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EU-Ausschuss beschließt Verbot von drei Neonikotinoiden

Ein EU-Ausschuss hat am Freitag mit der Mehrheit der Mitgliedstaaten einem Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zugestimmt, die Pflanzenschutzmittelwirkstoffe Imidacloprid, Thiamethoxam, Clothianidin aus der Gruppe der Neonikotinoide nicht weiter für Kulturen im Freiland zu genehmigen.

Lesezeit: 6 Minuten

Der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel, in dem alle  EU-Mitgliedstaaten vertreten sind, hat am Freitag mit der Mehrheit der Mitgliedstaaten einem Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zugestimmt, die Pflanzenschutzmittelwirkstoffe Imidacloprid, Thiamethoxam, Clothianidin aus der Gruppe der Neonikotinoide nicht weiter für Kulturen im Freiland zu genehmigen.

 

Die Anwendung soll auf künftig auf Gewächshäuser beschränkt sein. Die Wissenschaftler der Europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit EFSA sehen bei den drei Wirkstoffen ein Risiko für die Bienengesundheit.

 

„Heute ist ein guter Tag für den Schutz der Bienen in Deutschland und in Europa. Wir haben in Brüssel dafür gestimmt, Neonikotinoide künftig nur noch in Gewächshäusern einzusetzen – also dort, wo sie den Bienen nicht schaden“, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Bienen seien für sie systemrelevant.


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Für DBV-Präsident Joachim Rukwied kann dagegen nur eine fundierte wissenschaftliche Bewertung Maßstab für eine Zulassung von Pflanzenschutzmitteln sein. "Wenn wir jetzt eine effektive Wirkstoffgruppe verlieren, um unsere Pflanzen vor Schädlingen zu schützen, ist es eine echte Herausforderung, Alternativen zu entwickeln und neue Produkte schnell zur Zulassung zu bringen. Um Qualität und Erträge abzusichern, brauchen wir Pflanzenschutzmittel. Ohne die geht es nicht, weder in der ökologischen noch in der konventionellen Landwirtschaft.“


Bayer: "Ein trauriger Tag für Landwirte"


Von einem schlechten Deal für die europäische Landwirtschaft und die Umwelt spricht der hersteller Bayer. Das Verbot werde den Bienen oder anderen Bestäubern nichts nützen. Die Entscheidung wird die Möglichkeiten europäischer Landwirte, gegen verheerende Schädlinge vorzugehen, weiter einschränken. Für viele dieser Schädlinge gibt es zudem keine alternative Bekämpfungsmethode, erklärt das Unternehmen.



Bayer ist weiterhin davon überzeugt, dass die Beschränkungen nicht gerechtfertigt sind, weil Neonikotinoide bei sachgerechter Verwendung sicher seien. Selbst nach den extrem konservativen Beurteilungskriterien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA habe man in den jüngsten Berichten zur Bewertung des Bienenrisikos für zahlreiche Neonikotinoidanwendungen keine hohen Risiken feststellen können, heißt es. So hätten Fachleute für Honigbienen nur geringe Risiken ermittelt, und auch für Wildbienen ergäbe sich in den meisten Fällen ein geringes Risiko.



Bemerkenswert ist aus der Sicht von Bayer, dass ohne vorherige gründliche Folgenabschätzung rechtliche Maßnahmen eingeleitet werden. Abgesehen von den Kosten für die europäischen Landwirte hätten die Beschränkungen schon jetzt erhebliche unerwünschte Folgen: ein Mangel an Alternativen, mehr Spritzanwendungen, die zu mehr CO2-Emissionen führen, ein höheres Risiko resistenter Schadinsekten und die Rückkehr zu älteren, weniger wirksamen Chemikalien.



Nach derzeitigem Stand werden die europäischen Anbieter von Pflanzenschutzprodukten keine zugelassenen Beizmittel oder Insektizide für die Bodenanwendung als Ersatz für die noch zugelassenen Anwendungen von Imidacloprid und Clothianidin anbieten können, so Bayer weiter.

