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Kohle fürs Klima

Das Start-up „Kohlekumpels“ setzt auf Lebensmittel mit einem positiven CO2-Fußabdruck. Pflanzenkohle soll dabei helfen, Landwirten fruchtbareren Boden und mehr Kohle zu bescheren.

Lesezeit: 7 Minuten

Bodenfruchtbarkeit ist die Grundlage für wirtschaftlichen Ackerbau. Darum ist wohl jeder Landwirt darum bemüht, seinen Boden zu schützen und die Fruchtbarkeit seines Ackers zu erhalten oder gar zu verbessern. Von dieser gängigen landwirtschaftlichen Praxis bekommt der Verbraucher jedoch nichts mit, wenn er abgepacktes Brot oder Kartoffeln einkauft. Ein Problem, das die Gründer des Start-ups „Kohlekumpels“ angehen wollen.

Hinter dem Unternehmen aus dem Allgäu stehen Daniel Ziegler und Michel Konder. Gemeinsam mit einem fünfköpfigen Team wollen sie Landwirten helfen, ihre Böden zu verbessern, klimaschädliches CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen und gleichzeitig dem Verbraucher davon erzählen. Ihre Grundidee basiert auf dem Einsatz von Pflanzenkohle und Humusaufbau. „Unser Ziel ist es, den CO2-Fußabdruck eines Lebensmittels positiv werden zu lassen und durch Humusaufbau die Bodenfruchtbarkeit langfristig zu steigern“, erklärt Ziegler. Durch das Ausbringen von Pflanzenkohle auf den Acker soll mehr CO2 im Boden gespeichert werden, als bei der Erzeugung, Verpackung und dem Transport des Lebensmittels ausgestoßen wird. Die so erzeugten Produkte erhalten das Label des Start-ups und die Bezeichnung „klimapositiv“. Beides zusammen soll den Verbraucher dazu anhalten, einen höheren Preis zu zahlen.

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KLIMASCHUTZ IM FOKUS

Ziegler hat zwar von Haus aus eine Verbindung zur Landwirtschaft, hinter der Gründungsidee steckt aber etwas anderes: „Es hört sich etwas schmalzig an, aber ich wollte in Nachhaltigkeit und die Zukunft meiner Kinder investieren.“ Dafür sehen die beiden Diplominformatiker ausgerechnet in der Landwirtschaft ihre größten Möglichkeiten. Beide kündigen ihre Jobs und widmen sich seither dem Klimaschutz. Das Wissen dafür eignen sie sich durch Recherche und Gespräche mit Experten an. „Bei unseren Nachforschungen sind wir auf den Einsatz von ‚Terra Preta‘ gestoßen – ein pflanzenkohlehaltiges Substrat“, erklärt Ziegler. „Es fördert den Humusaufbau im Boden, trägt zu einer höheren Bodenfruchtbarkeit bei und bindet klimaschädliches CO2 aus der Luft.“ Dabei steht die Menge der auszubringenden Pflanzenkohle in keiner direkten Abhängigkeit zum Nährstoffbedarf der Pflanze. Sie liegt neutral im Boden und wird als Bodenhilfsstoff im Düngemittelgesetz erfasst.

Bei unseren Nachforschungen sind wir auf den Einsatz von ‚Terra Preta‘ gestoßen – ein pflanzenkohlehaltiges Substrat.“ - Daniel Ziegler

Die Wissenschaft ist sich bei ihrem Einsatz noch uneins: Viele Studien bestätigen zwar die positive Wirkung der Pflanzenkohle auf einige Bodenparameter. Andere wiederum sprechen aber von gar keiner oder verschlechternder Wirkung des Substrats auf den Boden. Die Gründer packt im Juli des vergangenen Jahres dennoch der Tatendrang. In ihrem Eifer müssen sie jedoch feststellen, dass der Anbaukalender der Landwirtschaft zu dieser Jahreszeit nur noch wenig Spielraum für das Ausbringen von Pflanzenkohle lässt. Das Ergebnis für den Pilotversuch heißt daher „Pak Choi“: „Der Chinesische Blätterkohl wird vor Weihnachten geerntet und der Landwirt war direkt überzeugt“, so Ziegler über den ersten Einsatz der Pflanzenkohle.

DER PILOTVERSUCH

Die Pflanzenkohle kaufen die Gründer zu und vertreiben sie an den Landwirt. Die Menge der Pflanzenkohle wird dabei allein am CO2-Fußabdruck des Gemüses ausgerichtet. Damit das Gemüse „klimapositiv“ wird, kommen noch weitere 20% CO2 obendrauf. Die Berechnung übernimmt das Start-up. Mit dem Einsatz von rund 25 kg Pflanzenkohle werden bei diesem Versuch 40 kg CO2 gebunden. „Wir haben mit ganz kleinen Mengen angefangen. Mittlerweile konnten wir mit unseren Partnerlandwirten rund 100 t CO2 im Boden binden“, erklärt der Gründer. Was nach reichlich Pragmatismus klingt, beschert dem Landwirt 400 „klimapositiv“ angebaute Pak Choi. Der Gemüsebauer verkauft die Ware über seine üblichen Vertriebswege, das Marketing übernehmen die Kohlekumpels. Flyer, Infomaterial und eigens für Pak Choi entwickelte Label sollen den Verbraucher dazu anregen, einen Mehrpreis zu bezahlen. Das Ergebnis ist interessant, erklärt Ziegler: „Das Gemüse wurde direkt neben den ