Sie vertreiben das Antikollisionssystem IdentiFlight in Deutschland. Es hat jetzt als erstes System die Validierung zum Einsatz in der Windenergie erhalten. Was bedeutet das?
Schöttler: Hintergrund ist, dass Antikollisionssysteme zum Schutz von Großvögeln in Deutschland noch nicht gängige Praxis sind. Damit sich das ändert, hat das Kompetenzzentrum für Naturschutz und Energiewende (kurz: KNE) Kriterien aufgestellt. Unser Ingenieurbüro hat vor vier Jahren angefangen, das in den USA entwickelte System IdentiFlight auf den bei uns besonders betroffenen Rotmilan anzupassen. Zwei unabhängige Gutachterbüros haben drei Jahre lang zusammen mit dem TÜV Nord Untersuchungen an sechs verschiedenen Windenergiestandorten in Deutschland durchgeführt. Sie haben bestätigt, dass IdentiFlight das Tötungsrisiko für Rotmilane erheblich senkt. Auch das KNE hält es jetzt für praxisreif.
Was bedeutet das jetzt für die Praxis?
Schöttler: Heute müssen Windparks pauschale Abstände zu Brutstätten von Vögeln einhalten, wenn diese in der Nähe eines geplanten Windparks festgestellt werden. Oder bestimmte Flächen werden unter Umständen bereits im Regionalplanverfahren ganz ausgeschlossen. Die Situation ist eigentlich absurd, weil die entsprechenden Vogelgutachten regelmäßig weit vor der Erteilung der Genehmigung erstellt werden. Wenn das Windrad fünf bis sieben Jahre danach ans Netz geht, hat sich die Situation meist völlig verändert, die alten Horste können verschwunden und neue entstanden sein. Mit einem Antikollisionssystem können wir pauschale Abstände oder Flächenausschlüsse vermeiden. Damit könnten mehr Windparks entstehen. Auch vermeiden wir, dass Naturschutzverbände gegen einen Windpark klagen, weil neue Horste entstanden sind. Gleichzeitig lässt sich auch die Wirtschaftlichkeit verbessern.
Inwiefern?
Schöttler: Wenn der Windpark in Betrieb geht, können während der Betriebszeit neue Horste entstehen. Den Vögeln ist dann mit den pauschalen Abständen zu älteren Brutstätten nicht geholfen. Um das Tötungsrisiko zu senken, ordnen Behörden immer öfter als Genehmigungsauflage von April bis September tagsüber pauschale Abschaltungen an. In dieser Zeit hält sich der Rotmilan als Zugvogel in Deutschland auf. Das führt zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten der Parkbetreiber, unabhängig davon, ob Vögel in dem Gebiet jagen oder nicht. Ein Antikollisionssystem kann viel dynamischer auf Veränderungen reagieren: Es schaltet die Anlagen immer dann ab, wenn sich eine Zielvogelart nähert.
Woher weiß das System, dass es ein Rotmilan und keine Möwe ist?
Schöttler: Dabei hilft die Künstliche Intelligenz des Systems. Es hat anhand von hunderttausenden von Fotos gelernt, wie ein Rotmilan in verschiedenen Flugsituationen und Lichtverhältnissen aussieht. Mit jedem neuen Foto wird es genauer. Nur in 6% der Fälle hält das System einen heranfliegenden Vogel für einen Rotmilan, obwohl es eine andere Art ist. In 4% der Fälle erkennt das System einen Rotmilan nicht. Künftig soll es auch Arten wie Schrei- oder Seeadler erkennen.
Was wird so ein System kosten?
Schöttler: Die Preise stehen noch nicht fest, aber wir gehen von 400000 bis 500000 € pro Kamerasystem aus, je nach Ausstattung und benötigter Infrastruktur. Ein System kann aktuell bis zu vier Anlagen überwachen, zukünftig sehr wahrscheinlich noch mehr.
