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Mehr Vielfalt durch Hochlandrinder

Lesezeit: 6 Minuten

Die Weidevegetation passt sich an die grasende Rinderrasse an, zeigen neue Versuchsergebnisse. Für eine höhere Artenvielfalt und eine geminderte Erosionsgefahr sorgen u.a. Hochlandrinder. Doch wann ist eine Bestandsergänzung lohnenswert?


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Wo Tiere grasen, passen sich die Pflanzenbestände an die Beweidung an. Arten, die bei regelmäßigem Verbiss absterben oder besonders trittempfindlich sind, haben auf Weideflächen keine Chance. Pflanzenarten, die sich gegen den Fraß z.B. mit Stacheln oder Giftstoffen wehren können, vermehren sich hingegen stärker.


Welche Pflanzen sich durchsetzen, hängt allerdings vom Weidetier ab: So wählen Tierarten wie z.B. Kühe oder Ziegen unterschiedliche Futterpflanzen auf dem Grünland aus und zertreten die Pflanzen nicht im selben Ausmaß. Dass es sogar Unterschiede zwischen Rinderrassen gibt, zeigt eine neue Studie von Forschern der Universitäten Heidelberg und Göttingen sowie des schweizerischen Forschungsinstituts Agroscope.


50 Weiden an 25 Standorten


Um herauszufinden, ob Robustrinder und leistungsorientierte Rassen langfristig den Grünlandbestand der Weide beeinflussen, suchten die Forscher nach Versuchsflächen in den süddeutschen Mittelgebirgen und den Schweizer (Vor-)Alpen. Sie fanden 25 Flächen, die Hochlandrinder, eine typische Robustrasse, seit fünf Jahren oder länger beweiden. Diese Zeit benötigt die Vegetation mindestens, um sich an Beweidung anzupassen. Die Pflanzengemeinschaft dieser Hochlandrinder-Flächen verglichen die Forscher mit je einer benachbarten Weide. Auf diesen graste eine leistungsorientierte Rinderrasse wie Angus, Charolais, Fleckvieh, Simmentaler, Braunvieh und Limousin. Wie sich die unterschiedlichen Rassen durch die Leistungszucht unterscheiden, lesen Sie unter „Robust oder leistungsorientiert“ auf Seite 75.


Die Forscher achteten darauf, dass die Standortbedingungen der beiden Flächen ähnlich sind: die gleiche Hangneigung, beide nicht gemäht oder gedüngt, mit gleicher Intensität und vorher nur mit Mutterkühen bewirtschaftet. Findet sich ein Unterschied bei ansonsten gleichen Weiden, muss die Rinderrasse dafür verantwortlich sein.


Unbeliebte Leckerbissen


Und tatsächlich gibt es Unterschiede: Der auffälligste ist, dass auf Hochlandrinder-Weiden durchschnittlich 16% mehr verschiedene Pflanzenarten wachsen als auf den Nachbarweiden.


Worin sich der Unterschied begründet, haben die Forscher genauer untersucht und in der Übersicht zusammengefasst: Auf Weiden, auf denen leistungsorientierte Rinder grasen, finden sich mehr trittfeste Pflanzenarten. Diese sind an die Trittbelastung angepasst. Typische Trittzeiger sind Breitwegerich oder Einjähriges Rispengras. Kommen diese zu häufig auf der Weide vor, mindern sie Produktivität und Artenvielfalt. Auf den Flächen der leichten Hochlandrinder gedeihen hingegen mehr trittempfindliche Pflanzen wie Orchideen und Veilchen.


Dass die Hochlandrinder deutlich leichter sind, haben die Forscher 2018 nachgewiesen. Dazu wogen sie die Rassen Hochlandrinder und Original Braunvieh sowie eine Kreuzung aus Angus x Holstein. Zudem vermaßen sie die Klauen. Denn die Trittbelastung hängt nicht nur vom Gewicht ab, sondern auch von der Auftrittsfläche, auf der sich dieses Gewicht verteilt. Das Ergebnis: Die Hochlandrinder haben zwar etwas kleinere Klauen als die beiden intensiveren Rassen. Im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht sind die Klauen jedoch deutlich größer. So lastete bei den Hochlandrindern auf jedem Quadratzentimeter Klauenfläche rund ein Drittel weniger Gewicht als bei den beiden anderen Rassen. Der Tritt eines Hochlandrindes belastet demnach die Vegetation weniger. Damit schonen die Tiere die Grasnarbe, beugen Bodenverdichtungen vor und mindern somit die Erosionsgefahr. ▶


Aber nicht nur der Tritt, auch der Fraß beeinflusst die Artenzusammensetzung. Leistungsorientierte Rinder fressen eher selektiv, bevorzugen gute Futterpflanzen wie Süßgräser und Klee und lassen die weniger schmackhaften Weidezeiger stehen. Diese breiten sich aus und können im Grünland überhand nehmen. Die sogenannten Weidezeiger


  • verfügen über Dornen, Stacheln oder Brennhaare (z.B. Disteln, Rosen und Brennnesseln),
  • haben einen geringen Nährstoffgehalt (Borstgras, Binsen),
  • besitzen eine unangenehme äußere Struktur (Rasenschmiele),
  • enthalten Bitterstoffe oder Säure (Germer, Sauerampfer) oder
  • sind giftig (Herbstzeitlose, Eisenhut).


