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Reststoffe: Neue Verfahren für ungenutzte Potenziale

Lesezeit: 9 Minuten

Auf der 6. Tagung „Stroh, Gras, Biogas“ stellten Wissenschaftler und Praktiker neue Möglichkeiten vor, Reststoffe wie Maisstroh, Schweinekot oder Rübenblätter zu nutzen.


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Mit der Ukrainekrise bekommen Alternativen zu russischem Erdgas neuen Auftrieb. „Die Nachfrage nach Biomethan für die Bereiche Strom, Wärme und Kraftstoff ist stark gestiegen“, erklärte Dr. Stefan Rauh auf der 6. Bayerischen Biogasfachtagung „Stroh, Gras, Biogas“, die ProFair Consult in Kooperation mit dem Fachverband Biogas und dem Netzwerk C.A.R.M.E.N. organsiert hatte.


Als Gründe für die hohe Nachfrage nannte Rauh zum einen die gute Treibhausbilanz bei Biomethan als Kraftstoff, was das Gas für die Mineralölkonzerne interessant macht. Denn sie sind verpflichtet, u.a. mit dem Verkauf von Biokraftstoffen die Treibhausgasemissionen zu senken. Mit Bioemethan gelingt das besonders effizient.


Dazu kommt: Während Erdgas bis zu 250 €/MWh kostet, lässt sich Biomethan ab 55 €/MWh erzeugen. Auch die EU plant jetzt eine Steigerung der heimischen Biomethanproduktion, um sich von russischen Energieimporten unabhängiger zu machen. „Das geht aber nur mit Rest- und Abfallstoffen“, sagt Rauh. Sie sind nicht nur günstig, sondern reduzieren auch die Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und ermöglichen eine hohe CO2-Einsparung, weil u.a. keine Emissionen beim Anbau entstehen.


Doch bei der Reststoffnutzung gibt es zahlreiche rechtliche Hürden. Eine sieht der Fachverband Biogas in der übereilten Umsetzung der Nachhaltigkeitsverordnung, die beispielsweise für die Strohvergärung zusätzliche Nachweispflichten einführt und damit diese Art der Reststoffverwertung verhindern könnte. „Dabei gibt es viele Studien, die zeigen, dass eine Ausbringung von Gärrest förderlich für den Humusaufbau ist“, erklärt Rauh.


Forschungsprojekt BioRest


Wissenschaftler der FH Münster untersuchen im Projekt „BioRest“ Reststoffe für die Vergärung wie Gras, Rinder- und Pferdemist, Raps- und Gerstenstroh sowie Kartoffelkraut. Zur Aufbereitung der Substrate setzt die FH u.a. auf die mechanische Zerkleinerung sowie auf Ammoniak für einen basischen Aufschluss. „Die Konzentration ist geringer als bei Natronlauge. Außerdem könnten Landwirte künftig Ammoniak über die Gülle selbst herstellen, um Kosten zu sparen“, erklärt Dr. Elmar Brügging von der FH Münster.


Erste Ergebnisse des noch laufenden Projekts: Je nach Substrat gibt es geeignete Aufbereitungsverfahren. Bei Pferdemist und Gerstenstroh reicht eine erste Zerkleinerung, bei Rapsstroh, Kartoffelkraut, Rindermist und Gras führte eine zusätzliche basische und enzymatische Behandlung zu 8 bis 26 % mehr Methan. Dabei entstehen Kosten für die Substratvorbehandlung von 8 €/t Frischmasse (FM) bei Rindermist (u.a. Stromverbrauch, Verschleiß), bei 9 €/t FM beim Gras oder 29 €/t FM beim Rapsstroh.


Aufbereitung von Stroh


In dem Forschungsprojekt „Lignoflex“ beschäftigt sich die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) mit der Aufbereitung von Koppelprodukten und Reststoffen wie Raps- oder Körnermaisstroh. Im Fokus steht u.a. die Auswirkung der Aufbereitung auf die Abbaukinetik. Zum Einsatz kommen Verfahren wie Hammermühle, Laugenzugabe, Siliermittel sowie eine Kombination aus Hammermühle und Siliermittel. „Bei lignocellulosereicher Biomasse kann eine längere Verweilzeit im Fermenter die Gasausbeute erhöhen“, sagt Referent Matthias Steindl. Wer dagegen für die flexible Stromproduktion die Gasbildung beschleunigen will, sollte auf die Aufbereitung setzen.


