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Weizen und Wels

Lesezeit: 5 Minuten

Das Team der Agrargenossenschaft Schkölen bei Jena scheut die Veränderung nicht. Vorstand Tino Köbe (43) und Pflanzenbauleiter Steve Noack (28) berichten.


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Alles bleibt anders: So könnte das Motto für Tino Köbe und seine 20 Angestellten in Schkölen im Saale-Holzland-Kreis lauten. 2004 übernahm der gebürtige Thüringer die Geschäfte. Mit im Gepäck: Sein kritischer Geist und die Freude am Wagnis.


Tino: In den letzten 10 Jahren hat sich hier einiges getan. 2006 bauten wir die Biogasanlage, wenig später mussten wir uns von den Schweinen trennen. Ein Däne übernahm die Mastanlage, glücklicherweise auch einen Teil der Mitarbeiter. Ich hätte es gerne anders gehabt, doch die Sanierungskosten waren für uns zu hoch.


Steve: In dieser Phase, gleich nach meiner landwirtschaftlichen Lehre, fing ich hier an. Es war eine unruhige Zeit. Wir suchten nach Wegen, die Wärme vom Biogas zu nutzen. Als Du, Tino, dann von der Idee der Wels-Zucht erzähltest, wunderten sich alle. Fische schlachten und verarbeiten: das konnte sich keiner so recht vorstellen.


Tino: Ich weiß. Ihr müsst Euch gefragt haben, ob ich völlig verrückt geworden war. Doch ich hatte mehrfach vom afrikanischen Wels gehört und gelesen. Für mich klang das Vorhaben innovativ, wenn auch exotisch. Inzwischen haben wir diese Nische sehr gut erschlossen. Nach drei Jahren Genehmigungsverfahren „stallten“ wir 2012 die ersten Welse ein. Heute sind ein gelernter Fischwirt und fünf Mann, allesamt Quereinsteiger, dafür zuständig. In Zahlen: Pro Jahr produzieren wir ca. 45000 Welse. Zudem schlachten wir für vier weitere Zuchtbetriebe, die ihre Fische aus Sachsen-Anhalt und Mecklenburg bei uns anliefern.


Steve: Zeitgleich mit der Wels-Zucht eröffneten wir 2012 den Hofladen hier auf dem Gelände. Heute liegen nicht nur Fischfilets, sondern auch Gehacktes, Rostbratwürstchen, Rouladen und Schinken vom Wels in der Theke.


Tino: Neukunden erklären wir die verschiedenen Produkte, doch bei vielen Leuten in der Region ist der Wels inzwischen bekannt. Das liegt auch daran, dass unser Verkaufsmobil auf diversen Märkten im Umland steht. Wer sonst immer nur Lachs oder Pangasius kaufte, hat jetzt eine Alternative. Wels-Filet ist schön fest und grätenfrei, das fischtypische Aroma schmeckt man kaum. Das mögen die Kunden.


Steve: …oder sie haben vom Hunde-futter gehört und wollen sich dazu informieren!


Tino: Ja, das Hundefutter vom Wels! Glück im Unglück, denn geplant war dieser Produktionszweig nicht. Aber als wir zu Beginn keine schwarzen Zahlen schrieben, musste eine Lösung her. Der Wels hat 60 Prozent Schlachtabfall. Dieser geht normalerweise in die Fischmehl-Produktion. Kurzerhand probierten wir einiges aus, und siehe da: Heute bieten wir Frisch- und Trockenfutter, Kausticks und Welshaut an. Die Situation freut mich, aber sie macht mich immer wieder stutzig: Verbraucher, die für gute, regionale Lebensmittel keinen Aufpreis zahlen wollen, tun es für ihre Vierbeiner sehr wohl.


Steve: Viele Kunden überzeugt unser Konzept der geschlossenen Kreisläufe. Die Biogas-Wärme geht zu den Fischen, das Restwasser wird gereinigt und aufs Feld ausgebracht. Schade ist nur, dass wir unseren Weizen und Raps nicht direkt verfüttern können. Die Welse bekommen Pellets. Alle Nährstoffe müssen laut QS gleichbleibend und standardisiert sein.


Tino: Das hat handfeste Gründe. Einmal in der Qualität: Das rot-rosa Fleisch könnte sich in der Farbe verändern. Dann in der Produktion: Der Wels ist ein Raubfisch. Sobald er Stress hat, frisst er, was ihm in die Quere kommt – im Zweifelsfalle seinen Nebenmann, also die anderen Fische! Wir mussten das in den ersten Monaten erst einmal lernen: Kein Lärm, keine Unruhe, kein grelles Licht an den Fischbecken, sonst geht der Kannibalismus sofort los. Wenn wir Besuchergruppen zu den Welsen führen oder mit Werkzeug hantieren, läuft Musik. Ans Radio haben wir die Fische gewöhnt. Stimmen und Geräusche stören sie dann kaum noch.


Steve: Die Kollegen haben die Fische super im Griff. Wir vom Pflanzenbau sind hier nur aushilfsweise im Einsatz, oder am Wochenende, wenn der Fischwirt frei hat. Ich persönlich kann das ein bis zwei Tage gut machen, danach muss ich wieder an die frische Luft, auf den Acker. Ich glaube, das hab ich von meinem Onkel. Er ist Wiedereinrichter hier der Gegend. Als Jugendlicher saß ich ständig bei ihm auf dem Trecker, das hat mich geprägt.


Tino: Wenn’s regnet, musst Du allerdings auch ins Büro!


Steve: Stimmt. Doch wie soll ich sagen: Ich mache den Papierkram, weil er dazugehört. Aber gerne mache ich ihn nicht. Ich bin zufrieden, wenn wir mit dem Team Weizen säen, Mais legen, aktiv sind. Oder neue Kulturen ausprobieren. Silphie zum Beispiel…


Tino: Bald versuchen wir uns im Anbau von Haselnuss und Walnuss. Im kommenden Jahr geht’s los. Leicht hügelige Landschaft, viel Humus, tendenziell wenig Regen: Das sollte gelingen.


Steve: Bestimmt kommen auch neue Projekte dazu. Wir unternehmen viel mit den Kindergärten und Schulen hier vor Ort, legen z.B. Kräuterbeete an, bauen Fledermaus-Kästen, führen die Klassen über den Hof. Wer mal auf dem Mähdrescher gesessen hat oder Weizen von Gerste unterscheiden kann, geht mit einem guten Gefühl zur Landwirtschaft nach Haus.


Tino: Die ist uns wichtig! Sogar hier im Ländlichen geht das Verständnis verloren. Früher arbeitete jeder Zweite in der LPG, im Dorf hatten alle einen Garten und ein paar Tiere. Das ist vorbei. Die Leute arbeiten heute in Gera oder Jena. Wahrscheinlich haben sie wesentlich mehr Freizeit als wir. Aber gut… Uns gibt die Arbeit viel zurück, der Zusammenhalt stimmt, ist fast schon familiär. Wir haben hier – in gewisser Weise – unseren Freiraum. Und richtig viele Ideen. Reingard Bröcker

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