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Biogasstrom selbst nutzen?

Lesezeit: 7 Minuten

Viele Betreiber einer 75 kW-Anlage hätten mehr Gülle zur Verfügung, um die Leistung zu erhöhen. Attraktiv wäre der Eigenverbrauch. Wo die Fallstricke liegen, erklärt Rechtsanwalt Dr. Helmut Loibl.


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Viele Jahre war der Strompreis, den Verbraucher vom Energieversorger bezogen haben, günstiger als die Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Das lag vor allem an dem niedrigen Börsenstrompreis, der lange Jahre nur zwischen 2 und 4 ct/kWh gekostet hat. Mittlerweile hat sich die Lage verändert. „Seit Ende 2021 ist der Börsenstrompreis auf 17 bis zeitweilig über 22 ct/kWh gestiegen. Viele EEG-Anlagenbetreiber bekommen heute eine Einspeisevergütung, die unter dem Börsenstrompreis liegt“, erklärt Dr. Helmut Loibl von der Rechtsanwaltskanzlei Paluka aus Regensburg. Zwar ist unsicher, ob der Strompreis so hoch bleibt. „Aber Experten sind sich einig, dass er nicht mehr so tief fällt wie früher“, sagt Loibl. Daher ist es für viele Anlagenbetreiber interessant, von der Volleinspeisung zur Überschusseinspeisung zu wechseln. Das bedeutet: Während sie früher den kompletten Strom ins Netz eingespeist und dafür die EEG-Vergütung erhalten haben, würden sie jetzt den Strom im Haus und Betrieb nutzen und nur noch die Überschüsse an den Netzbetreiber abgeben.


Typisch ist das Vorgehen für Betreiber von Photovoltaikanlagen. Doch wegen der hohen Strompreise überlegen auch Biogasanlagenbetreiber, den Strom für den Betrieb zu nutzen.


„Ich habe eine 75 kW-Biogasanlage auf Basis von Gülle. Da ich mit 500 Kühen plus Nachzucht genügend Gülle besitze, könnte ich die Anlage auf 100 kW aufstocken. Die zusätzlich erzeugte Strommenge von 200000 kWh würde ich zur Eigenstromversorgung im Betrieb nutzen, da wir einen Stromverbrauch von 250000 kWh im Jahr haben. Ist  das rechtlich möglich“, lautet eine der vielen Anfragen, die die top agrar-Redaktion dazu erhalten hat.


datum des Betriebsstarts


Wenn sich der Betreiber einer Güllekleinanlage innerhalb der von ihr zulässigerweise produzierten kW-Grenze hält (also z.B. EEG 2012: 75 kW), ist es völlig egal, ob diese produzierten kWh komplett eingespeist oder zum Teil selbst verbraucht werden. „Eine Überschusseinspeisung ist also auch für eine Güllekleinanlage möglich. Sinnvoll ist das aber nur, wenn der Strombezugspreis deutlich über dem liegt, was die Güllekleinanlage an EEG-Vergütung bekommt“, sagt Loibl. Zu beachten ist auch, dass bei Umstellung auf Überschusseinspeisung ein neues Messkonzept nötig wird, das nicht unerhebliche Kosten verursachen kann.


Bei der Einschätzung der Wirtschaftlichkeit kommt es also sehr genau darauf an, wann eine solche Güllekleinanlage in Betrieb genommen wurde. „Der Gesetzgeber hat in den unterschiedlichen Fassungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sehr unterschiedliche Vorgaben gemacht und es versäumt oder bewusst unterlassen, den jeweils älteren Anlagen die Möglichkeiten zu geben, die neueren Regelungen zu nutzen“, sagt Loibl. Das bedeutet:


  • EEG 2012: die maximale (installierte) Leistung ist 75 kW.
  • EEG 2014: die maximale (installierte) Leistung ist 75 kW,
  • EEG 2017: die maximale installierte Leistung ist 150 kW, Bemessungsleistung 75 kW (Achtung: ab 100 kW ist eine „doppelte Überbauung“ nötig)
  • EEG 2021: die maximale installierte Leistung ist 150 kW, aber auch hier gilt: ab 100 kW ist eine doppelte Überbauung nötig. Daher ist es sinnvoll, nur 99 kW zu installieren, da der Strom bis zu dieser Leistung komplett eingespeist werden kann. Ab 100 kW darf nur die Hälfte des produzierten Stroms eingespeist werden.


„Während es vor dem EEG 2012 immer auf die eingespeiste Strommenge ankam, ist die Leistung ab dem EEG 2012 auf die erzeugte Kilowattstunde bezogen, d.h., auch der selbst genutzte Eigenstrom zählt zur Leistung dazu“, erklärt der Anwalt. Die Folge für Anlagen nach dem EEG 2012 und 2014: Wenn Sie mehr als 75 kW installieren, um den Strom als Eigenstrom zu nutzen, entfällt die gesamte Güllekleinanlagenvergütung.


