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Moderne Lieferbeziehungen sind "zentraler Schlüssel"

Die Bundesregierung wertet eine Modernisierung der Lieferbeziehungen zwischen Erzeugern und Molkereien als einen „zentralen Schlüssel“ für die Stärkung der Verhandlungsmacht der Produzenten gegenüber den Verarbeitern und der Bewältigung künftiger Marktschwankungen.

Lesezeit: 6 Minuten

Die Bundesregierung wertet eine Modernisierung der Lieferbeziehungen zwischen Erzeugern und Molkereien als einen „zentralen Schlüssel“ für die Stärkung der Verhandlungsmacht der Produzenten gegenüber den Verarbeitern und der Bewältigung künftiger Marktschwankungen.


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In seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion mahnt der Parlamentarische Staatssekretär vom Bundeslandwirtschaftsministerium, Peter Bleser, erneut strukturelle Anpassungen insbesondere durch eine geeignete Definition der Rohmilchlieferbedingungen an. Gefordert sieht Bleser die Wirtschaftsbeteiligten, hierzu in den Verträgen oder genossenschaftlichen Lieferordnungen die notwendigen Regelungen zu treffen. Staatlichen Vorgaben erteilt der CDU-Politiker insofern indirekt eine Absage. Damit findet Bleser die Zustimmung in den Reihen der Wissenschaft. Allgemeine staatliche Lösungen könnten der regionalen Vielfalt an Strukturen, einzelbetrieblichen Wünschen und Herausforderungen voraussichtlich nicht gerecht werden, heißt es in einem Beitrag mehrerer Autoren unter Federführung des Kieler Agrarökonomen Prof. Sebastian Hess. Darin verweisen die Wissenschaftler allerdings auf eine verbreitete Unzufriedenheit größerer Milcherzeuger mit dem gegenwärtig vorherrschenden Liefersystem. Werde dem auf Dauer nicht Rechnung getragen, „könnte sich durch Abwanderung dieser Mitglieder ein Wettbewerbsnachteil für genossenschaftliche Molkereien ergeben“, so die Warnung der Ökonomen. Grünen-Agrarsprecher Friedrich Ostendorff bekräftigte unterdessen seine Forderung nach einem Kurswechsel in der Milchmarktpolitik.

 

Erhebliche regionale Unterschiede

Hess verweist im Ergebnis einer Befragung von Milcherzeugern zum aktuellen Stand ihrer Lieferbeziehungen und den Präferenzen für deren zukünftige Ausgestaltung auf erhebliche regionale Unterschiede. Dies gelte nicht zuletzt für die Zustimmung zum nach wie vor vorherrschenden Modell einer unbegrenzten Andienungs- und Abnahmeverpflichtung. Während dieses Modell vor allem von kleineren, mittleren und stärker diversifizierten Betrieben auch in Zukunft favorisiert werde, seien große Milcherzeuger vornehmlich an alternativen Vertragsgestaltungen interessiert. Dies reiche bis zu einer grundsätzlichen Ablehnung des genossenschaftlichen Liefermodells. Diese Betriebe seien bestrebt, durch Vertragslösungen mit fester Mengenbindung bessere Konditionen zu erreichen. Kein einheitliches Bild hat die Befragung zudem im Hinblick auf die Vertragslaufzeiten ergeben. Der Wunsch nach kürzeren Kündigungsfristen ist unterdurchschnittlich ausgeprägt in Regionen, in denen die Fristen ohnehin vergleichsweise kurz sind, aber auch in Gebieten mit einer größeren Vielfalt in den aktuellen Lieferbeziehungen. Als wesentlichen Bestimmungsgrund für einen Molkereiwechsel haben die Wissenschaftler neben dem Auszahlungspreis das Vertrauen in die jeweilige Molkereiführung identifiziert.

 

Genossenschaftliches Haupt- und Ehrenamt gefordert


Eine sinnvolle Weiterentwicklung von Milch-Lieferbeziehungen kann den Wissenschaftlern zufolge am besten durch die Beteiligten der Wertschöpfungskette in der jeweiligen Region erzielt werden. Ziele, die dabei aus agrarökonomischer Sicht angestrebt werden sollten, seien eine Verbesserung der molkereiinternen Mengenplanung, wirksamere Möglichkeiten zur Absicherung einzelbetrieblicher Risiken sowie eine verbesserte Weitergabe von Grenzverwertungen der Rohmilch an die Erzeuger, etwa durch Informationen über Spotmarktpreise für Mengen, die an anderen Molkereien weiterverkauft werden. Die Autoren räumen ein, dass es für genossenschaftliche Molkereien aufgrund ihres Mitbestimmungsprinzips und der meist asymmetrischen Verteilung zwischen Stimmen und Milchmenge schwierig sei, ihre Lieferbeziehungen weiter zu entwickeln. Die Folge könnten zunehmend interne Konflikte sein, weil Genossenschaften einerseits Mehrheitsbeschlüssen ihrer Mitgliederversammlungen folgen müssten, andererseits jedoch ihre größten Milchlieferanten mit diesen Beschlüssen möglicherweise unzufrieden seien. Daher stelle eine Neugestaltung der Lieferbeziehungen eine besondere Herausforderung für die haupt- und ehrenamtlichen Molkereileitungen dar.

