Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

topplus News

Driften deutsch-französische Agrarpolitiken weiter auseinander ?

Bei ihrem Antrittsbesuch in Paris heute trifft Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf kontroverse Positionen ihres Amtskollegen Stéphane Travert bei den Themen GAP-Reform, EU-Landwirtschaftskürzungen nach 2020, Tierwohl und Glyphosatausstieg. Eine deutsch-französische "entente" ist nicht in Sicht.

Lesezeit: 7 Minuten

An diesem Montagabend trifft Bundeslandwirtschaftsministerin Juli Klöckner ihren Amtskollegen Stéphane Travert zu ihrem offiziellen Anrittsbesuch in Paris. Die Themen beim festlichen Diner im Hôtel de Villeroy im 7e arrondissement von Paris, dem Amtssitz des französischen Landwirtschaftsministers, wie die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), die Finanzierung der EU-Landwirtschaft nach 2020, Tierwohl, sowie Glyphosatausstieg sind zwischen den Partnern links und rechts des Rheines mehr als kontovers. 

 

Nur wenn Deutschland und Frankreich an einem Strang ziehen in eine Richtung und die sprichwörtliche deutsch-französische Verständigung, was im französischen und der internationalen Diplomatie als "entente" umschrieben wird, geht es mit der EU voran. In der europäischen Agrarpolitik gibt es derzeit zwischen Frankreich und Deutschland seit dem Amtsantritt von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron mehr Dissens als "entente".


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

In den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit traf Klöckner ihren Amtskollegen von der Seine bisher nur "en passant" bei zwei Gelegenheiten. Beim ihrem ersten EU-Agrarministerrat in Brüssel im März für ein kurzes Vieraugengespräch sowie beim jüngsten Treffen der EU-Landwirtschaftsminister in Luxemburg zu einem ersten Meinungsaustausch zwischen Sitzungspausen.

 

Beim Informellen zweitägigen EU-Agrarministerrat Anfang Juni, der traditionellen Gelegenheit unter den Agrarkollegen Europas sich intensiv und ohne Tagesordnungsdruck auszutauschen, war Klöckner auf Einladung des bulgarischen Landwirtschaftsministers Rumen Porozhanov, nicht angereist. Travert nutzte in der bulgarischen Hauptstadt die Gelegenheit, ein mediterranes Bündnis gegen die Kürzungspläne der EU-Kommission zur GAP2020 zu schmieden und brachte zusätzlich eine Reihe von mittel- und osteuropäische Staaten auf seine Seite.

 

In Paris ergibt sich zu Wochenbeginn erstmals Gelegenheit, die seit dem Amtsantritt von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eher auseinander driftenden Positionen zwischen Paris und Berlin in der Agrarpolitik wieder auf einen Nenner zu bringen. Derzeit sind die Grundsatzpositionen bei vielen Agrarthemen zwischen Travert und Klöckner eher von Dissens als von Einigkeit gekennzeichnet.

 

Frankreich setzt sich an die Spitze der Bewegung gegen GAP-Kürzungspläne

Da ist zunächst einmal die unterschiedliche Position über die künftige Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für die Förderperiode 2021 bis 2027 zu nennen. Während Frankreichs Landwirtschaftsminister Ende Mai in Madrid eine mediterrane Allianz - unterstützt von Finnland und Schweden - schmiedete und offensiv gegen eine Kürzung des Agrartitels um 5 Prozent ab 2021 als Brexit-Folge eintrat, verharrte Klöckner bisher eher im Unverbindlichen.

 

Beim EU-Agrarministerrat in Luxemburg legten Frankreich, Spanien, Griechenland, Portugal, Finnland und Schweden ein gemeinsames Memorandum vor mit dem Tenor, dass die EU-Landwirtschaftspolitik wegen des Brexits mit zu erwartenden zwölf Milliarden Mindereinnahmen jährlich ab 2021, nicht zum Steinbruch im EU-Budget degenerieren dürfe. Letztlich untersützten folgende EU-Agrarminister die Initiative des Franzosen Travert: Finnland, Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Kroatien, Zypern, Ungarn, Litauen, Luxemburg, Polen, Rumänien und die Slowakei. Also insgesamt mehr als die Hälfte der EU-Staaten Seit an Seit mit Frankreich.

 

In dem mit breiter Mehrheit von 14 unter 27 EU-Landwirtschaftsministern unterstützen Travert-Memorandum sprechen sich die Agrarresortchefs aus den agrarstärksten EU-Ländern gegen jedwede Kürzung des Agrartitels aus und fordern gar eine Erhöhung der EU-Agrarförderung in der kommenden siebenjährigen Finanzperiode 2021 bis 2027. Ihr Argument: Die neuen Herausforderungen für die europäische Landwirtschaft wie Digitalisierung, Klima- und Umweltschutzanforderungen sowie die Bedrohungen des Ararsektors durch Handelsabkommen in aller Welt erforderten mehr Mittel als bisher, nicht weniger, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen.

 

Aus Berlin und dem Bundeslandwirtschaftsministerium verlauteten bisher eher moderate Töne: Die erste Reaktion von Julia Klöckner auf die von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger vorgelegten Kürzungspläne von fünf Prozent zulasten der europäischen Landwirte fiel hingegen moderat aus.



