Am 18. Januar positionierte sich der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu der Frage, ob das sogenannte Genom-Editing unter die Gentechnikgesetzgebung der EU fällt. Im Auftrag von Testbiotech befasste sich jetzt der EU-Rechtsexperte Professor Dr. Ludwig Krämer mit der Einschätzung des Generalanwaltes.
Ludwig Krämer war bis 2004 Beamter der EU-Kommission (Generaldirektion Umwelt) und war an der Formulierung der EU-Gentechnikgesetze beteiligt. In seinem Gutachten, das diese Woche veröffentlicht wurde, äußert Krämer deutliche Kritik an der Position des Generalanwaltes.
Nach dem Gutachten von Krämer fallen die neuen Gentechnik-Verfahren eindeutig unter den Geltungsbereich der EU-Richtlinie 2001/18. Demnach sind Züchtungsverfahren nur dann von der Gentechnikregulierung ausgenommen, wenn diese bereits bei Inkrafttreten der EU-Richtlinie „seit langem als sicher“ angesehen wurden, schreibt Christoph Then von testbiotech in einer Stellungnahme.
Bei den neuen Gentechnik-Verfahren, bei denen u.a. die Gen-Schere CRISPR/Cas zum Einsatz kommt, sei das aber nicht der Fall. Deswegen müssten Pflanzen und Tiere, die in ihrem Erbgut mithilfe von Genom-Editing verändert wurden, in einem Zulassungsverfahren auf ihre Risiken untersucht werden, bevor sie freigesetzt oder importiert werden könnten. Der Generalanwalt unterscheide in seiner Stellungnahme dagegen nicht klar zwischen Gentechnik und konventioneller Züchtung.
Krämer weist darauf hin, dass der Generalanwalt auch in Bezug auf die Interpretation des Vorsorgeprinzips zu einer unzutreffenden Einschätzung kommt: Wenn es Unsicherheiten in der Einschätzung der Risiken von neuen Gentechnik-Verfahren gibt, muss der Gesetzgeber auf Nummer sicher gehen und die Risiken untersuchen lassen. Entsprechende Regelungen müssen EU-weit angewendet und dürfen – anders als der Generalanwalt dies formuliert – nicht den einzelnen EU-Mitgliedsländern überlassen bleiben.
Falls der EU-Gerichtshof der Meinung des Generalanwaltes folgt, könnten sich in der EU erhebliche Lücken in der Gentechnikregulierung ergeben, so Then weiter. In diesem Fall wäre es nach Ansicht von Testbiotech unerlässlich, dass die Politik aktiv wird, um beispielsweise unkontrollierte Importe oder Freisetzungen zu verhindern.
Der gentechnikkritische Verein betont, dass es in der Bewertung der neuen Gentechnik-Verfahren keineswegs nur um rechtliche Fragen geht. Vielmehr seien die Methoden des Genom-Editing in ihren Verfahren und Risiken auch dann von denen der konventionellen Züchtung unterscheidbar, wenn keine Gene über die Artgrenzen übertragen werden.
Das Gutachten von Professor Dr. Ludwig Krämer: https://www.testbiotech.org/en/node/2161