Erwin Teufel ist in den Kriegsjahren aufgewachsen, war fasziniert von den Zeiten des Umbruchs und wurde später zu einem der erfolgreichsten Politiker Baden-Württembergs.
Als er im September seinen 77. Geburtstag feierte, erreichten Dr. Erwin Teufel rund 300 Briefe. „Es werden weniger“, sagt er. „Aber vergessen werde ich noch nicht.“ Wer als Ministerpräsident 14 Jahre Baden-Württemberg regierte, bleibt eben auch im Ruhestand in den Köpfen.
Erwin Teufel kam drei Tage nach Kriegsbeginn zur Welt. Der Einmarsch der Franzosen in die Heimatgemeinde ‚Zimmern ob Rottweil‘ ist seine früheste Kindheitserinnerung. Der Vater war im Krieg, die Mutter mit Hof, Kindern und Sorge um den Mann alleine.
Ein anderer Weg:
Auch wenn Erwin Teufel während der Schulzeit im elterlichen Ackerbau- und Milchviehbetrieb mithelfen musste, war für ihn klar, dass er einen anderen Weg wählen würde. „Ich wäre kein guter Bauer geworden“, sagt er. „Diese Arbeit lag mir nicht.“ Vielmehr machte er sich schon als Jugendlicher Gedanken darüber, wie es zur Machtergreifung durch die Nazis kommen konnte, er beschäftigte sich mit dem Krieg und den Nachkriegsjahren. „Meine Mutter, eine einfache Bäuerin, aber blitzgescheite Frau, hat mir Bücher gekauft“, erzählt er. „Die Werke über Anne Frank und die Geschwister Scholl habe ich förmlich verschlungen. Ich wollte Politik machen.“ Also trat er in die CDU ein und gründete eine Ortsgruppe der Jungen Union.Danach verlief seine Karriere steil. 1964 wurde er mit 25 Jahren zum jüngsten Bürgermeister Deutschlands gewählt. Als er 1972 als Staatssekretär ins Innenministerium nach Stuttgart wechselte, entschied er sich zu pendeln. 34 Jahre fuhr er mit dem Zug von Spaichingen in die Landeshauptstadt. „Ich wollte meine Familie nicht aus ihrem Umfeld reißen. Ich habe ihnen schon genug abverlangt“, erklärt er. Das Leben als Politiker erforderte private Abstriche, nicht selten war Erwin Teufel bis nachts unterwegs. Und doch war es seine Frau Edeltraud, die ihm in 54 Jahren Ehe den größten Rückhalt gab. „Wir waren zusammen in Kindergarten und Grundschule“, erzählt er. „Dann verloren wir uns aus den Augen.“
Als sich ihre Wege wiedertrafen, verliebten sie sich, heirateten und bekamen vier Kinder. Heute ist Erwin Teufel 10-facher Großvater und 2-facher Urgroßvater. Er genießt es, im Ruhestand Zeit für die Familie zu haben. Ruhe ist aber lange nicht eingekehrt. Bis zu vier Vorträge hält er wöchentlich. „Es gibt nichts, was ich nicht freiwillig mache“, stellt er klar. „Dennoch hätte ich oft gerne mehr Zeit für die Bücher.“
Im September, kurz nach seinem Geburtstag, flatterte ein Brief von Angela Merkel ins Haus, in dem sie Erwin Teufel zu 60 Jahren Parteimitgliedschaft gratulierte. „So lange ist das her“, sagt er. „Man muss sich vorstellen: Als ich in die CDU eingetreten bin, war Adenauer Bundeskanzler.“Anja Rose