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Biokraftstoffe: „Wir machen trotzdem weiter!“

Auf der NRW-Biokraftstofftagung auf Haus Düsse diskutierten Experten über neue Forschungsergebnisse und Herausforderungen im Biokraftstoffmarkt. Gerade für die Landwirtschaft wird das Thema wieder interessant.

Lesezeit: 5 Minuten

„Wir bleiben aktiv, auch wenn der Markt kaum noch vorhanden ist“, leitete Michael Dickeduisberggestern (23.11.2017) die alljährliche NRW-Biokraftstofftagung am Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Düsse ein. Der Berater vom Zentrum für Nachwachsende Rohstoffe der Landwirtschaftskammer NRW begründete das damit, dass der Elektroantrieb derzeit für landwirtschaftliche Anwendungen mangels Reichweite keine Alternative sei: „Wir brauchen in der Landwirtschaft Kraftstoffe mit hoher Energiedichte.“ Gleichzeitig lässt sich z.B. bei der Rapsölproduktion hochwertiges und gentechnikfreies Eiweißfuttermittel erzeugen. Um diese Zusammenhänge zu testen, will das Versuchszentrum Haus Düsse ab dem nächsten Jahr einen Traktor mit Rapsölmotor einsetzen.


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Doch die Botschaft, dass herkömmliche Biokraftstoffe heute schon CO2-Emissionen und Energieimporte im großen Stil einsparen können, ist mittlerweile ganz aus dem Bewusstsein der Politik entschwunden. Im Gegenteil: Auf EU- und Bundesebene führen immer mehr Entscheidungen dazu, dass eher weniger Biokraftstoffe eingesetzt werden, wie Wolf-Dietrich Kindt, Referent für Nachhaltigkeit vom Verband der Biokraftstoffindustrie (VDB), erklärte. So führt der vermehrte Einsatz von Altspeiseölen dazu, dass der Anteil von Rapsöl als Rohstoff für die Biodieselproduktion von fast 70 % im Jahr 2014 auf heute 43,5 % gesunken ist. Das hängt damit zusammen, dass die bilanzielle EInsparung von Treibhausgasen (THG) von Altspeiseöl höher ist als von Rapsöl. Die Verbesserung der THG-Bilanz von Biodiesel gegenüber fossilem Diesel habe zudem dazu geführt, dass Mineralölkonzerne immer weniger Biodiesel zur Erfüllung der THG-Quote einsetzen müssen.


Ab dem Jahr 2020 soll die gesamte THG-Einsparung 6 % der THG-Menge betragen, die emittiert worden wäre, wenn die Mineralölkonzerne ausschließlich fossilen Kraftstoff verkauft hätten. Heute sind es nur 4 %. Die Erhöhung könnte auf den ersten Blick positiv für den Absatz der Biokraftstoffe wie Bioethanol, Biodiesel oder Biomethan sein. „Abstrus ist aber die Möglichkeit, dass so genannte Upstream Emission Reduction zur THG-Minderung beitragen kann“, sagte Kindt. Dieses Vorgehen beruht darauf, dass bei der Erdölproduktion aus den Bohrlöchern auch methanhaltiges Gas entweicht, das sehr klimaschädlich ist. Wird dieses Gas nicht wie sonst üblich vor Ort verbrannt, sondern gezielt aufgefangen und genutzt (UER), erhalten Unternehmen entsprechende Gutschriften für die THG-Minderung. „Nach unseren Berechnungen könnte die Mineralölkonzerne allein mit UER ihre 6 % Treibhausminderung erreichen, ohne einen Tropfen Biokraftstoffe einsetzen zu müssen“, kritisierte Kindt. Deutschland will die Höchstmenge von UER zur THG-Minderung zwar auf 1,2 % begrenzen. Trotzdem ist nicht nur dem VDB schleierhaft, wie Deutschland damit die selbst gesteckten Klimaziele im Verkehrssektor erreichen will – zumal das gesteckte Ziel von 1 Mio. Elektrofahrzeugen in den nächsten Jahren kaum zu erreichen ist. „Daher unser Vorschlag, die heutigen Biokraftstoffmenge beizubehalten und andere Kraftstoffoptionen darauf zu satteln“, so Kindt.


Als weitere Kraftstoffoption könnte Biogasbzw.Biomethan künftig eine größere Rolle spielen, erwartet Hendrik Becker, Vizepräsident des Fachverbandes Biogas. „Biogasanlagen werden künftig im Strommarkt nicht mehr die Bedeutung haben wie heute. Daher bietet sich die Möglichkeit für viele Anlagenbetreiber, das Gas als Kraftstoff zu vermarkten“, stellte er in Aussicht. Er hält es für sinnvoller, Autos mit Biomethan zu betanken, als E-Autos mit Strom aus einer Biogasanlage zu beladen. Auf 200 bar verdichtetes Biomethan könnte als Treibstoff für Lkw und Busse dienen, verflüssigtes Biomethan dagegen als Lkw- und Schiffskraftstoff. 


„Ideal wäre es, wenn Biogasanlagen Strom produzieren in Zeiten, in denen Solar- und Windkraftwerke keinen Strom produzieren, und in Zeiten von günstigen Solar- oder Windstrom Gas erzeugen für den Kraftstoffsektor“, stellte Becker eine Vision vor. Als Inputmaterial könnten Biogasanlagen dabei künftig vermehrt Blühpflanzen, Zwischenfrüchte und anderes Material einsetzen, das aus Artenschutzgründen verstärkt angebaut wird. „Wir sollten uns beim Biogas nicht auf eine Schiene festlegen, sondern sowohl im Strom- als auch im Biokraftstoffmarkt aktiv bleiben“, forderte er.


Biomethan könnte auch in der Landwirtschaft als Treibstoff eingesetzt werden – wenn das Verdichtungs- bzw. Tankproblem auf den Höfen geklärt ist. Dr. Volker Wichmann berichtete von einem erfolgreichen Forschungsprojekt an der Universität Rostock, wo ein herkömmlicher Deutz-Dieselmotor auf Gasantrieb umgerüstet und auf dem Versuchsbetrieb Trendhorst in Schleswig-Holstein in einem Traktor mit 56 PS getestet wurde. Der Traktor hat rund 600 Betriebsstunden mit verschiedenen Arbeiten wie Mulchen, Transport, Heu wenden oder Frontladerarbeiten auf dem Hof absolviert. Der Kraftstoffverbrauch lag etwa 10 % höher als mit Dieselmotor. Aber ansonsten hat er die gleiche Leistung erzielt wie die Dieselvariante. Damit Landwirte das Gas auf den Höfen einsetzen können, sind jedoch weitere Forschungsanstrengungen nötig. „In der Schweiz gibt es Verdichterstationen für Erdgas, das könnte auch für uns eine Lösung sein“; stellte er in Aussicht.


In den nächsten Wochen entscheidet sich, wie es mit den Biokraftstoffen in Deutschland und der EU weitergeht. Mit Spannung wird daher die Novellierung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) auf EU-Ebene sowie die Novellierung der 38. BImSch-Verordnung erwartet. 

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