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Die Milchmenge wieder europaweit steuern?

Ein neuer Vorschlag sorgt für Diskussionen: Ein Europäischer Branchenverband soll jedem Milcherzeuger ein Ablieferbares Milch-Kontingent zuteilen und dieses verwalten, fordert das Bundestagsmitglied Kees de Vries. Alexander Anton vom europäischen Milchindustrieverband ist strikt dageben. top agrar sprach mit beiden.

Lesezeit: 5 Minuten

Ein neuer Vorschlag für die Milchpolitik sorgt für Diskussionen: Ein neuer Europäischer Branchenverband soll jedem Milcherzeuger ein Ablieferbares Milch-Kontingent (AMIKO) zuteilen. Dieses ist sechsmal pro Jahr über eine Börse handelbar. Je höher der AMIKO-Preis, desto attraktiver die Milchproduktion. Wenn die Nachfrage extrem hoch ist, soll der Verband zusätzliche AMIKO kostenlos verteilen. In Krisen soll er dagegen die AMIKO für alle Erzeuger verbindlich kürzen. Wer mehr melkt, soll mindestens 35 ct/kg Strafe zahlen.


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"Der Milchmarkt braucht eine wirksame Steuerung", sagt Ideengeber und Befürworter Kees de Vries, Milcherzeuger und Mitglied des Deutschen Bundestags, Berichterstatter Milch für die CDU/CSU-Fraktion.


"Die letzte Krise hat gezeigt, dass Milcherzeuger mit den volatilen Preisen nach dem Quotenende erhebliche Probleme haben. Und auch wenn die Quote den Strukturwandel nicht gestoppt hat, beschleunigt sich dieser jetzt doch.


Ich schlage das Konzept AMIKO – Ablieferbares Milch-Kontingent – vor. Gegenüber der alten Milchquote hat es den Vorteil, dass die Milchmenge je Betrieb nicht einer starren Quote entspricht, sondern über den Preis für Lieferrechte angepasst werden kann.


Das AMIKO basiert auf seinem Preis. Dieser Preis zeigt, wie attraktiv es für Landwirte ist, Milch zu produzieren. Um die Flexibilität dieses Systems zu sichern, muss sich ein europäischer Branchenverband gründen. Dieser legt einen Minimum- und einen Maximumpreis für das AMIKO fest.


Bei (drohender) Überschreitung dieses Preises muss der Verband linear allen Milcherzeugern in der EU mehr Lieferrechte zuteilen. So können die Landwirte von der guten Milchpreisphase profitieren. Gleichzeitig bleiben die Kosten für diejenigen, die ihren Betrieb weiterentwickeln wollen, überschaubar.


Wenn aber die Nachfrage sinkt und/ oder die Milchproduktion zu viel steigt, sinkt nicht nur der Milchpreis, sondern viel schneller der AMIKO-Preis. Deshalb ist es noch wichtiger, einen Mindestpreis für diese Lieferrechte festzulegen. Der Verband kann in einer Krise linear die Lieferrechte zurücknehmen und so die größten Marktverwerfungen verhindern. Da die Zu- und Abnahme des AMIKO nicht durch den aktuellen Milchpreis bestimmt wird, sondern über den Preis der Lieferrechte, bleiben die Landwirte in ihren Entscheidungen frei.


Mit dem Konzept AMIKO haben wir ein flexibles Instrument zur Mengenregulierung. Das bedeutet, dass positive Entwicklungen nicht gebremst werden. Aber im Falle einer erneuten Krise kann der Verband alle Milchbauern gebündelt dazu bringen, ihre Produktion zu begrenzen – solange der Markt aus der Balance ist. Die Vorteile:

  • Das AMIKO führt dazu, dass Preiseinbrüche begrenzt werden und Liquiditätsengpässe, wie wir sie in der letzten Krise erlebt haben, vermieden werden.
  • Bei der Betriebsentwicklung ist das AMIKO Garant für eine solide Liquiditätsplanung und führt nur zu überschaubaren Mehrkosten.
  • Bei guten Bedingungen am Weltmarkt sichert das Konzept unseren Milchbauern eine maximale Nutzung der Exportchancen.
  • Wir werden mehr Milchbauern eine Chance geben und so den Strukturwandel deutlich bremsen.
  • Weil wir den Strukturwandel bremsen, schützen wir die Attraktivität des ländlichen Raumes.
  • Bei einer notwendigen Intervention können wir die aufgelaufenen Vorräte marktgerecht abbauen, ohne den Milchpreis nachteilig zu beeinflussen.


