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Eine Postkarten-Liebe

Lesezeit: 4 Minuten

„Oh Gott, Großstadt!“, sagt sie. „Oh Gott, Kühe!“, sagt er. „Wie soll das funktionieren“, fragen sich beide. Doch es knistert und kribbelt. Also schreibt Klaus, beruflich ständig auf Reisen, der Landwirtin über Monate Postkarten. 2013 heiraten sie und finden eine gute Lösung für sich: Ehe mit zeitweiser Fernbeziehung. Sehnsucht nicht ausgeschlossen.


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„Wow! Wer ist das denn“ Es war der Polterabend meines Cousins. Ich stand an der Theke, meine Kumpels kannten sich aus: „Das ist Lioba!“


Ich fand sie spritzig und attraktiv. Fasste mir ein Herz, sprach sie an und wir tanzten, obwohl ich das eigentlich gar nicht mag und kann. Es war ein toller Abend! Doch zum Abschied gab mir Lioba ihre Handynummer nicht.


Was sollte ich tun? Einfach zu ihr hinfahren, auf den Hof mit ihren Eltern und den vier Schwestern? Das traute ich mich damals nicht. Unter der Woche lebte ich in Düsseldorf oder reiste durch ganz Deutschland. Also schrieb ich ihr Postkarten. Aus dem Rheinland, aus München, Frankfurt, mehrere Male auch aus dem Urlaub: Chile, Tansania, Österreich.


Irgendwann gingen wir aus. Es kribbelte und wir wollten zusammen sein. Doch da war auch dieser große Respekt, oder eine Furcht, vor der beruflichen Situation des anderen.


Heute ist Liobas Hof mein Zuhause. Ich bin nach wie vor Unternehmensberater in Düsseldorf, habe auch weiterhin meine Wohnung dort. Aber ich nutze sie nur von Montagabend bis Donnerstagfrüh. Freitags bin ich immer schon zurück auf dem Hof, arbeite von dort aus und übernehme dann auch gern eine Melkzeit oder die beiden Kleinen.


Ich schätze mich glücklich. Innerhalb von zwei Jahren kamen unsere Kinder zur Welt: Lotta im Februar 2016, Johann im August 2017. Es war eine intensive Zeit. Denn gleichzeitig erkrankte erst meine Mutter an Krebs, dann Liobas Vater. Jetzt sind alle gesund und ich wünsche mir inständig, dass es so bleibt. Besonders deutlich spüre ich mein persönliches Glück, wenn ich am Donnerstagabend die Ahornallee zum Hof hinauffahre, Lotta schon dasteht und winkt und Lioba aus dem Stall kommt.


Postkarten sind immer noch von Bedeutung für uns. Ich lese gern Krimis und oft schenkt mir Lioba ein Buch. Eine Karte mit wenigen Sätzen legt sie stets dazu. Manchmal finde ich auch Post in meiner Reisetasche oder eine kleine Notiz am Spiegel.


Witzig-verrückt: So nenne ich die Zeit, in der wir uns kennenlernten. Immer, wenn ich heute die Kiste mit den Postkarten sehe, muss ich schmunzeln.


Klaus liebt seinen Beruf. Und ich meinen. Eine „Bauernhof-Karriere“ war stets mein Ziel. Kühe, die Verantwortung für sie, das Miteinander mit den Kindern und Azubis: das bin ich.


Außerdem liegt mir die Naturheilkunde am Herzen. Ich weiß: Die richtigen Globuli können z.B. eine chronische Entzündung effektiv heilen. Daher habe ich mich ausbilden lassen und bin seit letztem Herbst Tierheilpraktikerin. Mein Wissen und die Begeisterung möchte ich nun weitertragen. In Vorträgen, Workshops… mal sehen.


Klaus stammt zwar vom Hof, doch er ist ganz anders unterwegs. Er hat sein zehnköpfiges Team, Kundentermine, Zahlen, Analysen, Telefonkonferenzen. Auch charakterlich sind wir Gegensätze: Er ist ruhig, besonnen, entschieden, aber diplomatisch. Aus mir platzt es manchmal einfach so heraus und ich bin sehr direkt. Klaus steht dann vor mir, grinst mich an, bis ich selbst lachen muss und die Sache ist vergessen.


Was uns eint, ist der Sinn für Familie und Gemeinschaft. Die Kraft, mit der wir hier zusammenstehen, ist für mich unvergleichlich. Es sind zwei Wohnbereiche und Haushalte, doch mittags sitzen wir „alle Mann“ bei meinen Eltern am Tisch. Wir essen, lachen und sind genau das, was einen Familienbetrieb ausmacht: Menschen, die zusammengehören und füreinander einstehen.


Mein Vater und meine Mutter sind aber noch viel mehr. Sie sind mein „Joker“ für Lotta und Johann. Unter der Woche, wenn Klaus nicht da ist, und auch mal samstags, wenn wir ausgehen.


Aktuell halte ich oft inne: Unsere Kinder sind Goldstücke, die Senioren wieder gesund. Ich möchte diesen Zustand anhalten, festhalten, am liebsten „einfrieren“. Ich bin so dankbar dafür. Und trotzdem gibt es Tage, da fühle ich mich wie zerrissen. Lotta und Johann quängeln, draußen werde ich mit der Arbeit nicht fertig. „Lioba!“, sagt dann Klaus. „Morgen fängst Du neu an.“


Klaus (44)


Lioba (31)

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