Das Bundeskabinett hat am Mittwoch seinen zweiten Rechenschaftsbericht zur Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie (NBS) beschlossen. In dieser hatte sich Deutschland 2007 zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 die in der Konvention über die biologische Vielfalt (CBD, 1992) eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen umzusetzen, etwa für mehr Naturschutz in Land- und Forstwirtschaft. Der zweite Rechenschaftsbericht zur NBS stellt die Entwicklungen der biologischen Vielfalt von 2013 bis 2017 dar.
Die Bundesregierung kommt zu dem Schluss, dass zwar für den Natur- und Artenschutz in ausgewiesenen Schutzgebieten einiges erreicht wurde, für "eine flächendeckende Trendwende beim Erhalt der biologischen Vielfalt vor allem ein Umsteuern in der Landwirtschaft" erforderlich sei. Die Agrarpolitik müsse ihre Verantwortung für den Naturschutz wahrnehmen.
Neuer EU-Naturschutzfonds muss Landwirte für Anstrengungen im Naturschutz belohnen
Der NABU nimmt dies zum Anlass auf gravierende Versäumnisse der Großen Koalition beim Schutz von Arten und Lebensräumen hinzuweisen. Insbesondere in der Agrarlandschaft befänden sich viele Arten im freien Sinkflug. Dazu NABU-Präsident Olaf Tschimpke:
„Die von der Regierung herausgestellten Naturschutz-Erfolge dürfen nicht darüber hinwegtäuschen: Wir verlieren weiter Vögel, Insekten und ihre Lebensräume in atemberaubenden Tempo. In Deutschland steht etwa das früher häufige Rebhuhn kurz vor dem Aussterben. Auch Hummeln, Schmetterlinge und artenreiche Wiesen werden immer seltener.“
Zwar habe die Umweltministerin das wichtige EU-Naturschutzrecht verteidigt und gute Konzepte für die Agrarpolitik und die Finanzierung des Naturschutzes vorgelegt. Doch ihre Kollegen aus dem Landwirtschafts- und Verkehrsministerium seien dazu in Blockadehaltung gegangen, kritisiert Tschimpke. „Dieses Gerangel hat Geld und Zeit gekostet, die wir nicht haben. Arten, die aussterben, kommen nicht zurück. Die Rettung unserer Artenvielfalt muss daher künftig zentral vom Kanzleramt koordiniert werden“, forderte der NABU-Präsident. Die Umwelt- und Naturschutzpolitik in Deutschland müsse endlich stärker als Querschnittsaufgabe verstanden werden.
Es führe auch kein Weg daran vorbei, dass die Bundeskanzlerin den Landwirten reinen Wein einschenke. „Ohne eine echte Wende in der Agrarpolitik verlieren wir nicht nur Arten, sondern auch immer mehr Höfe. Daran kann keiner ein Interesse haben“, so Tschimpke.
Der NABU fordert daher, die EU-weit rund 60 Milliarden Euro an Subventionen für die Landwirtschaft künftig nicht mehr per Gießkanne zu verteilen. Das bisherige System habe den Artenschwund weiter befeuert und zu einer noch stärkeren Ausbeutung der Natur geführt. Stattdessen sollten die vorhandenen Gelder sinnvoll umgeschichtet und zum Vorteil von Natur und Landwirtschaft gleichermaßen genutzt werden. So könnten mithilfe eines neuen EU-Naturschutzfonds in Höhe von 15 Milliarden Euro Landwirte durch konkrete Umweltschutzleistungen ein zusätzliches Einkommen erzielen.
Der NABU fordert darüber hinaus, künftig auch den Handel und Verbraucher stärker in der Agrarpolitik einzubeziehen. Zielgerichtete Investitionen sollten dazu beitragen, dass Landwirte hochwertige Lebensmittel naturverträglich produzieren und auch zu fairen Preisen verkaufen können.