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Sie vertreiben das Antikollisionssystem IdentiFlight in Deutschland. Es hat jetzt als erstes System die Validierung zum Einsatz in der Windenergie erhalten. Was bedeutet das?
Schöttler: Hintergrund ist, dass Antikollisionssysteme zum Schutz von Großvögeln in Deutschland noch nicht gängige Praxis sind. Damit sich das ändert, hat das Kompetenzzentrum für Naturschutz und Energiewende (kurz: KNE) Kriterien aufgestellt. Unser Ingenieurbüro hat vor vier Jahren angefangen, das in den USA entwickelte System IdentiFlight auf den bei uns besonders betroffenen Rotmilan anzupassen. Zwei unabhängige Gutachterbüros haben drei Jahre lang zusammen mit dem TÜV Nord Untersuchungen an sechs verschiedenen Windenergiestandorten in Deutschland durchgeführt. Sie haben bestätigt, dass IdentiFlight das Tötungsrisiko für Rotmilane erheblich senkt. Auch das KNE hält es jetzt für praxisreif.
Was bedeutet das jetzt für die Praxis?
Schöttler: Heute müssen Windparks pauschale Abstände zu Brutstätten von Vögeln einhalten, wenn diese in der Nähe eines geplanten Windparks festgestellt werden. Oder bestimmte Flächen werden unter Umständen bereits im Regionalplanverfahren ganz ausgeschlossen. Die Situation ist eigentlich absurd, weil die entsprechenden Vogelgutachten regelmäßig weit vor der Erteilung der Genehmigung erstellt werden. Wenn das Windrad fünf bis sieben Jahre danach ans Netz geht, hat sich die Situation meist völlig verändert, die alten Horste können verschwunden und neue entstanden sein. Mit einem Antikollisionssystem können wir pauschale Abstände oder Flächenausschlüsse vermeiden. Damit könnten mehr Windparks entstehen. Auch vermeiden wir, dass Naturschutzverbände gegen einen Windpark klagen, weil neue Horste entstanden sind. Gleichzeitig lässt sich auch die Wirtschaftlichkeit verbessern.
Inwiefern?
Schöttler: Wenn der Windpark in Betrieb geht, können während der Betriebszeit neue Horste entstehen. Den Vögeln ist dann mit den pauschalen Abständen zu älteren Brutstätten nicht geholfen. Um das Tötungsrisiko zu senken, ordnen Behörden immer öfter als Genehmigungsauflage von April bis September tagsüber pauschale Abschaltungen an. In dieser Zeit hält sich der Rotmilan als Zugvogel in Deutschland auf. Das führt zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten der Parkbetreiber, unabhängig davon, ob Vögel in dem Gebiet jagen oder nicht. Ein Antikollisionssystem kann viel dynamischer auf Veränderungen reagieren: Es schaltet die Anlagen immer dann ab, wenn sich eine Zielvogelart nähert.
Woher weiß das System, dass es ein Rotmilan und keine Möwe ist?
Schöttler: Dabei hilft die Künstliche Intelligenz des Systems. Es hat anhand von hunderttausenden von Fotos gelernt, wie ein Rotmilan in verschiedenen Flugsituationen und Lichtverhältnissen aussieht. Mit jedem neuen Foto wird es genauer. Nur in 6% der Fälle hält das System einen heranfliegenden Vogel für einen Rotmilan, obwohl es eine andere Art ist. In 4% der Fälle erkennt das System einen Rotmilan nicht. Künftig soll es auch Arten wie Schrei- oder Seeadler erkennen.
Was wird so ein System kosten?
Schöttler: Die Preise stehen noch nicht fest, aber wir gehen von 400000 bis 500000 € pro Kamerasystem aus, je nach Ausstattung und benötigter Infrastruktur. Ein System kann aktuell bis zu vier Anlagen überwachen, zukünftig sehr wahrscheinlich noch mehr.