Der Ausbau erneuerbarer Energien in Europa ist wesentlich günstiger als die Europäische Kommission in ihren Modellierungen zum „Clean Energy for All Europeans“-Paket angenommen hat. Weil Wind und Sonne die bei weitem günstigsten Quellen für eine CO2-freie Energieerzeugung seien, ist es nach Angaben der Politikberatung „Agora Energiewende“ am effizientesten, die EU-Klimaziele – 40 Prozent weniger CO2 bis 2030 als 1997 – vor allem durch den Ausbau erneuerbarer Energien sowie durch Energieeinsparungen zu erreichen. Das Erneuerbare-Energien-Ziel der EU – derzeit 27 Prozent Anteil am Energieverbrauch bis 2030 – kann daher deutlich erhöht werden, ohne dass es dadurch zu zusätzlichen Kosten kommt. Das sind wesentliche Schlussfolgerungen eines Diskussionspapiersvon Agora Energiewende, in dem die Politikberatung grundlegende Annahmen der EU-Kommission für das „Clean Energy for All Europeans“-Paket analysiert hat.
Ausgangspunkt der Analyse ist, dass die in den Modellierungen der EU-Kommission für 2030 angenommenen Kosten von Wind- und Solarstrom bereits heute um 50 Prozent und mehr unterboten werden. Laut Agora hat die EU-Kommission die Auslastung von Erneuerbare-Energien-Anlagen zu niedrig angesetzt, insbesondere bei Offshore-Windkraft, während sie die Kapitalkosten bei Investitionen in erneuerbare Energien auf den Hauptmärkten in Europa zu hoch angesetzt habe.
Die Analyse arbeitet zudem heraus, dass die von der Kommission entwickelten Szenarien die Bedeutung des europäischen Emissionshandels als Treiber für den weiteren Zubau Erneuerbarer Energien in Europa überschätzen. Die in der Modellierung verwendeten Preise für CO2-Zertifikate liegen deutlich über denen, die im Markt erwartet werden.
Die Europäische Kommission strebt mit ihrem „Clean Energy for All Europeans“-Paket an, den Anteil Erneuerbarer Energien bis 2030 auf 27 Prozent zu erhöhen; gleichzeitig soll der Ausstoß von CO2 um 40 Prozent im Vergleich zu 1997 sinken. In einer Folgenabschätzung bewertet sie die in dem Paket vorgeschlagenen Maßnahmen. Das ist ein übliches Verfahren bei EU-Gesetzgebungsprozessen. Zugrunde liegt der Folgeabschätzung das sogenannte Primes-Strommarktmodell der Universität Athen. Darin wurden beispielsweise die Kosten für Solarstrom in Nordeuropa aktuell auf rund 12 Cent pro Kilowattstunde gesetzt; tatsächlich wurden mit der gemeinsamen deutsch-dänischen Ausschreibung kürzlich 5,4 Cent erreicht. Strom aus Onshore-Windkraft wurde im Primes-Modell für 2020 mit 8,9 Cent pro Kilowattstunde vorgegeben; in der jüngsten deutschen Ausschreibungen wurden jedoch 5,4 Cent erreicht. Noch deutlichere Abweichungen sind bei Offshore-Windkraft festzustellen.
„Im Sinne des Pariser Klimaschutzabkommens wäre es noch besser, nicht nur den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Europa deutlich zu beschleunigen, sondern insgesamt das Ambitionsniveau Europas beim Klimaschutz zu erhöhen“, sagt Matthias Buck, der als Leiter Europäische Energiepolitik bei Agora Energiewende zu den Autoren des Papiers gehört. „Damit könnte Europa einen Pfad einschlagen, mit dem die Dekarbonisierung der Wirtschaft bis Mitte des Jahrhunderts tatsächlich zu schaffen ist. Gegenwärtig sind die Weichen noch nicht in diese Richtung gestellt.“