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Landwirtschaft: CO2-Fixierer oder doch nicht?

Lesezeit: 5 Minuten

Darum gehts: Im top agrar-Beitrag „Der CO2-Saldo ist entscheidend“ (9/2021) stellt Prof. Gerhard Breitschuh den sogenannten KUL-THG-Bilanzansatz vor, der die Treibhausgaseffekte nach dem Hoftorprinzip auf Betriebsebene bewertet. Demnach fixiert die deutsche Landwirtschaft mehr Treibhausgase als sie emittiert. Prof. Andreas Gattinger hält diesen Ansatz für wissenschaftlich falsch.


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Erwartungsgemäß fand der top agrar-Artikel „Der CO2-Saldo ist entscheidend“ eine kontroverse Bewertung. Grund genug, einen konstruktiven Disput zu führen. Unstrittig scheint zu sein:


  • Der in Nahrungsmitteln fixierte Kohlenstoff gelangt über die menschliche Ernährung und Atmung kurzfristig wieder in die Atmosphäre.
  • Die Erzeugung von Agrarprodukten wird immer mit unvermeidbaren Treibhausgasemissionen verbunden sein.
  • Die vermeidbaren THG-Emissionen sind durch eine Optimierung der Agrarproduktion zügig auszuschließen.
  • Eine möglichst geringe THG-Emission je ha Agrarfläche ist zwar mit einer extensiven Wirtschaftsweise zu erreichen, diese führt allerdings zu einer erheblich geringeren Biomassebereitstellung und gefährdet die Netto-Selbstversorgung in Deutschland.
  • Für die klimaentlastende Optimierung der Landbewirtschaftung ist es unerheblich, ob die Agrarprodukte der menschlichen Ernährung oder als Ersatz für fossile Rohstoffe dienen.
  • Die Freisetzung des in den fossilen Rohstoffen fixierten Kohlenstoffs lässt sich reduzieren, indem man stattdessen Agrarprodukte energetisch und industriell verwendet.
  • Die Parameter, mit denen man die THG-Emissionen in der Landwirtschaft bewertet, sind ständig zu aktualisieren.


Meines Erachtens ist es auch wichtig, den Aspekt der Ernährungssicherung einer wachsenden Weltbevölkerung bei global begrenzter Agrarfläche nicht zu missachten. Die damit verbundenen Transporte von Nahrungsmitteln sowie von Energie- und Industrierohstoffen über Ländergrenzen hinweg sind wegen der hohen THG-Emissionen unbedingt zu reduzieren.


Mit der im Jahr 2003 von der TLL Jena vorgestellten KUL-THG-Bilanz für die Landwirtschaft wurde neben der THG-Emission in kg CO2e je ha Agrarfläche und der spezifischen THG-Emission in kg CO2e pro Produkteinheit auch der entscheidende THG-Saldo (kg CO2e je ha) als Bewertungskriterium eingeführt. Mit dem THG-Saldo ist es möglich, die Klimarelevanz unterschiedlicher Bewirtschaftungsweisen der Agrarflächen zu quantifizieren und zu beurteilen. Die Anwendung dieser drei Treibhausgaskriterien zielt auf folgendes ab:


  • Vermeidung von Emissionen, indem man die landwirtschaftliche Produktion kontinuierlich optimiert. Dazu zählen z.B. tolerable Nährstoff- und Humussalden, ein reduzierter Energieverbrauch und verbesserte Futtereffizienzen.
  • Begrenzung des Konsums tierischer Erzeugnisse auf den wissenschaftlich begründeten globalen Bedarf.
  • Energetische oder stoffliche Verwertung der verfügbaren Koppel- und Nebenprodukte sowie
  • die Ausschöpfung des standortspezifischen, umweltverträglichen Ertragspotenzials.


Aus nationaler, europäischer und globaler Sicht gilt es, den weltweit steigenden Biomassebedarf auf der begrenzt verfügbaren Agrarfläche der Erde umweltverträglich abzusichern. Dabei sind die vermeidbaren THG-Emissionen schnellstmöglich zu mindern. Die „nur“ kurzfristige Bindung des CO2 in den Agrarprodukten in einer THG-Bilanz zu ignorieren, ist weder ein tragfähiges, noch zielführendes Modell für die Optimierung der Landwirtschaft. Eine einseitige Fokussierung auf die Emission gefährdet vielmehr die Nettoselbstversorgung mit Agrarbiomasse und belastet den globalen Treibhausgashaushalt.


