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„Über die Molkereien an die Börse“

Ohne Terminmärkte geht weltweit nichts mehr – auch nicht im Agrarbereich. Nur die europäische Milchbranche arbeitet noch weitgehend börsenfrei. Das wird sich bald ändern, glaubt der irische Risiko-Manager Charlie Hyland und sieht auch die Milchviehhalter in der Pflicht.

Lesezeit: 5 Minuten

Ohne Terminmärkte geht weltweit nichts mehr – auch nicht im Agrarbereich. Nur die europäische Milchbranche arbeitet noch weitgehend börsenfrei. Das wird sich bald ändern, glaubt der irische Risiko-Manager Charlie Hyland und sieht auch die Milchviehhalter in der Pflicht. Ein Interview aus der top agrar 10/2017.


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Herr Hyland, was macht ein Rohstoff-Risiko-Manager?

Hyland: Ich arbeite für INTL FCStone, einem amerikanischen Finanzdienstleister, der sich auf Risiko-Management spezialisiert hat. Wir beobachten weltweit Rohstoff-, Währungs- und Aktienmärkte. Dazu zählt auch der Milchmarkt. Als Risiko-Manager halte ich meine Kunden über Entwicklungen auf dem globalen und regionalen Milchmarkt auf dem Laufenden. Wir entwickeln Absicherungsstrategien und setzen diese für unsere Kunden um.


Wer sind Ihre Kunden?

Hyland: Die kommen aus der gesamten Wertschöpfungskette. Neben großen Milchviehbetrieben beraten wir Molkereien, Händler und auch große Endverbraucher, wie beispielsweise industrielle Bäckereien, Schokoladen-Produzenten oder Handelsketten.


Handeln Sie an der EEX in Leipzig?

Hyland: Als Broker dürfen wir selbst nicht handeln, sondern nur im Auftrag. Unsere Kunden sind aber an der EEX aktiv und für einen großen Teil der „Milch-Umsätze“ verantwortlich.


Sollten Milchviehhalter selbst an die Börse gehen?

Hyland: Solange es keinen echten Rohmilch-Kontrakt gibt, ist das Absichern für Landwirte schwierig. Man kann zwar den Rohmilchwert aus Butter und Magermilchpulver errechnen. Weil diese Produkte aber nur für einen kleinen Teil der Milchverwertung stehen, ist das Basisrisiko eigentlich zu hoch. Außerdem ist die kleinste handelbare Menge, die sich aus einem Butter- und zwei Pulver-Kontrakten errechnet, mit 100 000 kg pro Monat für die meisten europäischen Betriebe einfach zu groß.


Warum ist das Basisrisiko so hoch?

Hyland: Den Preisabstand zwischen dem Kassamarkt (Milchgeld) und dem Terminmarkt (Börsenmilchwert) bezeichnen Börsianer als Basis. Wenn sich dieser Wert zwischen dem Abschließen und Glattstellen eines Kontraktes stark verändern kann, ist das Basisrisiko hoch und die Preisabsicherung schwierig. Genau das ist bei der Milch der Fall: Der Abstand zwischen den Erzeugererlösen und dem Börsenmilchwert der EEX schwankt erheblich. Denn Molkereien verdienen ihr Geld nicht nur mit Butter und Pulver, sondern auch mit Käse, Joghurt oder Frischmilch, deren Preise sich unterschiedlich entwickeln können. Hinzu kommen noch langfristige Kontrakte, die sich ebenfalls auf das Milchgeld auswirken.


Warum ist der Terminhandel für Bauern überhaupt sinnvoll?

Hyland: Das haben die letzten Milchkrisen doch gezeigt. Extreme Preisschwankungen zwischen 20 und

40 Cent pro kg Milch können viele Betriebe auf Dauer nicht verkraften. Die Bauern tragen das volle Liquiditätsrisiko. Mit der Börse lassen sich solche Schwankungen ausgleichen.


