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Showdown beim Brokkoli-Patent

Die große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes (EPA) hat sich am 20. Juli mit dem Patentantrag auf Brokkoli befasst. Die Frage war, sind die Kohlgewächse eines britischen Unternehmens eine technische Erfindung und damit patentierbar. In der EU ist die Patentierung von Tierrassen und Pflanzensorten grundsätzlich verboten.

Lesezeit: 4 Minuten

Die große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes (EPA) hat sich am 20. Juli mit dem Patentantrag auf Brokkoli befasst. Die Frage war, sind die Kohlgewächse eines britischen Unternehmens eine technische Erfindung und damit patentierbar. In der EU ist die Patentierung von Tierrassen und Pflanzensorten grundsätzlich verboten. Das Europäische Patentamt erlaubt aber Patente auf Züchtungsverfahren, deren Wirkung sich auch auf Tiere und Pflanzen erstrecken kann. Die Firma Plant Bioscience hatte 2002 ein Patent auf ein Auswahlverfahren erhalten, mit dem bei der Brokkolizucht der Anteil eines vermutlich Krebs vorbeugenden Inhaltsstoffs in Pflanzen erhöht werden kann. Einspruch dagegen haben Syngenta und Limagrain erhoben. Nun geht es unter anderem um die Frage, ob es nur für ein Züchtungsverfahren gilt oder auch für Samen sowie Pflanzen, die daraus gewonnen werden.


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Die Entscheidung wollen die Richter erst Ende des Jahres bekanntgeben. Bis dahin zerpflücken die Parteien die strittigen Formulierungen des Gesetzes Wort für Wort. Sollte der Patentantrag rechtens sein, könnten wir amerikanische Verhältnisse bekommen. In den USA haben sich Konzerne über Jahrhunderte überlieferte Zuchtverfahren als ihre Erfindung schützen lassen und geben Saatgut nur noch gegen Gebühr frei. Die Farmer dürfen nicht mehr nachbauen.


Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) erklärte unterdessen als Reaktion auf die großen Proteste in München, Patente auf Tiere und Pflanzen verhindern zu wollen. "Mein Anliegen ist es, den Patentschutz in seiner Reichweite einzuschränken." Dabei gehe es nicht um die Patentierung biotechnischer Verfahren. "Kritisch wird es aber, wenn ein Verfahrenspatent auch für die damit erzeugten Tiere und Pflanzen und vor allem deren Nachkommen Gültigkeit hat", zitiert Focus Online. In einem Brief an das Europäische Patentamt meldete sie große Zweifel an, ob ein bestimmtes patentiertes Verfahren beim Brokkoli eine Innovation bei der Herstellung oder nur ein Arbeitsverfahren ist.


Kommentar


In einem Kommentar bewertet die Süddeutsche Zeitung die Diskussion um die Patentierung von Züchtungsverfahren in ihrer heutigen Ausgabe:


Selten sind Bauern und Umweltschützer einer Meinung, bisweilen nimmt ihre Fehde kriegerische Ausmaße an. Doch ein gemeinsamer Feind eint selbst die schärfsten Kontrahenten. Und so demonstrieren sie Seite an Seite in München, wann immer das Europäische Patentamt über Patente auf Lebewesen verhandelt. Dann lässt die Sorge vor einer schleichenden Privatisierung des Naturerbes alle Differenzen vergessen. Beide Seiten warnen davor, internationalen Konzernen die Verwertungsrechte an Tieren und Pflanzen zuzusprechen. Sie fordern: Freier Zugang zum Erbgut für alle! Doch auch diesmal, im Falle des Brokkolis und der Tomate mit besonderen Eigenschaften, sind die Demonstranten in München an der falschen Adresse. Vor dem Gesetz und dem Patentamt sind Brokkoli und Handy nämlich gleich. Ob eine Erfindung lebt oder bloß elektronische Signale verarbeitet, ist für die Patentprüfer weitgehend egal. Für sie spielt im Wesentlichen eine Rolle, ob eine Erfindung neu ist. Das Amt prüft nicht, welche Auswirkung es haben kann, wenn es ein Patent erteilt. Für die Folgen ihres Handels sind die Patentprüfer blind \- weil der Gesetzgeber es so will. Der Staat überlässt es einem Expertenzirkel aus Juristen und Technikern, darüber zu entscheiden, wem die Gene von Tieren und Pflanzen gehören sollen. In Hinterzimmern bestimmen sie, ob Firmen mit minimalen Eingriffen in das Erbgut von Nutztierrassen die gesamte, jahrhundertelange Züchtungsleistung zu ihrem Privateigentum machen dürfen. Sie entscheiden, ob Unternehmen Lebewesen als ihre exklusiven Waffen nutzen dürfen. Alles, was der Staat den Patentprüfern für diese weitreichenden Entscheidungen an die Hand gibt, ist ein schwammig formuliertes Gesetz, das Biopatenten minimale Grenzen setzt, und in dem ethische Fragen so gut wie keine Rolle spielen. Bei ihren für das Gemeinwohl wichtigsten Beschlüssen lässt die Politik die Patentämter allein. Trotzdem schlagen sich die Politiker gerne auf die Seite der Bauern und Umweltschützer. Die Schöpfung müsse allen Menschen gehören, forderte Bundesagrarministerin Ilse Aigner. Doch wenn die Patentprüfer in ihren Bewertungen Eigentumsrechte an der Schöpfung abwehren sollen, brauchen sie dafür eine Rechtsgrundlage. Es ist unfair, von den Patentämern bei jedem Brokkoli Grundsatzdiskussionen zu verlangen, während sich die gewählten Volksvertreter einer klaren Entscheidung entziehen. Bauern, Umweltschützer und alle, die traditionelle Zuchtverfahren schützen möchten, sollten daher lieber nach Berlin und Brüssel fahren. Sie sollten darauf dringen, dass das europäische Patentrecht modernisiert wird. Bei Biopatenten sollten die Prüfer die Pflicht haben, zwischen den Schutzinteressen der Erfinder und dem allgemeinen Recht auf freien Zugang zu den Naturschätzen abzuwägen. Wer Ethik im Patentrecht einfordert, muss dafür sorgen, dass sie deutlicher als bisher ins Gesetz geschrieben wird.

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