Im Beitrag beschreibt Prof. Breitschuh, dass die deutsche Landwirtschaft aktuell mehr Treibhausgase (THG) fixiert als emittiert, dadurch also als Senke für THG angesehen werden kann. Eigentlich könnten diese Aussagen uns Agrarier glücklich stimmen, tun sie aber nicht. Vielmehr stehen diese Behauptungen im krassen Widerspruch zur wissenschaftlichen Evidenz und zu den Daten, die jährlich im Rahmen der verpflichtenden Nationalen Emissionsberichterstattung für die Landwirtschaft und andere Sektoren publiziert werden.


Wo liegt der Haken? Der „CO2-Saldo“ beinhaltet neben Emissionen aus dem Einsatz von Betriebsmitteln und direkten Emissionen aus dem Anbau auch das durch Photosynthese fixierte CO2 in den Ernteprodukten. Dies führt dazu, dass alle Ackerbau- und viele Gemischtbetriebe deutlich positive Salden aufweisen. Dem steht der wissenschaftlich akzeptierte Ansatz von THG-Bilanzen (Carbon Footprints) gegenüber, zu denen auch der Berechnungsstandard „Einzelbetriebliche Klimagasbilanzen (BEK)“ gehört, in dem gemäß international abgestimmten Kriterien der kurzfristige CO2-Umsatz als nicht klimarelevant betrachtet wird. Klimawirksam wird nur langfristig gebundener Kohlenstoff (mindestens 20 Jahre), der entweder im Bodenhumus und/oder im Holzvorrat von Baumbeständen oder in Holzprodukten langfristig gebunden ist.


Dass der intensive und umweltverträgliche Landbau laut Breitschuh aus klimapolitischer Sicht eindeutig dem Ökolandbau überlegen ist, steht nicht nur wegen der fehlerhaften Methodik zur Ausweisung der C-Fixierung auf wackeligem wissenschaftlichem Fundament. Idealerweise sollte der Ökolandbau genau das beinhalten – nämlich „ökologisch-intensiv“. Dabei bezieht sich „intensiv“ nicht auf die Höhe der eingesetzten externen Betriebsmittel, sondern wie intensiv interne Betriebsmittel und naturbasierte Prozesse sowie Ökosystemdienstleistungen wie symbiontische N-Fixierung, C-Abbau/Umbau im Boden und Bestäubung im Betrieb nutzbar gemacht werden. Auch ein konventioneller Betrieb kann demnach „ökologisch-intensiv“ wirtschaften.


Zudem zeigen wissenschaftliche Studien, dass im Ökolandbau gegenüber der konventionellen Landwirtschaft bezogen auf 1 ha Fläche signifikant weniger und bezogen auf den Ertrag wahrscheinlich gleich viel THG emittiert wird (Thünen Report 65).


Auch der in dem Beitrag eingebettete Kommentar führt eher zu irritierenden Schlussfolgerungen: Wenn die deutsche Landwirtschaft im Sinne anerkannter wissenschaftlicher Standards dauerhaft Kohlenstoff in ihren Agrarböden speichern würde, wäre dies in den Emissionsinventaren oder der einzelbetrieblichen Klimabilanz ausgewiesen. Jedoch wissen wir spätestens seit der bundesweiten Bodenzustandserhebung Landwirtschaft und den angelehnten Modellszenarien (Thünen Report 64), dass die Böden unter Ackernutzung eher Kohlenstoff freisetzen als anreichern.


Somit gilt die deutsche Landwirtschaft als Quelle von Treibhausgasen. 2020 war sie entsprechend einer ersten Schätzung durch das Umweltbundesamt für insgesamt 60,4 Mio. t CO2-Äquivalente verantwortlich. Das sind 8,2% der gesamten Treibhausgasemissionen des Jahres.


Generell gelten im Wissenschaftsbetrieb übrigens nur solche Methoden und Ergebnisse als fundiert, wenn sie einem Begutachtungsprozess meistens durch mehrere Gutachter/innen standhalten. Nach diesen Grundsätzen orientieren sich auch die erwähnte „Nationale Emissionsberichterstattung Landwirtschaft“ und die „Einzelbetrieblichen Klimabilanzen (BEK)“ – der CO2-Saldo von Prof. Breitschuh jedoch nicht.

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