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Reden, reden, reden…

Lesezeit: 6 Minuten

Viele Konflikte in landwirtschaftlichen Familien kommen durch falsche oder fehlende Kommunikation zustande. Berater und Mediatoren können dabei helfen, dass Gespräche und die alltägliche Kommunikation wieder gelingen.


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Mit Worten ist das so eine Sache. Einmal ausgesprochen, kann man sie nicht wieder zurücknehmen. Und nicht selten tut das Gesagte im Nachhinein leid. Belastend kann aber auch das Ungesagte sein, denn häufig ist es genau das, was sich aufstaut und später zu unüberwindbaren Konflikten führt.


Familien in der Landwirtschaft spüren die Schwierigkeit von guter und richtiger Kommunikation gleich doppelt, denn sie haben mit vielen Konflikten zu kämpfen. Bauern müssen sich mit Behörden auseinandersetzen, um notwendige Genehmigungen zu bekommen, müssen Nachbarn und den Verbrauchern ihre Arbeit erklären und sich rechtfertigen.


Auch die Konflikte zwischen Landwirtschaft und Umwelt- sowie Tierschutz werden häufiger, ganz zu schweigen von dem finanziellen Druck, unter dem viele Bauernfamilien stehen. Und da der Betrieb auf den Höfen meist mit am Familientisch „sitzt“, übertragen sich die Probleme häufig in die zwischenmenschlichen Beziehungen.


Und hier kommen noch weitere Probleme hinzu: Das Zusammenleben mehrerer Generationen, Kompetenzgerangel, unterschiedliche Vorstellungen von Lebens- oder Betriebsführung, mangelndes Vertrauen.


Ist Schweigen immer Gold?

Umso wichtiger ist deshalb, dass die Kommunikation innerhalb der landwirtschaftlichen Familie funktioniert, weiß Eva-Maria Schüle von der Beratungsstelle „Familie und Betrieb e.V.“ in St. Ulrich (Baden-Württemberg). Sie arbeitet als Mediatorin und betreut unter anderem Familien, bei denen es mit der Kommunikation Probleme gibt.


„Die Kommunikation kann in landwirtschaftlichen Familien an vielen Stellen schief laufen: Zwischen den Partnern, zwischen den Eltern und den Kindern, zwischen Schwiegereltern und Schwiegertochter oder -sohn“, erklärt sie. „Und Kommunikation kann auch auf viele Arten ungeeignet sein: zu wenig, zu viel, zu vorwurfsvoll oder einfach nicht sinnvoll.“ Oft sprechen Ehepartner oder Sohn und Eltern gar nicht mehr miteinander. Das sei zwar auch eine Art der Kommunikation, sagt die Beraterin, aber eben wenig hilfreich.


Aus zahlreichen Gesprächen weiß Eva-Maria Schüle, dass vor allem abwertende Worte und gegenseitige Vorwürfe die häufigste Form falscher Kommunikation sind. „Erst wird nicht miteinander geredet, dann beginnen oft die Vorwürfe“, sagt sie.


In der Beratung empfiehlt sie den Gesprächspartnern deshalb immer, statt Vorwürfen besser die eigenen Wünsche zu formulieren. „Ganz wichtig ist auch, dass man gegenseitiges Verständnis aufbringt“, erzählt eine Klientin von Schüles Beratungsstelle. „Manchmal muss man auch erklären können, warum man auf eine Situation so gereizt oder enttäuscht reagiert hat.“


Zeit für sich selbst.

Genau deshalb empfiehlt Eva-Maria Schüle, dass sich auch Landwirte darüber bewusst werden, wie es ihnen geht, wie ihre Gefühle sind und wo ihre Bedürfnisse liegen – und darüber auch mit ihrer Familie sprechen.


„Oft findet man auf den Betrieben eingespielte Muster und Abläufe, die so lange funktionieren, bis jemand Neues dazukommt. Das kann eine Frau oder ein Mann sein oder aber auch ein Kind“, erklärt die Mediatorin. „Und dann ist es wichtig, sich die Zeit zu nehmen und darüber zu sprechen, was geändert werden muss, damit wieder alles zur Zufriedenheit aller läuft.“ Vor allem Paaren rät sie, sich regelmäßig Zeit füreinander zu nehmen. So helfe es, z.B. an Hobbys anzuknüpfen, die man früher gemeinsam hatte, und sich dabei Zeit für Gespräche zu nehmen.


