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Grasvergärung: Rührtechnik muss passen!

Lesezeit: 6 Minuten

Landwirt Felix Müller aus Rastede verdrängt mit Gras immer mehr Mais aus seinem Substratmix. Für den Wechsel war eine umfangreiche Nachrüstung nötig.


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Wie bei vielen anderen Berufskollegen auch war Energiemais in Kombination mit Gülle für Felix Müller aus Rastede (Niedersachsen) der perfekte Einsatzstoff: leicht zu silieren, einzubringen und zu rühren bei entsprechend hoher Gasausbeute. „Nach der Inbetriebnahme im Jahr 2011 sind wir damit zwei Jahre lang gut gefahren. Aber dann stiegen bei uns die Maispreise stark an“, blickt er zurück.


Gras ist günstiger


Das machte sich wirtschaftlich bemerkbar, da der Bullen- und Schweinemäster gut ein Drittel der Substrate für die Anlage mit 250 kW Anschlussleistung von Fremdbetrieben zukaufen musste. Die Grundfutterkosten machten rund ein Drittel der Gesamtkosten aus. „Die Maispreise schwankten im Schnitt der letzten vier Jahre von 36 bis 54 €/t frei Silo“, sagt er.


Mais ist in der Gegend auch bei Milchviehhaltern stark nachgefragt: Der Betrieb liegt am Rand der Wesermarsch, einer typischen Grünlandregion. Das reichlich vorhandene Gras kostet dagegen 15 bis 21 €/t frei Silo. Zwar bringt Gras mit 170 m3 Biogas/t Frischmasse nur etwa 80% der Gasausbeute von Silomais. „Aber trotzdem ist der Kubikmeter Biogas für uns günstiger als der aus Mais“, rechnet Müller vor.


Rührtechnik an der Grenze


Die Umstellung von Mais auf Gras stellte die Technik jedoch vor große Herausforderungen – vor allem die Rührwerke, aber auch die Pumpen.


Der Fermenter war ursprünglich mit einem schnelllaufenden Tauchmotorrührwerk mit 16 kW Anschlussleistung sowie einem Großflügelrührwerk ausgestattet. „Bei Gülle und Mais haben sie wunderbar funktioniert. Doch ab 5 t Gras/Tag drehte der Schnellläufer fast nur noch im eigenen Saft“, musste er feststellen. Auch wenn er die Rührwerke ununterbrochen arbeiten ließ, brachten sie den zähen Brei im Fermenter nicht zum Drehen. Das führte zu einer Schwimmschichtbildung. Auch strömte das Gas nur sehr stoßweise zu den BHKW. Die Kosten für den Strombezug erhöhten sich, der Eigenstromverbrauch stieg auf über 10%.


Insgesamt füttert er pro Tag 13 t Feststoffe, womit der Grasanteil bei der ursprünglichen Anlagenauslegung maximal 25% erreichte. Auch durfte der TS-Gehalt im Fermenter nicht 9% übersteigen, weil die Masse gar nicht mehr zu rühren gewesen wäre.


Hoher Verschleiß


Zudem stellte er sehr hohen Verschleiß an der Drehkolbenpumpe fest: Alle vier Monate musste er den kompletten Kolbensatz tauschen. Material und Arbeitszeit summierten sich auf 1000 €/Tausch, was allein 4000 € jährliche Mehrkosten verursachte.


Schon nach einem Jahr lautete sein Fazit: Die zusätzlichen Strom- und Ersatzteilkosten haben die eingesparten Substratkosten schnell wieder aufgefressen. Darum entschied er sich im Jahr 2017 für eine umfangreiche Umstellung der Anlagentechnik und des Managements: In dem Fermenter installierte er ein zusätzliches Großflügelrührwerk mit 15 kW Anschlussleistung. Es dreht sich nicht nur deutlich langsamer als das bislang eingesetzte Tauchmotorrührwerk, sondern ist auch frequenzgesteuert. Damit liegt die effektive Stromaufnahme im Schnitt bei 10 kW. Das Tauchmotorrührwerk ist zwar noch eingebaut, dient aber nur noch als Reserve.


Die Großflügelrührwerke liegen sich im Behälter gegenüber. Sie werden etwa 15 Minuten vor dem Füttern automatisch angestellt und stoppen, wenn das stündliche Fütterungsintervall abgeschlossen ist. Damit konnte Müller die Rührzeit von 60 auf 25 Minuten pro Stunde reduzieren.