Je mehr Lignocellulose enthalten ist, desto intensiver muss die Aufbereitung erfolgen, um an die wertvollen Bestandteile, wie Cellulose und Hemicellulose, zu gelangen. Die Aufbereitung mit Lauge scheint dabei vielversprechend, ist aber laut Steindl noch kein praxisrelevantes Verfahren. „Allein der Einsatz von NaOH-Salz kostete etwa 1 €/kg FM Substrat im Laborversuch. Da ist Arbeitsaufwand, Invest in Technik usw. noch gar nicht enthalten“, sagt Steindl.


Kugelmühle bei Misteinsatz


Die Zerkleinerung von Materialien wie Stroh, Pferdemist oder Landschaftspflegematerial steht im Mittelpunkt des Projekts „FLEX-CRASH“ der Uni Hohenheim. Dabei kommt eine neu entwickelte Kugelmühle zum Einsatz. Die Versuchsanlage auf der Forschungsbiogasanlage am Unteren Lindenhof besteht aus einer 3 m langen Trommel, die sich dreht. Darin befindet sich die Biomasse sowie zahlreiche Stahlkugeln, die bei jeder Drehung nach oben befördert werden und dann auf das Substrat fallen. Über eine spiralförmige Scheibe wird das zerkleinerte Material nach außen gedrückt, während die Kugeln in der Kapsel zurückbleiben. Erste Ergebnisse: Bei 6 U/Min. ist der Methanmehrertrag in der Biogasanlage am höchsten. Grund: Das Material bleibt hierbei am längsten in der Trommel und wird stärker zerkleinert als bei den schnelleren Umdrehungen.


Mist bei „LaRA“ im Fokus


Im Projekt „Landwirtschaftliche Rest- und Abfallverwertung“ (LaRA) untersuchen die TH Ingolstadt, das Leibnitz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie sowie C.A.R.M.E.N. Lösungsansätze zur technischen Anpassung bestehender Biogasanlagen für die Nutzung faseriger Reststoffe. Als Ergebnis soll ein Leitfaden für Anlagenbetreiber entstehen. Daran beteiligt sind u.a. 15 Anlagen aus Deutschland und Österreich. „Aussichtsreiche Reststoffe sind Gülle, Mist, Getreidestroh und Landschaftspflegematerial“, sagt Cosima Aeschbach von C.A.R.M.E.N.


Wie wirtschaftlich der Reststoffeinsatz sein kann, zeigt der Kostenvergleich einer Projekt-Anlage mit einer theoretischen Vergleichsanlage, die dieselbe Gasausbeute bei einem Substratwechsel erzielen würde. Ersetzt der Betreiber einen Teil des Substratmixes (v.a. Mais und Rüben) durch Rinderfestmist (7800 t, Anteil von 37 %), sinken die bedarfsgebundenen Kosten um 17 %, die Gesamtkosten um 8 %. Die Stromgestehungskosten lassen sich damit um ca. 1,5 ct/kWh verringern. „Da der Betrieb dann noch den Güllebonus erhält, steigt der Gewinn für diese Anlage um fast 50 %“, erklärt Aeschbach.


rübenblatt als Substrat


Ein weiterer interessanter Reststoff ist das Zuckerrübenblatt, erklärt Bengt Verworner vom Deutsches Biomasseforschungszentrum (DBFZ). Mit den in Deutschland anfallenden etwa 12 Mio. t ließen sich bis zu 190000 ha Mais ersetzen. Die Gasausbeute liegt bei etwa 46 m3 Methan/t FM und damit halb so hoch wie beim Silomais.


Als Ernteverfahren hat Verworner einen Kopfroder vorgestellt. Damit ist es möglich, das Blatt aufzunehmen, ohne dass es Bodenkontakt hat. „Es lässt sich auch sehr gut einsilieren, entweder mono oder in Kombination mit Maisstroh“, erklärt der Wissenschaftler.


Weitere Vorteile sind die Einbringung ohne nötige Aufbereitung und eine vollständige Ausgasung schon nach zehn Tagen. „Wenn das Blatt dagegen auf dem Feld verbleibt, können Lachgasemissionen entstehen. Daher ist die Vergärung auch aus Klimaschutzgründen sinnvoll“, ergänzt er.


Viel Potenzial beim Mähgut


Für eine artenreiche Flora an Straßenrändern hat es sich als nötig erwiesen, das Mähgut abzufahren. „Momentan kommt es durch die häufig praktizierten Mulchschnitte sowie verkehrsbedingten Abgase zu einer Nährstoffanreicherung und damit zu einer Verarmung der Artenvielfalt“, erklärt Lennart Dittmer von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG). Um die Biodiversität zu erhöhen, hat sich deshalb auch die bayerische Straßenbauverwaltung im Zuge des „Volksbegehrens Artenvielfalt“ dazu verpflichtet, Bundesstraßen als Magergrünland zu bewirtschaften. Für bestimmte Insektengruppen, wie Bestäuber, hat sich dabei in Experimenten z.B. ein zweimaliges Mähen pro Jahr als förderlich erwiesen.


