Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

News

Loccumer Landwirtschaftstagung: Brexit wird GAP-Reform prägen

Steigende gesellschaftliche Ansprüche, aber auch zunehmende politische Unsicherheiten und knappere Finanzen dürften der anstehenden Agrarreform ihren Stempel aufdrücken, wenn auch mit grundlegenden Kurswechseln aus jetziger Sicht eher nicht zu rechnen ist. Das war ein Fazit der Loccumer Landwirtschaftstagung 2017

Lesezeit: 7 Minuten

Steigende gesellschaftliche Ansprüche, aber auch zunehmende politische Unsicherheiten und knappere Finanzen dürften der anstehenden Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ihren Stempel aufdrücken, wenn auch mit grundlegenden Kurswechseln aus jetziger Sicht eher nicht zu rechnen ist. Das war ein Fazit der Loccumer Landwirtschaftstagung 2017, in deren Rahmen Politiker und Fachleute am 23. und 24. März über die Zukunft der europäischen Landwirtschaftspolitik diskutierten.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer äußerte bei dieser Gelegenheit Zweifel am einkommenspolitischen Nutzen der Direktzahlungen und sprach sich erneut für die Abschaffung der Flächenprämie in ihrer derzeitigen Form aus.


Strukturwandel geht weiter


Der Grünen-Politiker wies darauf hin, dass die Milchbauern in Niedersachsen im vergangenen Jahr durch die Milchmarktkrise Einbußen von etwa 1,8 Mrd Euro verzeichnet hätten, während sich die Direktzahlungen für den gesamten Agrarsektor „nur“ auf 800 Mio Euro belaufen hätten. Diese Gelder könnten daher keinesfalls als einkommensstabilisierender Ausgleich verstanden werden, so der Minister. Die EU-Agrargelder hätten auch nicht verhindert, dass zwischen 2010 und 2015 jeder fünfte Milchbauer im Land aus der Produktion ausgestiegen sei, während die Milcherzeugung fast um ein Fünftel zugenommen habe.


Als weitern Nachteil der flächengebundenen Direktzahlungen nannte Meyer, dass große Flächenbetriebe durch diese bevorteilt würden; auch wandere die Prämie in vielen Fällen über den Landwirt an die Bodeneigentümer. Da die Gelder außerdem die Preisbildung bei Agrarerzeugnissen negativ beeinflussten, seien die flächengebundenen Zahlungen grundsätzlich zu überdenken. Weitere „Kosmetik“ im Sinne einer Überarbeitung des Greening werde jedenfalls nicht mehr für die Legitimierung einer starken Ersten Säule ausreichen.


Beispiel Tierwohlprämie


Meyer fordert deshalb eine deutlich engere Kopplung der Direktbeihilfen an klar definierte gesellschaftliche Leistungen. Er wies als Beispiel auf die Tierwohlprämie hin, die vom seinem Haus für den intakten Ringelschwanz beim Mastschwein gewährt werde. Ohnehin müsse die Agrarförderung weg von der Flächenprämie kommen und künftig Tierhalter durch eine stärkere Umschichtung in die Zweite Säule besser unterstützen. Nur so könne den gesellschaftlichen Forderungen nach einer tierwohlgerechteren Haltung entsprochen werden, ohne dass Produktion aus Deutschland verdrängt werde.


Der Grünen-Politiker rief in Loccum auch dazu auf, im Zuge der GAP-Reform über eine bessere Agrarstrukturförderung nachzudenken. Hier betrachtet er Kappungsgrenzen und Deckel auch im Förderverfahren als richtigen Ansatz, um mehr für den Erhalt kleinerer und bäuerlich geprägter Betriebe zu tun.


Neuausrichtung der GAP nötig


Der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling erwartet nicht, dass die GAP-Reform wie geplant bis 2020 abgeschlossen werden kann. Nach seiner Einschätzung dürften der Brexit, die daraus resultierenden Konsequenzen für den EU-Agrarhaushalt, aber auch die Wahl eines neuen Europaparlaments und Agrarkommissars dafür sorgen, dass die Reform wohl frühestens 2022 „in trockenen Tüchern“ ist. Er warnte aber gleichwohl davor, die Diskussion um die Modalitäten der Reform auf die lange Bank zu schieben.


Laut Häusling werden die Planungen für den nächsten EU-Haushalt schon jetzt geführt. Gleichzeitig stehe die Union bei Klimawandel und Migration vor enormen Herausforderungen, was die Begehrlichkeiten in Hinblick auf das Agrarbudget nicht kleiner werden lasse.


In diesem Zusammenhang beklagte der Grünen-Politiker eine zunehmende Fokussierung der EU-Mitgliedstaaten auf den Finanzrahmen, was die inhaltliche Debatte zur GAP immer weiter in den Hintergrund geraten lasse. Diese sei aber wegen der auch in der Agrarpolitik auseinanderdriftenden Mitgliedsländer oder wegen der „eher erfolglosen“ Ausrichtung der Landwirtschaftspolitik auf den Weltmarkt dringend nötig, erklärte Häusling. Er plädierte wie Meyer mittelfristig für einen Ausstieg aus der Ersten Säule.


Für die anstehende GAP-Novelle rechnet Häusling allerdings nicht mit so grundlegenden Kursänderungen. Spürbare Einschnitte beim Agrarhaushalt seien aber allein schon wegen des Ausscheidens des Nettozahlers Großbritannien aus der EU absehbar.