Aber auch Gesprächsrituale, die morgens oder am Abend fest eingeplant werden, können bei der Kommunikation helfen. „Geplante Redezeiten haben uns dabei geholfen, überhaupt wieder miteinander zu sprechen“, erzählt eine Bäuerin. „Und wenn man eine Gesprächszeit mit definiertem Ende festlegt, weiß man auch, dass man danach auch tatsächlich alles besprochen haben muss. Das verhindert, dass man sich ständig im Kreis dreht.“


Wenn gar nichts mehr hilft.

Eine Folge fehlender Kommunikation kann sein, dass sich der Konflikt zu einem handfesten Streit oder sogar vollständigem Schweigen ausweitet. Nicht selten steht die Ehe, die Partnerschaft oder die Eltern-Kind-Beziehung auf dem Spiel. Dann ist es wichtig, zu erkennen, dass man Hilfe von außen benötigt.


„Meine Schwiegermutter und ich haben schon immer ein schwieriges Verhältnis zueinander. Ich kann es ihr nie recht machen“, erzählt eine junge Bäuerin aus Oberschwaben. „Darunter litt die Beziehung zu meinem Mann. Als auch wir uns nur noch über diesen Konflikt unterhalten haben, entschlossen wir uns dazu, Hilfe in Anspruch zu nehmen und uns beraten zu lassen.“


Eine Möglichkeit, den Weg hin zur richtigen Kommunikation wieder zu finden, ist die Mediation. Auch das Paar aus Oberschwaben wählte diesen Weg. Mit einem Berater an ihrer Seite führten sie zunächst Gespräche als Paar und dann als Gruppe zusammen mit der Schwiegermutter.


Inzwischen ist die Schwiegermutter nicht mehr das Hauptgesprächsthema zwischen dem Paar, vielmehr konzentrieren sich beide wieder mehr auf sich selbst und ihre Beziehung. „Treten Probleme zwischen mir und meiner Schwiegermutter auf, dann sprechen nur sie und ich darüber“, berichtet die Bäuerin.


„In der Mediation haben wir gelernt, offen auszusprechen, was uns stört, ohne dem anderen zu nahe zu treten. Und wir wissen jetzt, dass man sich auch eigene Fehler eingestehen muss und sich nicht nur gegenseitig Vorwürfe machen darf.“


Zwar sei es auch nach den Beratungsgesprächen noch schwierig, aber alle Beteiligten erinnern sich regelmäßig selbst daran, dass für ein gutes Zusammenleben gewisse Regeln in der Kommunikation beachtet werden müssen.


Die richtige Lösung finden.

„Die Mediation ist inzwischen salonfähig“, sagt Mediatorin Eva-Maria Schüle. „Die Familien erkennen, dass sie Probleme haben und trauen sich auch, Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen.“


Eine Entwicklung, die die Beraterin zuversichtlich stimmt. Auch, wenn nicht jede Mediation Beziehungen retten kann. „Manche Paare erkennen in den Gesprächen, dass für sie nur noch eine Trennung infrage kommt“, erzählt Eva-Maria Schüle. „Sinn und Zweck der Beratung ist es, herauszufinden, was für alle Beteiligten das Beste ist. Das kann auch eine Trennung sein.“


In den meisten Fällen ist die drit-te, außenstehende Person am Tisch aber der „Stein“, der alles ins Rollen bringt. Wird zu Hause gar nicht mehr geredet, läuft es am Mediations-Tisch dann plötzlich wie von selbst. „Häufig sind die Personen in ihren eigenen Strukturen regelrecht gefangen“, erklärt die Mediatorin. „Sitzt ein Externer am Tisch, reißen sich alle am Riemen und diskutieren sachlich. Das Schöne ist: Dann haben wir unser erstes Ziel erreicht.“Anja Rose

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