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Dorfmann: „Bestimmte Größenordnungen von Prämien sind nicht mehr gerechtfertigt“

Der am Mittwoch vom EU-Parlament in Straßburg verabschiedete Bericht des Europaabgeordneten Herbert Dorfmann über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) 2020 spricht sich für eine gut finanzierte, vereinfachte und nachhaltigere Reform der GAP aus. Der EVP-Politiker aus Südtirol spricht sich für Kappung und Degression aus.

Lesezeit: 9 Minuten

Der mit großer Mehrheit am Mittwoch vom Europäischen Parlament (EP) in Straßburg verabschiedete Bericht des Europaabgeordneten Herbert Dorfmann über die Gemeinsame EU-Agrarpolitik nach 2020 spricht sich für eine gut finanzierte, vereinfachte und nachhaltigere Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) aus.

 

Einen Tag vor der Veröffentlichung der Legislativvorschläge von EU-Agrarkommissar Phil Hogan über die konkrete Ausgestaltung der GAP-Reform diesen Freitag sprach top agrar mit dem studierten Südtiroler Agrarökonom, der über zehn Jahre als Direktor des Südtiroler Bauernbundes wirkte. Er ist seit 2009 für die  konservative Südtiroler Volkspartei Mitglied  der EVP-Fraktion im EU-Parlament.

 

top agrar: Ihr Bericht unternimmt den Versuch, eine Neuausrichtung der europäischen Landwirtschaft nach 2020 zu skizzieren. Was sind die Kernaussagen?

 

DORFMANN: Wir haben uns bei dem Vorschlag der EU-Kommission eingehend mit dem neuen „Delivery Model“ befasst. Man sollte der Idee grundsätzlich offen gegenüberstehen. Wir wissen ja noch nicht genau wie das ausschauen wird. Wir haben uns darauf konzentriert, was für uns als Landwirtschaftsausschuss die „no go areas“ sind, also mit uns nicht zu machen sind. So wenden wir uns gegen eine Reform der GAP, die keinen wirklichen Anstrich einer Gemeinsamen Agrarpolitik mehr aufweist.

 

Wir fürchten schon, dass mit der Idee einer von Indikatoren geführten Politik,der Aspekt der Gemeinschaftlichen Agrarpolitik zu kurz kommen könnte, was zu weiteren Marktverzerrungen führen könnte. Das wollen wir nicht. Aber wir wollen uns der Idee von EU-Kommissar Phil Hogan von vorne herein auch nicht völlig verschließen.

 

top agrar: Die angestrebte GAP-Reform versucht einen Spagat hinzubekommen, zwischen der Bewahrung der bäuerlichen Landwirtschaft einerseits und einer zunehmenden industriell geprägten Produktionsweise andererseits. Wie ist das auf einen Nenner zu bringen?

 

DORFMANN: Das Eine schließt das Andere ja nicht aus. Mercosur zum Beispiel weist eine ganz besondere Dimension auf. Wenn wir uns die bereits abgeschlossenen Handelsabkommen der vergangenen Jahre ansehen, dann markiert das Mercosur-Abkommen aus agrarischer Sicht ein besonderes Kapitel, weil wir es dort mit einer sehr großen Region zu tun haben. Sicher haben wir da auch echte Marktchancen für die Landwirtschaft aus europäischer Sicht zu erwarten.

 

Die Mercosur-Staaten haben ein sehr hohes Interesse, Lebensmittel in die EU zu exportieren. Deswegen ist dies ein Deal, wo es sehr schwierig sein wird,ein Gleichgewicht der Interessen zu finden. Aber dies bedeutet ja noch lange nicht, dass dieser neue Markt nur für große player attraktiv ist. Zu glauben, dass der internationale Handel nur den Großen Marktchancen eröffne, ist ein Irrglaube.

 

„Die Landwirtschaft muss in Zukunft attraktiv für junge Menschen bleiben“

 

top agrar: Wohin soll die Reise in der europäischen Agrarpolitik gehen und wie können die europäischen Landwirte ihre Wettbewerbsfähigkeit behaupten?

