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topplus Landwirtin berichtet

Bürokratie bei der Düngung: „Wir dokumentieren uns zu Tode“

Düngebedarfsermittlung, Stoffstrombilanz, Wirtschaftsdüngermeldungen: Für Landwirtin Anne Katrin Rohlmann hat das aktuelle Ausmaß an Bürokratie die Grenze des Erträglichen überschritten.

Lesezeit: 5 Minuten

Bürokratiewahnsinn: Viele Landwirte fühlen sich von immer mehr Dokumentationen, Auflagen und Regularien überrollt. Was das für die Betriebe bedeutet, wollen wir anhand von Beispielen aus der Praxis zeigen.

Landwirtin Anne Katrin Rohlmann berichtet über den extremen Dokumentationsaufwand in ihrem Berieb und wie sie damit umgeht.

Im Münsterland bewirtschaften wir 300 ha Ackerland, mästen Puten und betreiben eine Biogasanlage. Aus steuerlichen und betrieblichen Gründen mussten wir den Hof in drei Betriebe aufteilen. Wir sitzen mit zwei Halbtagsstellen über das Jahr verteilt mehrere Wochen daran, unseren Betrieb in allen Bereichen prüffähig zu machen.

Grundsätzlich habe ich für viele Regeln Verständnis, da in der Vergangenheit nicht immer alles gut gelaufen ist. Aber die Vielzahl an Regelungen mit den starren Vorgaben, machen uns das fachliche Arbeiten sehr schwer.

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Düngebedarfsermittlung notwendig, aber praxisuntauglich

Ein grundlegendes Problem sehe ich darin, dass die verschiedenen Restriktionen und die Programme nicht aufeinander abgestimmt sind. Für die Düngebedarfsermittlung z. B. kann ich das Programm der LWK NRW nicht so nutzen, dass es für mich praxistauglich wäre. Es ist ein reines Dokumentationsprogramm. Ich kann zwar die Schläge aus dem Agrarantrag hochladen, aber sie dann nicht nach meinen Bedürfnissen sortieren und bearbeiten.

Um eins nochmal deutlich zu machen: Die Ermittlung des Düngebedarfs und die Düngeplanung gehören für mich schon immer zur guten fachlichen Praxis, doch die aktuelle Düngeverordnung ist viel zu kompliziert. Sie ist das Ergebnis des Abstimmungswahnsinns, der sich über Jahr hingezogen hat. Wünschenswert und praxisnäher wäre z. B., dass ich im Laufe der Vegetation einen gewissen Anpassungsspielraum hinsichtlich der Düngebemessung hätte. Beispielsweise, wenn Witterung und Pflanzenentwicklung sich nicht so entwickeln, wie gedacht. Hier kann ich nur in Extremfällen eine Ausnahme erwirken.  

Das Augenmaß fehlt

Eine große Sorge ist, dass bei möglichen Kontrollen das Augenmaß fehlt. Bei der Düngebedarfsermittlung und der anschließenden Dokumentation muss ich die Güllemenge kubikmetergenau bemessen und dokumentieren. Die errechnete Menge und die tatsächlich ausgebrachte stimmen aber in der Realität nie ganz genau überein. Grund dafür sind die Zuschnitte der Flächen und die daraus resultierenden Überlappungen.

Wenn ich beim Gärrest dadurch schon 2 kg N/ha zu viel auf einer Fläche ausbringe, habe ich Angst, dass ich bei einer Prüfung bereits mit Strafen oder Sanktionen rechnen muss.  Wir sind gewillt, uns an die Vorgaben, gerade auch in den roten Gebieten, zu halten. Aber die Regeln sind so komplex, dass ich eigentlich zwei Ackerschlagkarteien bräuchte, um die Realität später in die Kontrollwürdigkeit zu überführen. Aber das kann nicht das Ziel sein!

Für jede Betriebsnummer eine Stoffstrombilanz

Zusätzlich zur Düngebedarfsermittlung muss ich Stoffstrombilanzen erstellen. Sie dokumentieren, wieviel Stickstoff und Phosphor in den Betrieb hineinfließen und ihn wieder verlassen. Obwohl unsere landwirtschaftlichen Betriebe fachlich eine betriebliche Einheit sind, darf ich sie nicht zusammenfassen. Ich muss für jede Betriebsnummer eine eigene Bilanz erstellen.

Zum Glück weisen die Betriebsmittellieferanten mir die Mengen an Stickstoff und Phosphor aus, die ich pro Jahr über die Futter- und Düngemittel zukaufe. Und obwohl das Programm relativ selbsterklärend ist, bin ich drei komplette Tage damit beschäftigt. Noch viel aufwendiger ist es für Futterbaubetriebe, da die Ernte und Verfütterung beim Raufutter noch viel schwieriger zu bilanzieren ist.

Eigene Mitarbeiterin für Dokumentation

Hinzu kommen die Wirtschaftsdüngermeldungen. Als Abgeber von Gärresten sind wir für die Erstellung der Lieferscheine und die halbjährliche Meldung verantwortlich. Die aufnehmenden Betriebe müssen zusätzlich den Empfang bestätigen. Wir haben eine Mitarbeiterin mit einer 40 %-Stelle, die fast ausschließlich damit beschäftigt ist, die Mengen zu dokumentieren, Lieferscheine zu erstellen und diese von den Abnehmern unterschreiben zu lassen.

Hinzu kommen noch zahlreiche Dokumentationen für verschiedene Zertifizierungen (QS, Tierwohl, Nachhaltigkeit der Biogasanlage etc.), sowie die Tierbestandsmeldungen und das Antibiotikamonitoring. Weil es inzwischen so viele Einzelvorgaben mit so vielen Terminen gibt, fällt es schwer, die Übersicht zu behalten.

Landwirte stehen mit dem Rücken zur Wand

Ich habe das Gefühl, dass wir als Landwirte immer mehr mit dem Rücken zur Wand stehen und uns die Luft genommen wird, unsere normale Arbeit zu leisten. Ein Beispiel für den Bürokratie- und Kontrollwahnsinn habe ich im letzten Jahr erlebt. Ich habe den Halmverkürzer „CCC 720“ bei der Dokumentation als „CCC“ eingetragen. Prompt kam nach der Kontrolle von der Landwirtschaftskammer die Rückmeldung, dass ich ein nicht mehr zugelassenes Mittel eingesetzt hätte. Durch das Einreichen der Rechnung konnte ich belegen, dass ich das richtige Mittel verwendet habe. Obwohl mir versichert wurde, dass die Angelegenheit damit erledigt sei, bekam ich von der EU-Zahlstelle die Nachricht, dass mir die Prämien wegen des Einsatzes eines nicht mehr zugelassenen Pflanzenschutzmittel um 1 % gekürzt würde. Es kostete mich diverse Telefonate, die Kürzung erneut abzuwenden. Der Vorfall macht deutlich, welche Konsequenzen auch kleinste Dokumentationsfehler haben können und wieviel Zeit das Kontrollsystem verschlingt.

Und da frage ich mich: Wie soll ein normaler Betrieb ohne Mitarbeiter diese ganzen Dokumentationspflichten noch bewerkstelligen?

Ihre Meinung ist gefragt

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