 

Bauern greifen jetzt zu Thiacloprid von Bayer

 

Prof. Dr. Dr. Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin hält die Entscheidung für folgerichtig, da sie die wissenschaftlichen Ergebnisse der vergangenen vier Jahre berücksichtige. Seiner Meinung nach wird sich nun  alles auf eine Substanz – das Thiacloprid – konzentrieren, das von Bayer hergestellt wird. „Diese ist ja als B4 eingestuft und wird als ‚nicht bienengefährlich’ bezeichnet. Diese Einstufung beruht darauf, dass die tödliche Dosis (LD 50) bei 1500 Nanogramm pro Tier liegt, und Bienen eher selten solche Mengen aufnehmen – und wenn, dann in Wasserpfützen auf dem Acker“, erklärte Menzel.

 

Diese hohe Dosis beruhe darauf, dass Bienen und Hummeln – über andere Tiere beziehungsweise Insekten weiß man meines Wissens nichts – über ein detoxifizierendes Enzym verfügen, eine Cytochrom-Oxidase. „Aber es geht ja nicht nur um das Töten, sondern auch um das Schädigen der Tiere. Thiacloprid wird nämlich nahezu genauso gut von dem nicotinischen Acetylcholin-Rezeptor (nAChR) gebunden wie die hoch toxischen Neonicotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiametoxam. Das bedeutet, dass die Wirkung von Thiacloprid im Gehirn der Insekten auch bei niedrigen Dosen massiv ist – wie wir auch nachgewiesen haben.“ Die Cytochrom-Oxidase werde ganz offensichtlich erst bei höheren Dosen wirksam, so dass das Abtöten zu höheren Dosen verschoben wird, meint der Professor.



Habe die Befürchtung, dass Bauern auf ältere Mittel zurückgreifen



Prof. Dr. Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) fordert als nächsten Schritt, dringend Alternativen für die Landwirte zu schaffen. In welche Richtung das gehen kann, sei nicht so einfach zu beurteilen. Aber vor allem wäre eine weitere Konzentration auf die Entwicklung entsprechender Veränderungen in Anbausystemen wichtig – inklusive der Frage nach adäquaten Fruchtfolgen und der konsequenteren Anwendung beziehungsweise Weiterentwicklung des integrierten Pflanzenschutzes, so der Experte.


„Ich gehe davon aus, dass auch die Industrie bei der Entwicklung neuer Substanzen Ideen hat, wobei sich die Frage stellt, ob wir bei neuen Substanzen dann genügend über deren Auswirkungen wissen. In der ersten Zeit nach dem Verbot habe ich außerdem die Befürchtung, dass Landwirte – auch aus einer gewissen Verzweiflung – auf ältere Mittel zurückgreifen und eventuell sogar eigene Insektizidmischungen einsetzen. Es muss also dringend an Alternativen gearbeitet werden.“


Das Verbot der Anwendung bei Pflanzen, die nicht von Bestäubern angeflogen werden, erscheine Settele letztlich aus fachlich-wissenschaftlicher Sicht konsequent, da sich die Folgen der Neonicotinoide ja nicht auf die Bestäuber begrenzen lassen, sondern ebenfalls viele andere Insekten und weitere Kleintiere betreffen dürften. Die Bestäuber seien nur eine erste Beispielsgruppe, die zeigt, welche Wirkungen sich entfalten können.



Landwirte müssen sich wieder mit Ackerbauverfahren beschäftigen



Dr. Horst-Henning Steinmann von der Georg-August-Universität Göttingen stellt indes fest, dass die Landwirte in der Vergangenheit zu sehr auf die hohe Wirksamkeit der Insektizide gesetzt und diese zu häufig verwendet hätten. Das habe mittlerweile dazu geführt, dass vielfach Insekten gegen die Mittel resistent geworden sind. Die weggefallenen Neonicotinoide allein durch häufigere Spritzungen anderer Wirkstoffe zu ersetzen, ist seiner Meinung nach deshalb keine langfristige Lösung, weil es die weitere Resistenzbildung fördert.

 

„Wenn die Landwirte nicht mit leeren Händen dastehen wollen, müssen sie sich schnellstens wieder mit Ackerbauverfahren befassen, die den Insektenbefall mindern. Das sind Fruchtfolgen, angepasste Saattermine, Randstreifen und mechanische Verfahren. Das alles wirkt deutlich schlechter als hoch wirksame Insektizide. Aber gegen resistente Insekten bleiben kaum andere Möglichkeiten übrig“, so Steinmann.

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