 

DORFMANN: Ich glaube, dass in der 1. Säule wo der Großteil des Geldes verteilt wird, ehrlich die Frage gestellt werden muss, welche Landwirtschaft wollen wir in Zukunft in Europa eigentlich? Ich denke wir sollten schon schauen, dass wir in Europe auch künftig eine Landwirtschaft haben, die auf bäuerliche Familienbetriebe fußt, die nachhaltig und gleichzeitig innovativ ist, die sich weltoffen zeigt und vor allem auch attraktiv für junge Menschen in Zukunft bleibt. Wenn man das erreichen will, dann muss man in einigen Punkten bei der 1. Säule so ehrlich sein, und sich zu Reformen bekennen.

 

top agrar: Wie sollen diese Reformen aussehen?

 

DORFMANN: Das historische Modell hat bei der Berechnung und der Verteilung der Zahlungsansprüche absolut ausgedient. Das zeigen Erfahrungen in Deutschland und in Österreich aber auch in Finnland oder in Mitteleuropa, wo man sich vom historischen Ansatz entfernt hat und damit die Verteilung der Mittel gerechter gestaltet hat. Dort kommt das Geld eher bei den Bäuerinnen und Bauern an, also näher am eigentlichen Akteur.

 

„Wir brauchen eine verpflichtende Degression und die Kappung der Direktzahlungen“

 

top agrar: Welche Konsequenzen fordert dies für das GAP-Fördersystem der Zukunft?

 

DORFMANN: Ich glaube, dass wir nicht länger um die eigentliche Debatte herumkommen und eine verpflichtende Degressiion und die Kapping brauchen.

 

Wir behaupten immer, dass die 1. Säule ein Einkommensausgleich ist. Ein Einkommensausgleich von 30.000 Euro oder auch 50.000 Euro pro Jahr das wäre ja durchaus ok, auch in Zukunft. Aber ein Einkommensausgleich von 300.000 oder 500.000 Euro pro Jahr (aus GAP-Mitteln) das sehe ich als unseriös an. Wenn wir Dinge klar benennen, dann müssen wir auch konsequent handeln. Wenn wir in Zukunft konsequent handeln wollen, dann sind bestimmte Größenordnungen von Prämien nicht mehr gerechtfertigt

 

top agrar: Erwarten Sie, dass der Hogan-Vorschlag von 60.000 Euro per annum - der derzeit als Grenze für die Kappung genannt wird - unter den Mitgliedstaaten Konsens findet?

 

DORFMANN: Ich hoffe, dass es möglich ist und die Mitgliedstaaten in dieser Frage zu einer Einigung gelangen. Die Obergrenze sollte irgendwo dort liegen, wo ein gutes Einkommen aus der Landwirtschaft gestützt werden kann. Da erscheint mir eine Begrenzung von 60.000 Euro pro Jahr nicht so ganz daneben zu liegen.

 

top agrar: Beim Blick auf die 2. Säule hat der Europäische Rechnungshof (ERH) das bisherige „Greening“ als Flop apostrohiert. Können Sie damit leben, dass ausgerechnet in der 2. Säule EU-Haushaltskommissar Oettinger die stärksten Kürzungen vorschlägt?

 

DORFMANN: Der Vorschlag, den EU-Haushaltskommissar Oettinger auf den Tisch gelegt hat, ist so nicht akzeptabel. Es sei denn es gibt eine Bereitschaft der Mitgliedstaaten, wirklich die zweite Säule stärker kozufinanzieren als bisher. Was den Bauer letztlich interessiert - ob das der Mitgliedstaat oder die EU finanziert ist dem Beitragsempfänger relativ egal – ist, was unterm Strich letztlich bei ihm ankommt. Aber wenn man sich über die Zukunftsfähigkeit der Gemeinsamen Agrarpolitik Gedanken macht, dann wäre es das vollkommen falsche Signal, die zweite Säule stärker zu kürzen als die erste Säule. Ich glaube nämlich, dass die zweite Säule zukunftsträchtiger ist.

 

„Es ist völlig inakzeptabel, die 2. Säule so stark zu kürzen“

 

top agrar: Und wie sieht es bei der 1. Säule aus?

DORFMANN: Es wird ja immer wieder von Verbänden angeführt, dass in der zweiten Säule weniger Geld bei den Bauern ankomme, als in der ersten Säule. Da habe ich so meine Zweifel. Das werde ich mir auch einmal genauer ansehen, weil ich denke, dass auch in der ersten Säule viele Mittel nicht wirklich bei den aktiven Landwirten ankommen, sondern in Wirklichkeit bei Grundbesitzern und bei Akteuren, die mit der praktischen Landwirtschaft wenig zu tun haben.

