehörige Schilderkampagne der Lehner Maschinenbau GmbH unterscheiden sich stark von gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen.


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Die Berechnungen vermengen in irreführender Weise klimarelevante Emissionen mit langfristiger und kurzfristiger Kohlenstoff (C)-Speicherung und kommen so zu falschen Ergebnissen. Folgt man den Ausführungen, wäre die Klimawirkung im Ackerbau immer positiv und hinge vor allem vom Ernteertrag ab. Extensiv bewirtschaftetes Grünland würde dabei den kleinsten Beitrag zum Klimaschutz leisten, intensiv bewirtschaftete, humuszehrende Kulturen wie die Rübe dagegen den größten – hier wird etwas schöngerechnet. Aus Gründen der Übersicht soll auf zwei Falschaussagen eingegangen werden:


1. Anrechnung der Ernte als klimarelevanter CO2-Speicher


Das Erntegut im Ackerbau und in der Grünlandbewirtschaftung als klimarelevanten CO2-Speicher anzurechnen, ist aus fachlicher Sicht falsch. Das hier gebundene C ist Teil eines natürlichen Gleichgewichtskreislaufs. Beim Wachsen von Nahrung wird CO2 gebunden und Sauerstoff freigesetzt, bei der Verwertung dieser Nahrung durch Menschen, Tiere und Mikroorganismen werden dieselben CO2-Mengen wieder freigesetzt und Sauerstoff veratmet. Die Bilanz ist null – von einer vermeintlichen Klimawirkung bleibt nichts übrig.


Freigesetztes CO2 aus fossilen Kraftstoffen und Lachgasemissionen infolge der Düngung sind dagegen nicht Teil des oben genannten Kreislaufs. Sie würden ohne unsere landwirtschaftliche Praxis nicht entstehen. Diese Emissionen reichern sich über Jahrzehnte bis Jahrhunderte in der Atmosphäre an und tragen dort zur Erhitzung unseres Planeten bei. Die nur kurzfristige Festlegung von C im Erntegut gegen diese Emissionen aufzurechnen, ergibt keinen Sinn.


Entsprechend irreführend sind daher die Formulierungen der Schilderkampagne, wie z.B. „1 ha Rüben bindet ca. 21t CO2 und setzt ca. 14 t Sauerstoff frei“. Laut derselben Kampagne bindet 1 ha Wald im Vergleich nur 6 t CO2. Würde dies tatsächlich zutreffen, könnten wir das Klima entlasten, indem wir unsere Wälder abholzen und in Ackerflächen verwandeln. Das klingt abwegig und ist es auch. Um CO2 im Sinne des Klimaschutzes zu binden, muss dieses über deutlich längere Zeiträume dem atmosphärischen Kreislauf entzogen werden. Dass hier ein Irrtum vorlag, hat inzwischen auch der Initiator der Kampagne in einem Interview mit der Kreiszeitung Syke bestätigt (https://bit.ly/2YOnn5t). Entfällt die Anrechnung von Erntegut als klimarelevanter CO2-Speicher in den Berechnungen von Prof. Schönberger, ist nicht nur die Klimabilanz für alle Kulturen negativ, sondern es ändert sich auch die Reihenfolge deutlich. Zuckerrüben haben dann die schlechteste Bilanz und Feldfutter hat die beste. Dies entspricht auch dem Stand der Wissenschaft.


2. Emissionen aus Moorböden falsch angerechnet


Im Text heißt es, dass landwirtschaftlich genutzte Moorflächen etwa 20 Mio. t CO2 emittieren würden. Damit würden diese Emissionen rund 30% der 64 Mio. t CO2-Äquivalente ausmachen, die für die Landwirtschaft im Jahr 2018 angerechnet wurden. Auch diese Argumentation ist falsch. Die CO2-Emissionen aus entwässerten Moorböden sind kein Teil der 64 Mio.t, sie fallen zusätzlich an. Diese Emissionen werden in den offiziellen Klimabilanzen nicht unter der Kategorie „Landwirtschaft“, sondern unter „Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft“ verbucht.


Zudem ist die im Artikel durchgeführte Abschätzung mit 20 Mio. t sehr gering. Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage im Jahr 2016 beziffert diese Emissionen auf 37 Mio. t (Deutscher Bundestag, 2016, Drucksache 18/7197).


Ackerbau und Klimaschutz


Ackerbau leistet mit der Produktion von Nahrungsmitteln und Rohstoffen einen unverzichtbaren gesellschaftlichen Beitrag. Zudem gibt es ein sehr großes Potenzial, den Klimaschutz durch langfristige Erhöhung des Kohlenstoffanteils im Boden voranzutreiben (siehe www.4p1000.org). Viele Betriebe wenden bereits erfolgreich Strategien an, um dies umzusetzen. Sie bauen Zwischenfrüchte an und setzen auf vielfältige Fruchtfolgen mit Leguminosen, um langfristig die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen. Weitere Maßnahmen, aber auch Schwierigkeiten beim Klimaschutz in puncto Humusaufbau, werden u.a. in einer aktuellen Studie zu Humuszertifikaten vorgestellt (https://bit.ly/3dxsACN). Eine dauerhafte Erhöhung des Humusvorrats im Boden entlastet dabei nicht nur das Klima, sondern hilft auch, negative Folgen des Klimawandels abzupuffern.


Einige Aussagen des Artikels „Landwirtschaft: CO2-Sünder oder Retter“ stehen im Widerspruch zum Stand des Wissens über die Klimawirkung verschiedener landwirtschaftlicher Praktiken.


Carsten Paul, Claas Nendel, Moritz Reckling, Katharina Helming und Steffen Kolb, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V.

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