Sehr enttäuscht über die von der Bundesregierung beschlossene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke hat sich Nordrhein-Westfalens Agrarminister Johannes Remmel gezeigt. "Dass schwarz-gelb den gesamtgesellschaftlich akzeptierten Atomkonsens aufkündigt, mag der Rendite der vier großen Energieversorger durchaus entgegenkommen, dem Klimaschutz in Deutschland hilft es in keiner Weise, so der Grünen-Politiker am Montag in Düsseldorf. "Wir brauchen die Atomkraft nicht, ganz im Gegenteil: Eine Laufzeitverlängerung behindert den Ausbau der erneuerbaren Energien und Milliardeninvestitionen kommunaler Stadtwerke stehen vor dem Aus." Minister Remmel kündigte an, vor das Verfassungsgericht zu ziehen, sollte der Bundesrat nicht am Verfahren beteiligt werden. Es fehle zudem an Transparenz und einer öffentlichen Diskussion für ein schlüssiges Energiekonzept, dass alle Bürger direkt betrifft. Weder die Länder, die Verbände oder die Öffentlichkeit seien bisher angemessen an den Rahmenvorgaben beteiligt gewesen. Anders sieht es Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander. Im WDR-Interview erklärte der FDP-Politiker am Dienstag, nur mit der Verlängerung der Laufzeit könne man die Neuen Energien sinnvoll ausbauen. Die Schonfrist für diesen Ausbau werde dringend benötigt, da die Erneuerbaren heute noch einen zu geringen Anteil hätten und die Atomkraft noch nicht ersetzen könnten.
Stadtwerke wollen Ausgleich
Wie die Süpddeutsche Zeitung ergänzt, fordern Stadtwerke und kommunale Versorger unterdessen einen finanziellen Ausgleich für mögliche Milliardenschäden durch die längeren Laufzeiten für Kernkraftwerke. Sie befürchten eine Gefahr für ihre Investitionen in umweltfreundliche Energieerzeugung. Auch die Windenergiebetreiber rechneten mit negativen Folgen.
Die deutsche Windindustrie bezeichnete die Laufzeitverlängerung für AKWs und das neue Energiekonzept als "Sargnägel für die erneuerbaren Energien und für die Windkraft". Die Potenziale der Windenergie seien systematisch kleingerechnet worden, um die Laufzeitverlängerungen scheinbar notwendig zu machen, sagte der Chef des Bundesverbands der Windindustrie, Hermann Albers, der Berliner Zeitung.
Merkel: "Energiekonzept kommt einer Revolution gleich"
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) zeigte sich dagegen insgesamt zufrieden mit dem Kompromiss und versicherte, er werde sich um das bislang ungelöste Problem der Endlagerung von Atommüll kümmern. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, das neue Energiekonzept mit längeren Atomlaufzeiten komme einer "Revolution" gleich. Es sei ein weitreichendes und umfassendes Konzept für die nächsten Jahrzehnte vereinbart worden, so Merkel am Montag in Berlin. "Unsere Energieversorgung wird damit die effizienteste und umweltverträglichste weltweit." Energie in Deutschland bleibe für Bürger und Unternehmen bezahlbar. Die Sorgen würden ernst genommen.
In der Nacht zu Montag hatten sich dann die Spitzen von Union und FDP auf längere Laufzeiten von 8 Jahren für ältere Atommeiler und von 14 Jahren für jüngere Kernkraftwerke verständigt. Im Schnitt ergibt sich damit eine Laufzeitverlängerung von 12 Jahren. Die letzten Meiler dürften damit im Jahr 2040 oder später abgeschaltet werden. Zudem soll die Atomindustrie einen "substanziellen" Beitrag in einen Fonds für den Ausbau erneuerbarer Energien beisteuern.