Zellen platzen auf


Zusätzlich ließ er eine Ultraschallanlage einbauen, die einen Teil des Fermenterinhalts behandelt: Die angelegte Stromspannung lässt die Zellen der Biomasse per Kavitation platzen. Außerdem entschied er zusammen mit der prozessbiologischen Beratungsfirma, die Fermentertemperatur von 38 auf 44°C zu erhöhen.


Das Gras erntet er möglichst jung und sehr feucht. Der TS-Gehalt sollte nicht über 30% liegen. Das Gras wird direkt nach dem Mähen ohne zusätzliches Wenden geerntet.


Grasanteil deutlich höher


Rund 2,5 Jahre nach der Umstellung hat er folgende Erfahrungen gemacht:


  • Er erntet von 80 ha Fläche Gras für die Biogasanlage. Dazu gehört Dauergrünland, das er bis zu fünfmal im Jahr mäht, sowie Ackergras.
  • Die Ultraschallanlage führte zusammen mit der Temperaturerhöhung dazu, dass das Material fließfähiger wurde. „Selbst bei 15% TS ist die Viskosität jetzt niedriger als früher bei 8 bis 9%“, hat er festgestellt. Er behandelt dabei nur 0,6 m3 Fermenterinhalt pro Stunde mit über 50000 Herz. Das ist die Menge, die täglich an Frischmasche dazu gegeben wird.


Für ihn steht fest: Die Rührwerke allein hätten keinen höheren Grasanteil möglich gemacht, wichtig war die Kombination von Ultraschall und Großflügelmixer.


Heute setzt er mehr als 10 t Gras/Tag ein. In der Spitze liegt der Grasanteil innerhalb der Feststoffe bei 85%, Mais macht 10% aus, der Rest ist Mist. In den Jahren 2018 und 2019 hat der Grasaufwuchs allerdings mehr unter der Trockenheit gelitten als Mais, sodass er den Grasanteil nicht bis zum Maximum erhöhen konnte.


Als Nachteil sieht er, dass sich wegen der geringeren Gasausbeute von Gras und der damit verbundenen höheren Einsatzstoffmenge auch der Gärrestanfall erhöht hat. Wegen der Begrenzung des Stickstoffausbringmenge in der Düngeverordnung muss er von 6000 m3 Gärrest, die im Jahr anfallen, 1000 m3 abgeben. Hierfür zahlt er 6 €/m3 mehr, als wenn er den Gärrest auf eigenen Flächen ausbringt.


Grasqualität entscheidend


Wichtig ist aus seiner Sicht, gute Grassilage zu füttern. Dazu gehört auch der Aufwuchs vom ersten und zweiten Schnitt und nicht nur die Reste vom Spätsommer.


Das feucht geerntete Gras produziert im Silo zwar viel Sickersaft. Aber diesen fängt Müller auf der Siloplatte mit einem getrennten Abfluss auf und pumpt ihn in den Nachgärbehälter. Wegen des hohen Säuregehaltes darf er allerdings nur in kleinen Mengen in den Behälter gepumpt werden.


Die bessere Fließfähigkeit führt zusammen mit dem neuen Rührwerk dazu, dass die Gasbildung wie früher beim Mais sehr gleichmäßig ist.


Er muss keinen Mais mehr für die Biogasanlage kaufen, sondern nutzt ausschließlich die Reste, die von der Bullenfütterung übriggeblieben sind. Außerdem hat er seit zwei Jahren keine Drehkolben mehr wechseln müssen.


Stromverbrauch sinkt


Der Stromverbrauch ist trotz der höheren Anschlussleistung beim Rührwerk und trotz des zusätzlichen Bedarfs durch die Ultraschallanlage nicht gestiegen. Der Eigenstrombedarf liegt bei 7,5%, einschließlich BHKW sowie den Pumpen eines 800 m langen Wärmenetzes und einer Trocknungsanlage. Inzwischen hat er auch die Pumpe sowie die Notkühler des BHKW mit Frequenzumrichter ausgestattet.


Insgesamt haben sich Müllers Fütterungskosten um 25% gesenkt. Ursprünglich hatte er damit gerechnet, dass sich die nachträgliche Investition in Rührwerke und Ultraschallanlage von 150000 € in sechs Jahren bezahlt gemacht hat. Aber inzwischen geht er davon aus, dass sich die Umstellung in 2,5 Jahren amortisiert. Für Betriebe auch außerhalb von Grünlandregionen könnte er sich auch vorstellen, dass die Umstellung von Mais auf Festmist oder Getreide-Ganzpflanzensilage einen ähnlichen Effekt hat.


hinrich.neumann@topagrar.com

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