Hochlandrinder sind genügsam und weniger wählerisch. Sie lassen sich von den Abwehrstrategien der Pflanzen weniger beeindrucken und fressen auch weniger schmackhafte Arten – zumindest häufiger als andere Rinder. Da ihr Nährstoffbedarf geringer ist, müssen die Hochlandrinder nicht die besten Futterpflanzen auswählen. Sie fressen, was in unmittelbarer Nähe wächst. Dadurch können auch Pflanzen überleben, die nicht speziell an die Beweidung angepasst sind.


Ein Spezialfall von Arten, die Rinder beim Fraß meiden, sind Gehölze. Das zeigt sich vor allem an schwer zu bewirtschaftenden Standorten wie z.B. Höhenlagen: Lässt auf diesen Grünlandflächen der Weidedruck nach, überwachsen Gehölze die Flächen und deren Artenreichtum nimmt ab. Hochlandrinder sind auch beim Gehölz weniger wählerisch. Sie fressen nicht nur aufkeimende Sprösslinge häufiger als andere Rassen, sondern auch aufgewachsene Sträucher wie Grünerlen oder Heidekraut. Selbst die Blätter und Nadeln vieler Bäume verschmähen sie nicht. Indem Hochlandrinder die Landschaft auch bei geringem Weidedruck offenhalten, erhalten sie deren Artenreichtum.


Samentransport im Fell


Während der Studie machten die Forscher einen unerwarteten Fund: Auf den Flächen der Hochlandrinder wachsen mehr Pflanzen, die ihre Samen über das Fell von Tieren verbreiten. Viele dieser Arten sind bedroht. Das lange Fell der Hochlandrinder eignet sich ideal, um solche Samen zu transportieren. Sie können sich auf Hochlandrinder-Weiden besser ausbreiten. Das steigert zusätzlich die Artenvielfalt.


Mit der Zeit nehmen viele dieser Effekte zu: Flächen, auf denen die Hochlandrinder erst seit fünf Jahren weiden, unterscheiden sich relativ wenig von den Vergleichsflächen. Doch je länger die Hochlandrinder eine Weide nutzen, desto mehr Arten wachsen dort im Vergleich zur Nachbarweide und desto mehr weideempfindliche Arten gedeihen.


In welchen Fällen eignen sich robuste Rinderrassen?


Die Studie untersuchte ausschließlich Hochlandrinder als Robustrasse. Dennoch liegt es nahe, dass sich andere robuste Rinderrassen ähnlich verhalten. Dem Hochlandrind am nächsten sind die Galloways. Weitere Robustrinder sind z.B. Luing, Dexter und Hinterwälder. Diese Rassen sind anspruchslos und leicht. Auf die Vegetation und die Artenvielfalt wirkt sich das positiv aus.


Selbstverständlich kann nicht jeder Landwirt sein Vieh durch Robustrinder ersetzen. Denn die Milch- und Fleischleistungen sind weit davon entfernt, den menschlichen Bedarf zu decken. Das Fleisch bedient zurzeit vor allem das Hochpreissegment.


Trotzdem können Robustrinder eine wertvolle Ergänzung sein. Viele Landwirte nutzen schon heute ihr Grünland oder Teilflächen davon abgestuft und standortangepasst – nur so intensiv, wie es der Standort zulässt. Betriebe, die auch ungünstige, magere, steile, trockene, nasse, verbuschte oder schwer zugängliche Standorte bewirtschaften, können jedoch häufig das Futter der mageren Flächen nicht verwenden, weil im Stall ausschließlich Tiere mit hohem Energiebedarf stehen. Für diese Betriebe kann es sich lohnen, den Viehbestand um einige Robustrinder zu erweitern. Die standortangepasste, abgestufte Nutzung findet dann nicht nur auf den Teilflächen statt. Auch die Fütterung ist angepasst. Da Robustrinder nicht nur beim Futter, sondern auch bei den Haltungsbedingungen sehr anspruchslos sind, ist der Aufwand überschaubar. Zudem zeigt die Erfahrung, dass sie sich problemlos in bestehende Herden anderer Rassen integrieren.


Robustrinder wie die Highlandrinder können für Betriebe eine wertvolle Ergänzung sein, indem sie auf Standorten, auf denen andere Rinder an ihre Grenzen kommen, noch Fleisch produzieren – ganz langsam zwar. Aber dafür erhalten sie nebenbei die Artenvielfalt des Grünlandes oder bringen sie sogar zurück.


friederike.mund@topagrar.com


Unsere Autorin


Caren Pauler, Agroscope Zürich

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