Das Gras lässt sich ebenfalls in Biogasanlagen verwerten. Nach Literaturwerten liegt der Methanertrag je nach Mähtermin und Pflanzenzusammensetzung zwischen 74 und 93 % des Ertrags von Maissilage. An Autobahnen ergeben sich überschlagsmäßig Flächen von 0,8 ha pro Straßenkilometer, bei Bundesstraßen 0,6 ha und Land- und Kreisstraßen von 0,4 ha.


Schweinekot ersetzt Mais


Schweinegülle als Biogassubstrat war bislang wegen des geringen TS-Gehaltes und der Gasausbeute niedriger. In dem Projekt „Biogas mit Schweinekot (BioSeK)“ hat Döhler Agrar einen Stall entwickelt, bei dem der Harn in speziellen Bereichen in der Bucht vom Kot getrennt wird. „Mit einer Tonne frischem Schweinekot lassen sich etwa 0,5 t Mais ersetzen“, erklärt Geschäftsführer Helmut Döhler. Wichtig ist, dass das Material frisch in die Biogasanlage kommt und die Tiere nicht mit Antibiotika behandelt wurden.


Pelletierung auf dem Feld


Mit dem Metitron 560 können Landwirte ab diesem Jahr erstmals eine Maschine kaufen, die Biomasse wie Getreide-, Mais-, Rapsstroh, Miscanthus oder Gras auf dem Feld pelletiert. Vorteil: Die Transport- und Lagerdichte erhöht sich, das Material lässt sich mit verschiedenen Fahrzeugen transportieren und die Lagerung ist einfacher als mit Ballen. Zudem steigt die Temperatur beim Pelletieren auf 90 °C, was hygienisierend wirkt und einen gewissen Voraufschluss bewirkt.


Basis für die Maschine ist das Feldhäcksler-Modell „Jaguar“ von Claas. Dieser nimmt die Biomasse aus dem Schwad auf, zerfasert und zerkleinert das Material, das anschließend durch eine Matrize mit 8 mm weiten Löchern gepresst wird.


Der Metriton hat eine Durchsatzleistung von bis zu 6 t Pellets pro Stunde. Das Material muss einen TS-Gehalt von mindestens 85 % haben. „Zu trockene Biomasse können wir an Bord mit Wasser befeuchten“, erklärt Metitron-Geschäftsführer Harald Späth aus Pfronstetten (Baden-Württemberg).


Die Pelletierkosten liegen zwischen 60 €/t bei Heu und 100 €/t bei Miscanthus. Wartung und Verschleiß beziffert Späth nicht höher als bei herkömmlichen Feldhäckslern.


Vom Maisstroh zum Biogas


Josef Höckner aus Utzenaich (Österreich) betreibt seit 2004 eine Biogasanlage mit einem Ring-in-Ring-Fermenter und Betondecke. Als Substrat setzt er 67 % Maisstroh, 12 % Rinder- und Pferdemist, 7 % Getreidestroh sowie Landschaftspflegematerial und Zwischenfrüchte ein.


Das Maisstroh erntet er mit dem „Bio-Chipper“, einer Kombination aus Bandschwader und Mulcher, das seine Firma BioG entwickelt hat (siehe dazu auch die Reportage ab S. 26). Das Stroh hat zwischen 30 und 70 % TS –, abhängig davon, wann es geerntet wurde und wie lange es auf dem Feld liegt. Bei dem sehr trockenen Material hat sich die Kosilierung mit feuchten Zwischenfrüchten, Rübenschnitzel oder Biertreber als hilfreich erwiesen. Allerdings zeigt auch eine Mono-Silierung gute Erfolge. Die Erntekosten beziffert er mit rund 29 €/t TS oder mit 0,1 €/m3 Methan.


Für den Eintrag in den Fermenter setzt Höckner auf eine Kombination von Auflösen, Zerfasern und Fremdkörperabscheidung. Unterm Strich schneidet seiner Berechnung nach Rindermist mit Materialkosten frei Fermenter von 4 ct/kWh (elektrisch) am besten ab, gefolgt von Maisstroh (4,9 ct/kWh) oder Zwischenfrüchten (5 ct/kWh). Im Vergleich dazu liegt Gras bei 9,6 ct/kWh Strom, Maissilage bei 10 ct/kWh und Weizenstroh bei 12 ct/kWh.


Ihr Kontakt zur Redaktion:hinrich.neumann@topagrar.com

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