 

Strukturelle Konsequenzen unerlässlich

Die Bundesregierung begründet in ihrer Antwort den Anpassungsbedarf bei den Lieferbedingungen mit Erfahrungen der jüngsten Milchkrise. In dieser habe sich gezeigt, dass die uneingeschränkte Andienungspflicht der Erzeuger in Verbindung mit der Annahmepflicht der Molkereien prozyklisch wirken und damit die Abwärtsentwicklung der Erzeugerpreise verstärken könne. „Ohne strukturelle Konsequenzen kann einer Weltmarktlage mit sehr niedrigen Milchpreisen nicht adäquat begegnet werden“, stellt die Bundesregierung fest. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt bereite daher den Marktbeteiligten in den von ihm initiierten Milchstrukturgesprächen den Boden, entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Einen Schwerpunkt des in dieser Woche anstehenden Treffens bildet den Ausführungen zufolge die Bildung einer Branchenorganisation Milch. Deren Vorzüge sieht die Regierung in einer besseren Koordinierung der Vermarktung sowie der Förderung des Verzehrs von Milch und Milcherzeugnissen. Ferner gehe es um die Erschließung potentieller Absatzmärkte, die Ausarbeitung von Standardverträgen für den Verkauf von Rohmilch oder die Lieferung von Milcherzeugnissen an Groß- und Einzelhandel sowie die Förderung von Forschung und Entwicklung zum Ausbau des Erzeugungspotentials.

 

Europäisches Sicherheitsnetz reicht aus


Das bestehende europäische Sicherheitsnetz hält die Bundesregierung im Hinblick auf mögliche künftige Marktkrisen für ausreichend und verweist auf die Kombination aus öffentlicher Intervention und Beihilfe zur privaten Lagerhaltung sowie die Vielfalt an Maßnahmen nach den Krisenartikeln der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO). Zudem würden derzeit Möglichkeiten geprüft, die Position der Landwirtschaft in der Lebensmittelkette zu stärken. Verwiesen wird ferner auf die Möglichkeit, die Agrarkrisenreserve für zusätzliche Maßnahmen zu nutzen. Diese Mittel, die in jedem Haushaltsjahr durch eine Kürzung der Direktzahlungen gebildet werde, betrage im laufenden Haushaltsjahr 450,5 Mio Euro. Die Bundesregierung geht davon aus, dass durch die Agrarkrisenreserve, aber auch aufgrund der grundsätzlichen Möglichkeit, zusätzliche Mittel im Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds (EAGFL) bereitzustellen, auch künftig EU-Finanzmittel für Krisenmaßnahmen zur Verfügung stehen werden. Dabei werde es weiter möglich sein, die EU-Gelder mit nationalen Mitteln aufzustocken.

 

Abhilfe durch Bonus-Malus-System

Ostendorff widersprach in seiner Reaktion auf die Antwort der Einschätzung zu den Möglichkeiten der Krisenreaktion. In der Milchkrise 2015/16 hätten die EU-Maßnahmen nicht ausgereicht, die Preise anzuheben. Besserung sei erst durch zusätzliche Anreize zur Mengenreduzierung eingetreten. Minister Schmidt habe sich diesen Maßnahmen jedoch viel zu lange verschlossen und so zu einer Verschlimmerung der Krise beigetragen. Der Grünen-Politiker mahnte die Einführung „wirklicher Kriseninstrumente“ an: „Wir brauchen ein Bonus-Malus-System, um im Krisenfall die Menge wirkungsvoll zu reduzieren.“ Der Bundesregierung wirft der Abgeordnete vor, sie verschließe die Augen und rede sich die Lage schön. Entgegen vielfältiger Warnungen denke Minister Schmidt nach wie vor nicht im Entferntesten daran, auf EU-Ebene ein Krisenmanagementprogramm einzuführen, um bei Marktkrisen effektiv die Milchmenge zu reduzieren. Er setze stattdessen weiterhin auf Freiwilligkeit der Marktpartner „und imaginiert die angeblichen Möglichkeiten einer Branchenorganisation“. Allerdings hätten seine Branchengespräche bisher zu keinem Ergebnis geführt. Den großen Molkereien fehle das Interesse an einer Mengenreduzierung, solange sie Marktanteile auf Kosten ihrer Konkurrenten ausbauten. Sie profitierten von niedrigen Erzeugerpreisen und einer hohen Produktionsmenge, so der Grünen-Politiker. Bäuerliche Erzeuger hätten auf einem asymmetrischen Markt keine Möglichkeit, auf Marktimpulse zu reagieren. Sie hätten lediglich die Wahl zwischen Aufgeben oder mehr produzieren und später aufgeben.

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