Das Wichtigste: Wenn ein europäischer Branchenverband das Konzept etabliert, können wir unabhängig von der Politik agieren. Wir Bauern lösen unsere Probleme selbst und sind nicht mehr abhängig von den Stimmungen und Strömungen der Politik.


"AMIKO ist alter Wein in neuen Schläuchen", sagt dagegen Alexander Anton, Generalsekretär des europäischen Milchindustrieverbandes (EDA) in Brüssel.


"Der Vorschlag vom Bundestagsabgeordneten Kees de Vries basiert auf bekannten Elementen und erinnert stark an die alte Milchquote.


Voraussetzung ist ein europäischer Branchenverband. Das dürfte schon die erste Hürde sein. Mindestens 60 % der europäischen Milchbauern sollen zur Gründung zustimmen. Unterstützen überhaupt so viele Landwirte diese Idee?


Zudem sind die Meinungen der Milcherzeuger und Molkereien zu Branchenverbänden schon national vielfältig und kompliziert. Bei einem EU-Milchbranchenverband würde sich das verstärken. Auch der Rechtsrahmen auf EU-Ebene ist fraglich. Über die Arbeitsfelder müsste ebenfalls Einigkeit erzielt werden. Diese Fragen sorgen schon heute für Diskussionen in nationalen Branchenverbänden. Inhaltlich wird die Festsetzung der Höhe des Milchkontingents pro Landwirt schwierig. Auch hier ist wieder ein europäischer Konsens nötig.


Bei einer höheren Nachfrage soll der Verband jedem Milcherzeuger linear und unentgeltlich mehr “Ablieferbares Milch-Kontingent” (AMIKO) zuteilen. Offen ist, bei welcher Steigerung das der Fall sein soll.


Auch das Festlegen eines Minimumoder Maximumpreises für AMIKO wird kein einfaches Unterfangen – insbesondere, wenn wir über einen EU-weiten Preiskorridor sprechen. Wie werden die Preise festgelegt? Wie fließen regionale Besonderheiten und unterschiedliche Betriebsstrukturen ein?


Im Krisenfall soll das AMIKO reduziert werden. Aber wie definiert sich eine Krise? Im EU-Agrarministerrat im Frühjahr 2015 konnte kein EU-Landwirtschaftsminister eine Definition liefern. Wie wird die Zeitverzögerung bei der Anpassung der Milchmenge berücksichtigt? Bisher reagieren Landwirte in vielen Regionen mit einem inversen Angebotsverhalten auf Preisrückgänge.


Im Konzeptpapier heißt es, dass ab dem ersten überlieferten Liter Milch eine Strafzahlung von mindestens 35 Cent fällig wird. In einer Krise dürfte das den Landwirt hinsichtlich Liquidität stärker belasten als das aktuelle System ohne administrativ aufwendige Mengenregulierung.


Frappierend ist die Ähnlichkeit zu der erst 2015 abgeschafften Milchquote. Mit diesem Vorschlag ist eine marktorientierte Milchpolitik nicht möglich.


Um die Mengen wirksam und marktorientiert zu managen, müssen wir zuerst die Ebene dieses Managements festlegen. Schnelle sowie unkomplizierte und unbürokratische Maßnahmen sind niemals auf politischer oder verbandspolitischer Ebene möglich. Deshalbsollten wir privatwirtschaftliche Lösungen diskutieren. Die weitere Modernisierun des “Molkerei-ProduzentVerhältnisses” ist die bessere Option.


Einige EU-Mitgliedstaaten fahren auf nationaler Ebene durchaus ein wirksames Mengenmanagement. Allerdings führt dies nicht zu stabilen Milchpreisen für die Landwirte.


Festzuhalten bleibt: Die Abschaffung der Milchquote war und ist sinnvoll. Wir benötigen kein quotenähnliches Regime zur Mengenregulierung, sondern ein marktorientiertes und anpassungsfähiges System. Dazu brauchen wir keine neuen Verbände.


Der Beitrag stammt aus der top agrar-Ausgabe 2/2018, die Ende nächster Woche erscheint.

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