Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

topplus News

„Der Verbraucher will ernst genommen werden“

Die Landwirte kommen in den Medien zu Wort. Ihre Botschaften werden aber oft nicht verstanden. Das belegt eine Medienanalyse zum Tierwohl von Vanessa Karger, Universität Göttingen. Das aktuelle Interview führte top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals.

Lesezeit: 4 Minuten

Die Landwirte kommen in den Medien zu Wort. Ihre Botschaften werden aber oft nicht verstanden. Das belegt eine Medienanalyse zum Tierwohl von Vanessa Karger, Universität Göttingen.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Wie sind Sie methodisch vorgegangen?

Karger:Zum einen habe ich ausgewertet, welche Tierwohlthemen in den Medien besprochen werden und wer zu Wort kommt. Darüber hinaus ging es darum herauszufinden, auf welcher Grundlage die verschiedenen Gruppen Tierwohl bewerten. Dazu habe ich eine sogenannte „Frame-Analyse“ durchgeführt. Dabei versucht man, die „Schubladen“ aufzudecken, in denen Menschen denken.


Welchen Zeitraum und welche Medien haben Sie untersucht?

Karger: Ich habe von Januar 2014 bis Dezember 2015  die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ), die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) sowie die beiden Wochenzeitungen „Welt am Sonntag“ und „DIE ZEIT“ ausgewertet.


Was ist dabei herausgekommen?

Karger: Dass Verbraucher und Landwirte völlig unterschiedlich kommunizieren. Die Verbraucher argumentieren auf der Gefühlsebene. Mitleid, aber auch Schuld, spielen da eine große Rolle. Man möchte nicht schuld sein am Leid der Tiere. Dabei wird nach menschlichen Maßstäben bewertet: Schweine liegen traurig in der Ecke, Ferkel springen fröhlich umher. Auch Journalisten übernehmen diese Wertungen. In der SZ und ZEIT kam das recht häufig vor. Bei der FAZ und Welt am Sonntag eher selten.


Die Landwirte orientieren sich vor allem an messbaren Tierwohlindikatoren und sind in der Bewertung eher zwiegespalten. Knapp die Hälfte vertrat die Ansicht, die Tierhaltung müsse sich verbessern. Gerade die Vertreter der landwirtschaftlichen Verbände gaben in der Presse häufig gar keine eigene Einschätzung ab. Wenn doch, wurde die Tierhaltung eher positiv gesehen.


Welche Schlussfolgerungen sollte der Berufsstand aus Ihren Ergebnissen ziehen?

Karger:Dass unter Verbrauchern und Medienvertretern ein großes Verständnis für die schwierige Situation der Landwirte herrscht, und dass es sich lohnt, einander zuzuhören und in Dialog zu treten. Die Landwirte sollten die Sorgen der Verbraucher ernst nehmen und sich sachlich damit auseinandersetzen. Einige lassen sich durch Aufklärung aus der Welt schaffen, andere sind ohne Anpassungen in der Tierhaltung nicht zu lösen. Wenn das so ist, sollte man nicht jede Kritik als Angriff werten. Es ist auch nicht zielführend, selbst die umstrittensten landwirtschaftlichen Praktiken zu verteidigen.


Dass die Landwirtschaft, wie so oft behauptet, in den Medien nicht zu Wort kommt, kann ich nicht bestätigen. Die landwirtschaftlichen Verbände wurden öfter zitiert als alle anderen NGOs zusammen. Allerdings wurde diese Aufmerksamkeit häufig mit inhaltsleeren Floskeln verschenkt, statt inhaltlich zu diskutieren. Dieses Potenzial kann man besser nutzen.


Wie kann man als Landwirt die „emotionale Ebene“ ansprechen?

Karger: Indem man Sachverhalte in Gefühle übersetzt, ohne dabei zu übertreiben. Kein Landwirt möchte seine Tiere leiden sehen. Das kann man ruhig so sagen.


Wie sollten Landwirte mit der Ablehnung der industriellen Tierhaltung umgehen?

Karger: Auf jeden Fall sachlich. Industrielle Tierhaltung ist ein dehnbarer Begriff. Die starke Ablehnung trifft den Großteil der Familienbetriebe gar nicht. Man darf sich da nicht zu sehr von einer lautstarken Minderheit ins Bockshorn jagen lassen. Manche Kritik mag berechtigt sein. Dann muss man im Rahmen des Möglichen Lösungen finden. Häufig wird aber gar nicht das Wohl der Tiere angeprangert. Es sind vielmehr die industriellen Dimensionen und Arbeitsabläufe, die verstörend auf viele Menschen wirken. Da muss man letztlich auch die Verbraucher in die Pflicht nehmen und deutlich machen, dass industrielle Tierhaltung ein Kompromiss aus Tierwohl, Ökonomie und immer strengeren Auflagen ist.


Warum tun sich die Landwirte damit so schwer?

Karger: Weil sie zwischen allen Stühlen sitzen. Die Marktlage ist angespannt, immer neue politische Richtlinien erhöhen den Druck, was eine gewisse Dünnhäutigkeit verständlich macht. Wenn dann Praktiken, die seit Jahrzehnten nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt wurden, kritisiert werden, ist es eine Herausforderung, sich dem zu stellen und das eigene Handeln zu hinterfragen. Da gerät man schnell in die Defensive, hat das Gefühl, sich verteidigen zu müssen, anstatt sachlich auf wirtschaftliche Zwänge und auch die Doppelmoral der Verbraucher hinzuweisen.


Ist die Tierwohldebatte eine Erscheinung des Zeitgeists, die wieder verschwindet?

Karger:Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Dafür hat sich die Gesellschaft zu sehr verändert. Selbst in China oder Serbien, keine klassischen Tierschutzhochburgen, mehren sich kritische Stimmen. Für Deutschland bietet der Tierwohltrend auch wirtschaftliche Chancen. Die Kostenführerschaft auf dem Weltmarkt ist hart umkämpft. Da wird es schwer, auf Dauer mit den Schwellenländern mitzuhalten. Beim Tierwohl sind die deutschen Landwirte dagegen ganz vorne dabei. Das bringt neue Marktchancen.

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.