In Großbritannien verderben Berichte aus den USA über massive Hygieneprobleme in dortigen Schweine- und Geflügelschlachthöfen den Verbrauchern den Appetit auf Fleisch aus Übersee. Wie "The Guardian" berichtet, dokumentieren jetzt bekannt gewordene Regierungsaufzeichnungen „zutiefst beunruhigende Vorfälle“. Im Falle des Brexits wären die Engländer über ein Handelsabkommen große Abnehmer des US-Fleisches.
Laut dem Guardian hätten Prüfer in einigen der größten Fleischfabriken der USA, u.a. bei Pilgrim's Pride und Swift Pork, schockierende Hygienemängel festgestellt. Angestoßen wurden die Überprüfungen offenbar durch eine Studie, wonach 15 % der US-Bürger jedes Jahr durch verdorbene Lebensmittel erkranken. Mit ein Grund dürfte eine Gesetzeslücke sein, die z.B. den Verkauf von mit Salmonellen belastetem Fleisch erlaubt. Ein weiterer Grund sei die Rationalisierung in den Verarbeitungsbetrieben und ein immer schnellerer Arbeitstakt, der Hygieneprobleme begünstige, heißt es.
Konkret haben die Hygieniker u.a. folgende Missstände dokumentiert:
- Verunreinigtes Geflügelfleisch in Behältern, die für das zum Verzehr geeignete Fleisch genutzt werden;
- Schweinekadaver stapeln sich nach einem Geräteausfall in der Verarbeitungshalle und verunreinigen die Produktion mit Fett, Blut und anderem Schmutz;
- Fleisch, das für die menschliche Nahrungskette bestimmt ist, war mit Fäkalien und Eiter gefüllten Abszessen durchsetzt;
- Schmutzige Böden werden mit Hochdruckreiniger abgesprüht, während direkt daneben die Produktionslinie mit Lebensmittel läuft;
- Böden waren mit schmutzigem Wasser überflutet, nachdem Abflüsse durch Fleischteile und andere Ablagerungen verstopft wurden;
- Hähnchenfleisch, das mit Fäkalien verschmutzt oder auf den Boden gefallen ist, wird nach dem Spülen mit verdünntem Chlor in die Produktionslinie zurückgestellt.
Prof. Erik Millstone, Experte für Lebensmittelsicherheit an der Universität von Sussex, warnt daher vor der Gefahr, das sich infektiöse Krankheitserreger von Schlachtkörper zu Schlachtkörper und zwischen den Fleischteilen weiterverbreiten. Die Raten, mit denen in den USA ansteckende Lebensmittelvergiftungen auftreten, seien deutlich höher als in Großbritannien oder der EU, und schlechte Hygiene in der Fleischversorgungskette sei eine der Hauptursachen für Lebensmittelvergiftungen in den USA.
Häusling: EU-Kommission muss Konsequenzen aus US-Fleischskandal ziehen
Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Fraktion der Grünen/EFA im Europaparlament, fordert Konsequenzen für den Import von Fleisch aus den USA in die EU: „Es sind ekelhafte Zustände in der US-amerikanischen Fleischerzeugung. Offenbar tragen Schlampereien, sorgloser Umgang mit kranken Tieren, mangelhafte Hygiene und eine Verseuchung mit Fäkalien in der Fleischproduktion dazu bei, dass jeder siebte US-Amerikaner jedes Jahr an einer Lebensmittelinfektion erkrankt. Das ist erheblich mehr als bei uns in Europa und nicht hinnehmbar."
Laut Häusling sei das die Folge, wenn man den Verbraucherschutz nicht ernst nimmt und die Landwirtschaft bis in den letzten Winkel industrialisiert. Da nicht ausgeschlossen sei, dass derart produziertes Fleisch aus den USA auch nach Europa gelangt, erhebe sich die Frage, welche Konsequenzen die EU nun unternimmt. "Besorgniserregend ist vor allem der Umstand, dass diese unhaltbaren Zustände offenbar schon Jahre anhalten und unter Umständen auch den EU-Behörden wenigstens ansatzweise bekannt sein müssten.
Aus meiner Sicht muss die Kommission jetzt ernsthaft über Import-Beschränkungen für Schweine-, Hühner- und Rindfleisch aus den USA nachdenken", so der Grünen-Politiker.