 

Aber wenn wir über Innovationen und Zukunftsinvestitionen in der Landwirtschaft nachdenken, dann können wir künftig mehr erreichen mit der zweiten als mit der ersten Säule. Wenn es also die Bereitschaft gäbe, die zweite Säule aufzustocken, dann ist der Haushaltsentwurf der EU-Kommission für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021 bis 2027 eine ernstzunehmende Grundlage. Aber grundsätzlich ist es völlig inakzeptabel, dass wir die zweite Säule stärker kürzen als die Erste.

 

top agrar: Kritiker fürchten, dass mit dem neuen „Delivery Model“ und mehr Subsidiarität für die Mitgliedstaaten, die Ökologisierung der europäischen Landwirtschaft unter die Räder kommt?

 

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DORFMANN: Da ist von ganz entscheidender Bedeutung, welche Indikatoren letztlich beschlossen werden und wie die Mitgliedstaaten damit letztlich umgehen werden. In der Theorie mögen sich die Vorschläge von Agrarkommissar Phil Hogan gut anhören, aber da muss sichergestellt werden, dass flächendeckend in er EU Indikatoren, beispielsweise wie Biodiversität, Stickstoffbelastung und so weiter, wirklich zum Tragen kommen. Das ist keine ganz einfache Übung.

 

Da stellt sich überspitzt formuliert die Frage, wie viele Schmetterlingszähler sende ich aus in die europäische Kulturlandschaft und wie wird dies von den Landwirten letztlich aufgenommen und umgesetzt. Für mich stellt sich dabei auch weitergehend die Frage, was passiert, wenn die Indikatoren und die gestellten Anforderungen nicht erreicht werden. Sollen dann Gelder gekürzt werden oder sollen die EU-Staaten angemahnt werden?

 

„Wir sollten keine Angst vor Veränderung haben.“

 

top agrar: Die GAP-Reformen in der Vergangenheit erbrachten oft nicht das gewünschte Ergebnis. Wird’s diesmal besser?

 

DORFMANN: Ich bin Neuerungen gegenüber offen und habe selbst in den letzten Jahren viele Reformbemühungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik miterlebt. Bei jeder Reform haben Verbände und beteiligte Akteure ihren Unmut zum Ausdruck gebracht und gesagt - mit Verlaub - „das sei eine blöde Reform“.

 

Wir sollten keine Angst vor Veränderung haben oder eine Verweigerungshaltung einnehmen, aber wir sollten schon überlegen, bevor wir neue Dinge einführen, ob es effektive Vorteile und Vereinfachungen mit sich bringt, vor allem für die europäischen Landwirte

 

top agrar: Sie haben als Berichterstatter es geschafft, die doch sehr unterschiedlichen Positionen zu einem  gemeinsamen Standpunkt des EP zusammenzuführen. Welche Hoffnungen knüpfen Sie persönlich an die Reform für Veränderungen der GAP nach 2020?

 

DORFMANN: Ich habe bewusst in dem Bericht zur Zukunft der GAP  2020 alle Versuche, technische Details in den Bericht einfließen zu lassen, vermieden.  Denn dies ist nicht Sinn eines solchen Parlamentsberichtes. Dazu bleibt mit den Legislativvorschlägen genug Zeit. Mein oberstes Ziel war es, bei ganz wichtigen Dingen wie beispielsweise „New Delivery Model“, entscheidende Fragen in der ersten Säule, wie Kappung, Degression, sowie interne und externe Konvergenz, gekoppelte Zahlungen, die grüne Architektur, klare Positionen des Parlaments zusammenzubinden. Ich denke, dass dies auch gelungen ist.

 

Meine Hoffnung ist es, dass diese EP-Positionen bei den jetzt diese Woche von EU-Agrarkommissar Phil Hogan vorzulegenden Legislativ-Vorschlägen durchscheinen. Aber das ist im Grunde genommen zweitranging, denn der Gesetzgeber ist nicht die EU-Kommission, sondern das sind der Rat und das Parlament.

 

Ich hoffe dann schon, dass sich die politischen Fraktionen, die sich in meinem Bericht auf politische Positionen geeinigt haben, dann letztlich auch Berücksichtigung finden. Ich werde in den kommenden Monaten jedenfalls mit Argusaugen darüber wachen, dass diese vom EP vorgebrachten Punkte sich niederschlagen und auch wirklich eingebaut werden.

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