Im EEG 2017 könnten Sie zwar auf 99 kW erweitern, aber der Eigenstrom reduziert die zulässige Höchstmenge von 75 kW, sodass diese Erweiterung letztlich ins Leere laufen würde oder Sie massive Vergütungsverluste hinnehmen müssten. Dabei setzen die Netzbetreiber eine Überschreitung immer ins Verhältnis. Beispiel: Werden 99 kW installiert und auch eingespeist, ist die Bemessungsleistungsgrenze um ca. 25% (gerechnet auf 100 kW, ist einfacher darstellbar) überschritten. Damit erhält die Güllekleinanlage aber auch nicht für 75 kW die Einspeisevergütung, sondern für 25% weniger, also für 56 kW.


Wirtschaftliche Auswirkung


Bei Inbetriebnahme 2017 mit 23,14 ct je kWh könnte der Betreiber einer Güllekleinanlage mit 75 kW Bemessungsleistung 152029 € erwirtschaften, mit 56 kW waren das dagegen nur 113515 € EEG-Vergütung. „Um auf denselben Umsatz zu kommen, müssten die überschüssigen Kilowattstunden also mindestens ca. 38500 € auf dem Strommarkt erwirtschaften“, rechnet Loibl vor. Bei 44 kW wäre dies ein kWh-Preis von mindestens 9,9 ct je kWh. Sofern also auf dem Spotmarkt durchgängig mehr als diese 9,9 ct/kWh erzielt werden können, kann das lukrativ sein. Aber wichtig ist: Das gilt nur für EEG 2017-Güllekleinanlagen (keinesfalls EEG 2012 oder 2014) und nur in der Direktvermarktung!


Bei einer Anlage, die nach dem EEG 2021 Strom erzeugt, dürften Sie die installierte Leistung bis 99 kW erweitern und diese dann auch produzieren, egal, ob dieser Strom eingespeist oder selbst genutzt wird. Bei mehr als 100 kW installierter Leistung dürften Sie wiederum nur die Hälfte der jeweils installierten Leistung produzieren. „Das gilt aber nur für Neuanlagen seit dem 1.1.21. Ob hier der Eigenverbrauch wirtschaftlicher ist als die Einspeisevergütung, müssten Sie im Einzelfall prüfen“, rät Loibl.


Fazit: Auch wenn Ihre Überlegung betrieblich und energiewirtschaftlich sinnvoll wäre, ist eine Erweiterung von älteren 75 kW-Anlagen nicht möglich.


Still legen und Neu Starten?


Eine weitere Frage, die Biogasanlagenbetreiber beschäftigt: Können Bestandsanlagen per Stilllegung und Neuanmeldung ins EEG 2021 wechseln? „Einer EEG-Anlage haftet ihr bisheriges Inbetriebnahmedatum und damit ihre zeitlich begrenzte Vergütungsdauer an, da hilft auch ein Abmelden, Stilllegen und Wiederanmelden nichts“, erklärt Loibl.


Allerdings gilt: Sofern ein Betreiber derart viel in eine bestehende Anlage investiert, dass dies finanziell dem Neubau einer kompletten Anlage gleichkommt, kann auch die umgebaute Anlage als Neuanlage gelten. Beispiel: Wenn der Betreiber einer bestehenden Biogasanlage nur einen Behälter weiter nutzt und zusätzliche Behälter und ein neues BHKW installiert, den Rest der alten Anlage aber nicht weiter nutzt, ist bei entsprechender Investition von einer Neuanlage auszugehen. „Das sollte ein Betreiber aber unbedingt im Vorfeld mit dem Netzbetreiber abklären“, rät der Anwalt.


Wie rechnet sich die Umstellung?


Hierzu hat Rechtsanwalt Loibl verschiedene Beispielsrechnungen erstellt. Beispiel 1: Ein Biogasanlagenbetreiber kann seinen Strom unter Vollkostenrechnung für 14,9 ct/kWh herstellen und erhält 23,2 ct/kWh Einspeisevergütung nach dem EEG. Für seinen eigenen Strombezug im Betrieb (175200 kWh) zahlt er derzeit 24,5 ct/kWh.


Der Zählerumbau von Voll- auf Überschusseinspeisung kostet 14900 €, die laufenden Kosten erhöhen sich um 1800 €/Jahr. In diesem Fall wäre die Eigenstromnutzung gegenüber der Volleinspeisung 2277 €/Jahr günstiger (Rechengang: 1,3 ct/kWh * 175200 kWh).


Der selbst erzeugte Strom ist dagegen 9,6 ct/kWh günstiger als der Strom vom Netzbetreiber. Hiermit würde der Betrieb im Jahr 16819,20 € einsparen. Davon müssten im Jahr 1800 € abgezogen werden. „Die Umstellung lohnt sich hier auf jeden Fall“, schlussfolgert Loibl daraus.


Eine pauschale Aussage ist hier aber nicht möglich: Jeder Betrieb muss genau prüfen, wie hoch die Produktionskosten, der Strombezugspreis und die jährlichen Kosten für das neue Messkonzept sind.


Eine Biogasanlage hat jedoch – anders als bei der sehr günstigen Photovoltaik – den Vorteil, dass der Strom sicher zu jeder Tages- und Jahreszeit erzeugt wird.Ihr Kontakt zur Redaktion: hinrich.neumann@topagrar.com

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