Die institutionalisierte Ernährungsbildung erreicht Jugendliche außerhalb der Bildungseinrichtungen praktisch gar nicht mehr. Einfluss auf das Essverhalten haben stattdessen Blogger aus den eigenen Reihen, die ihren Lebensstil auf Online-Kommunikationsplattformen in Szene setzen.
Allerdings verbreiten sie dort gegebenenfalls auch nicht gesichertes oder falsches Wissen. Solche neuen Kommunikationskanäle auszumachen und in Zusammenarbeit mit Jungbloggern zu nutzen, um Ernährungskompetenzen zu vermitteln, ist ein Kernziel, das die Teilnehmer einer Tagung des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE) am vergangenen Donnerstag in Bonn herausgestellt haben.
Kinder und Erwachsene hätten den Bezug zu den Lebensmitteln verloren und nähmen sich für das Kochen nur wenig Zeit, hieß es. Dass es sehr wohl eine deutliche Tendenz bei der medialen Orientierung gibt, stellte dagegen am Beispiel des Youtube-Kanals „BibisBeautyPalace“ Prof. Gunther Hirschfelder von der Universität Regensburg heraus. Die Betreiberin habe mit ihrem Video über einen vermeintlich gesunden Obstshake mehr als 3 Millionen Aufrufe erreicht. Demgegenüber sehe die Zahl der Follower des BZfE mit einigen Hundert „sehr mager“ aus.
In drei Minuten das Wesentliche
Auf den Kanälen der jugendlichen Videoblogger bei YouTube stünden das Essen und dessen Zubereitung mit im Mittelpunkt. Die Autoren zeigten die Ernährung aber eingebettet in einen Lebensstil, den sie dort verkörperten, sei es als Fitness-Coach oder als Schönheitsidol. Hier werde die gute Ernährung „mit einem Versprechen verbunden“, nämlich sich selbst in Richtung des vorgezeigten Ideals optimieren zu können.
Traditionelles Ernährungswissen sei dagegen eher mit einem Imperativ oder einer Drohung verbunden, und zwar gemäß dem Motto „Du sollst dich anders ernähren als du es jetzt tust“ beziehungsweise „Wenn du dich nicht richtig ernährst, dann musst du auf leckeres Essen verzichten“.
Besonderer Beliebtheit unter den Kochanleitungen erfreuen sich Hirschberger zufolge auf YouTube unter den Jugendlichen dreiminütige Videos mit Kochanweisungen aus der Ich-Perspektive, die möglichst auf das Wesentliche reduziert sind.
Einkaufstüten auf YouTube präsentiert
Auch „Food-Hauls“ würden von den Jugendlichen sehr gerne gesehen, berichtete der Ernährungsforscher. Dort präsentierten die Blogger die Inhalte ihrer Einkaufstüten und begründeten, warum sie die Produkte kauften. Solche „Influencer“, wie sie von der Werbebranche genannt würden, nähmen weiter an Einfluss zu.
„Pädagogische Lehrkräfte müssen verstehen, dass der neueste Food-Haul größeren Einfluss hat als die aktuellen Ernährungsempfehlungen“, betonte Hirschfelder. Schnittmengen mit dieser Art von Präsentation würden definitiv gebraucht, auch wenn die Lösung, wie das umzusetzen sei, alles andere als auf der Hand liege. Allerdings habe die Art und Weise, wie sich die „Millenials“, also die in den Nullerjahren geborenen Jugendlichen, informieren, auch negative Konsequenzen. Oftmals werde Scheinwissen vermittelt, das nicht unbedingt weiter hinterfragt werde.
„Etabliert zu sein ist kein Kriterium mehr, etwas sagen zu dürfen, sondern beliebt zu sein“, resümierte Hirschfelder. Die jungen Konsumenten suchten sich die Kanäle je nach Trendlage und abhängig davon, welchem YouTuber sie vertrauten. Damit könne nicht nur die Politik schwer umgehen; auch in der Industrie würden immer öfter mit hohem Aufwand Produkte an der Nachfrage vorbeientwickelt.