Anstatt unter den eigenen Ressortkollegen Solidarität zu zeigen, grenzte sich die Agrarressortchefin aus Berlin selbst aus und manövrierte sich in Luxemburg beim EU-Agrarministerrat ins Abseits. Auf die Frage von top agrar bei Ankunft beim Luxemburger EU-Agrarministerrat, warum sich Deutschland nicht dem von Frankreich vorgelegten GAP-Memorandum anschließe, erklärte Klöckner:

 

„Wir sind gerade mit der Abstimmung und der konkreten Erarbeitung der Zahlen befasst. Wir haben in Deutschland eine klare Aussage im Koalitionsvertrag getroffen, was die Finanzierung der europäischen Agrarpolitik anbelangt. Das heißt, wir wollen eine Verstetigung. Jetzt sind wir dabei das im Einzelnen durchzurechnen, was dies für die einzelnen Punkte bedeutet. Es gibt dabei noch Konkretisierungsbedarf vonseiten der EU-Kommission“.  

 

„Für uns ist ganz wichtig, so Klöckner weiter, dass wir bei den ländlichen Räumen – Stichwort zweite Säule – noch erheblichen Diskussionsbedarf sehen und diese nicht hängelassen dürfen. Wir haben auch entschieden, mit nationalen Maßnahmen dabei reinzugehen. Wir sind erst am Beginn der Debatten und Diskussionen und es werden weitere folgen,“ so die Ministerin. Dazu hat die Bundeslandwirtschaftsministerin aus Berlin ausführlich Gelegenheit, in Paris im Meinungsaustausch mit Stéphane Travert, eine Feinabstimmung angesichts der unterschiedlichen Ausgangslage zu diskutieren.

 

Inzwischen hat das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) die Vorschläge der EU-Kommission zur Reform der Agrarzahlungen ab 2020 ausgewertet. „Den Landwirten seien die Kürzungen bei gleichzeitig steigenden Anforderungen nicht vermittelbar“, lautet eine Schlussfolgerung. Von 2020 bis 2027 würden Deutschland 2,6 Mrd. € verloren gehen im Vergleich zur laufenden Finanzperiode. Also 370 Millionen per annum, was der Bund durch nationale Kofinanzierung unproblematisch ausgleichen könnte.

 

Folgt Klöckner Macrons Ausstiegsszenario bei Glyphosat ?

Aber nicht nur beim Thema EU-Budget auch bei den Themen Pflanzenschutzmittel, Tierwohl, Videoüberwachung in Ställen sowie Glyphosat-Ausstieg sind sich Berlin und Paris alles andere als grün.

 

Erst in der letzten Woche bekräftigte Frankreichs Staatspräsident Macron vor 700 gewählten Departement-Politikerin im bretonischen Quimper seinen Widerstand zu den GAP-Kürzungen: « Die Budgetvorschläge der EU-Kommission sind inakzeptabel. Dies würde nämlich bedeuten, den europäischen Landwirten zu sagen, hört mal, die Kosten des Brexit müssen ausschließlich von euch gezahlt werden ».

 

Und auch beim Thema Glyphosatausstieg gibt es beim französischen Staatspräsidenten, trotz der jüngsten Abstimmungsniederlage um einen festen Ausstiegskalender innerhalb von drei Jahren (vgl top agrar:  https://www.topagrar.com/news/Home-top-News-9195250.html , kein Wackeln. „Ich bekräftige die Entschlossenheit Frankreichs, von heute an gerechnet, innerhalb drei Jahren aus der Glyphosat-Anwendung vollständig auszusteigen“. Für eine wissenschaftliche Begleitetstrategie will Frankreich mehr als 4 Milliarden Euro aus dem großen Agrar-Investitionsplan dafür bereitstellen.

 

Dass die Worte des französischen Staatspräsidenten keine hohlen Phrasen sind zeigt die Tatsache, dass Landwirtschaftsminister Travert und sein Ministerkollege für die ökologische Wende in Frankreich, Nicolas Hulot, tags darauf einen Glyphosat-Ausstiegsplan binnen drei Jahren gemeinsam vor der Presse in Paris vorstellten. Berlin und die Bundeslandwirtschaftsministerin versuchen hingegen die Pflanzenschutzmittel-Ausstiegsstrategie zunächst einmal unbefristet zu betreiben und halten sich an den europäischen Beschluss, den Klöckner-Vorgänger Christian Schmidt noch im Dezember 2017 durchgeboxt hatte, nämlich eine Fünfjahresverlängerung des umstrittenen Herbizid-Wirkstoffes Glyphosat auf EU-Ebene, auch mit Verlängerungsoption.

 

Tierwohl übersetzt sich in der RépubliqueFrançaiseauch mit Video-Stallüberwachung

Und auch beim Thema Tierwohl gibt es keinen wirklich Gleichklang links und rechts des Rheines. Während Frankreichs Landwirtschaftsminister Travert die Durchsetzung des Tierwohls in Ställen auch mit Sanktionen gegen Landwirte durchsetzen will und auch Videoüberwachung in Bauernhöfen in Betracht zieht, setzt seine Amtskollegin von der Spree eher auf freiwillige Verpflichtungen und lehnt Videoüberwachung in Ställen kategorisch ab.

 

Während Paris aus verständlichen Gründen zur Verteidigung der vitalen landwirtschaftlichen Interessen des Agrarstaates Frankreich sich als Avantgarde im Kampf gegen EU-Agrarkürzungen sieht, laviert Klöckner als Bundeslandwirtschaftsministerin im Spannungsfeld Deutschland als Industrie-Exportweltmeister und der Bewahrung des ländlichen Raumes in der Republik. Bleibt abzuwarten, inwieweit der Antrittsbesuch von Julia Klöckner in Paris eine Annäherung der deutsch-französischen Positionen auf EU-Ebene im Agrarbereich nach sich zieht oder die Agrarpolitiken an der Seine und der Spree weiter auseinander driften

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.