Budget unter Druck


Dr. German Jeub vom Bundeslandwirtschaftsministerium geht ebenfalls davon aus, dass sich die Reformdiskussion zumindest über die nächsten fünf Jahre hinziehen dürfte. Er rechnet mit einem spürbaren Minus beim EU-Agrarhaushalt, rief aber trotzdem dazu auf, in der Debatte auch die berechtigten Interessen der europäischen Partner im Auge zu behalten.


Nach Jeubs Schätzung dürfte der Agrarhaushalt ohne Großbritannien um bis zu 5 Mrd Euro kleiner als bisher ausfallen. Hinzu kommt ihm zufolge, dass auf Seiten der osteuropäischen Mitgliedstaaten eine Diskussion um die Beteiligung der Länder an den Mitteln begonnen hat, bei der diese auf eine „gerechtere Verteilung“ der Gelder drängen. Sollte diese Forderung einer Vereinheitlichung der Flächenprämien im Zuge der GAP-Reform durchgesetzt werden, dürften sich die Direktzahlungen EU-weit bei etwa 250 Euro/ha einpendeln, bilanzierte Jeub. Dies würde für die Landwirte in Deutschland ein Minus von 44 Euro/ha bedeuten.


Jeub warb ungeachtet dessen für eine Weiterentwicklung der GAP und verwies hierzu auf die Vorschläge, die Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt im Grünbuch gemacht habe. Danach solle an den Direktzahlungen und am Zwei-Säulen-Modell der GAP sowie an der Marktorientierung der Landwirtschaft festgehalten werden. Gleichzeitig plädierte Schmidt unter anderem für eine bessere Entlohnung gesellschaftlicher Leistungen, eine Optimierung der Kriseninstrumente und eine Vereinfachung der administrativen Umsetzung der Agrarpolitik.


Kontrollen weiter nötig


Die Vereinfachung der GAP-Regularien und insbesondere deren Durchsetzung zählen für Dr. Martin Scheele von der EU-Generaldirektion für Landwirtschaft zu den großen Herausforderungen bei der anstehenden Reform. Ein Ende der Kontrollen kann er aber nicht versprechen.


Der häufig geäußerte Vorwurf der Bürokratie bei der Umsetzung der GAP resultierte nicht zuletzt aus der hohen Regelungsdichte in vielen Bereichen der Agrarpolitik, die zudem oft noch durch zusätzliche Gesetze und Verordnungen auf Länderebene ergänzt würden.


Scheele räumte ein, dass Behörden und Bauern hier teilweise an ihre Grenzen kommen würden, betonte aber gleichzeitig, dass Vorgaben und Kontrollen keine „Willkür“, sondern vielmehr notwendige Voraussetzungen für die Gewährung öffentlicher Mittel seien. Einen einfachen Ausstieg aus diesem System nach dem Motto „Geld ohne Kontrolle“ könne es daher nicht geben, stellte Scheele klar. Dennoch zeigt auch er sich offen für mögliche Alternativen zum jetzigen Verfahren. Diese müssten jedoch beispielsweise in Form von Indikatoren ein glaubwürdiges System für den Leistungsnachweis mitbringen.


Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Bernhard Krüsken, erneuerte in Loccum seine Kritik an einer starken Umschichtung von Geldern aus der Ersten in die Zweite Säule und warnte vor einer Zweckentfremdung der Mittel.


BUND fordert Gesamtkonzept zur Reform der EU-Agrarpolitik nach 2020


Der BUND zeigte sich enttäuscht zu den Ergebnissen der letzten Agrarreform. Obwohl die Vorschläge der EU-Kommission die Agrarpolitik „grüner“ und „gerechter“ zu machen, in die richtige Richtung gegangen seien, war das Ergebnis enttäuschend, zumal auch die nationalen Spielräume nicht genutzt worden seien.


Auch heute seien sich weite Kreis von Politik, Verbänden und Kirchen einig, dass die Landwirtschaft vor großen Herausforderungen stehen, die zu einer Änderung der Agrarpolitik führen müsse, sagte Jochen Dettmer

Sprecher BUND AK Landwirtschaft. Im Gegensatz zu einigen anderen Umweltverbänden sehe der BUND die Lösung der Probleme nur in einem Zusammenspiel von Ordnungsrecht, Marktbeeinflussung und Änderung der Prämienarchitektur. "Eine Reform der GAP ist mehr als nur Geld neu zu verteilen", betonte Dettmer. 


Zur Prämienarchitektur wollte sich der BUND noch nicht festlegen. Diese müsse sich jedoch streng an die Maxime:“Gesellschaftliches Geld nur für gesellschaftliche Leitungen“ orientieren. Die Ausgestaltung eines neues Prämiensystem müsse aber erheblich unbürokratischer umgesetzt werden. Die weitere Reformdebatte wird der BUND gemeinsam in der „Agrarplattform“ mit einem Bündnis von vielen Verbänden aus den Bereichen Umwelt, Tierschutz, Entwicklungszusammenarbeit und Landwirtschaft führen. Der Umgestaltungsprozess solle aber nur gemeinsam mit der bäuerlichen Landwirtschaft und nicht gegen sie laufen.

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.