Was müsste sich ändern, damit Landwirte die Börse nutzen können?

Hyland: Da sehe ich zwei Möglichkeiten: Entweder legt die EEX einen Rohmilchkontrakt auf, der sehr nahe am Ab-Hof-Preis liegt, den Milchviehhalter erhalten. Oder die Molkereien nutzen die verfügbaren Pulver- und Butterkontrakte in Leipzig, um ihren Milchlieferanten Festpreisangebote anzubieten. Molkereien könnten die Mengen der Landwirte bündeln, sodass auch die Kontraktgröße kein Problem mehr darstellt. Außerdem haben sie sowohl personell als auch finanziell mehr Möglichkeiten, mit Börsengeschäften zu arbeiten.


Warum fremdeln gerade deutsche Molkereien noch mit den Börsen?

Hyland: Das ist nicht nur in Deutschland so. Die meisten europäischen Molkereien tun sich noch schwer mit der Börse. Es fehlt noch die Infrastruktur und oft auch einfach die Erfahrung mit Termingeschäften. Bedenken Sie, dass sich die Milchpreise in Europa über Jahrzehnte kaum bewegt haben. Die gesamte Milchbranche brauchte sich deshalb über Preisrisiken keine Gedanken machen.


Das ist lange her. Seit 10 Jahren schwanken die Milchpreise sehr stark, und Terminkontrakte gibt es schon seit 2010. Wie lange brauchen die Molkereien noch?

Hyland: Der Wandel läuft. Nach der letzten Milchpreiskrise haben die meisten Molkereien verstanden, dass sie aktiv werden müssen. Die europäische Milchindustrie investiert nun mehr Zeit und Geld ins Risikomanagement bzw. in den Terminmarkt. Die Rechnung ist einfach: Ohne Milch können Molkereien nicht produzieren. Deshalb müssen sie ihre Lieferanten davor schützen, bei der nächsten Milchkrise auf der Strecke zu bleiben. Die Initiative muss von den Molkereien kommen. Und so langsam kommt die Branche in Bewegung. Die Umsätze an der Börse steigen immer schneller (siehe Übersicht).



Wie können Landwirte diesen Umstellungsprozess unterstützen?

Hyland: Die Milchviehhalter sollten sich aktiver einbringen. Warum setzen sich die Bauern nicht mit Molkereivertretern an einen Tisch und entwickeln zusammen neue Lösungen? Marktteilnehmer können selbst am besten beurteilen, wo ihnen die Börse in der Vermarktung nutzt.


Gibt es Programme für Milchviehhalter, die bereits laufen?

Hyland: Natürlich. Einige Molkereien bieten Festpreisverträge für Landwirte an, die eine Laufzeit zwischen einem und drei Jahren haben. In den USA sind kontinuierliche Absicherungsmodelle üblich, die auf dem Terminmarkt basieren. Dabei sichern sich die Molkereien an der Börse regelmäßig ab und garantieren den Milchviehahltern so einen durchschnittlichen Erlös ohne extreme Preisschwankungen. In Europa führen einige Molkereien ähnliche Programme derzeit ein.


Wie sehen Sie den aktuellen Milchmarkt?

Hyland: Für die Butter sieht es gut aus. Sie wird mindestens bis zum Jahresende teuer bleiben, weil die Nachfrage immer noch steigt und wir praktisch keine Vorräte haben. Außerdem ist die Milchanlieferung noch im saisonalen Abschwung. Beim Magermilchpulver sieht es nicht so gut aus. Die EU-Kommission hat ein Riesenproblem mit den 350 000 t Magermilchpulver in der Intervention. Niemand weiß genau, was mit den Vorräten passieren soll. Klar ist nur, dass Brüssel die Ware los werden möchte. Das belastet den Markt. Hinzu kommt, dass die Ware zum Teil schon recht alt ist und eigentlich raus müsste. Solange Brüssel sich aber nicht entscheidet, können die Preise für Magermilchpulver nicht steigen.

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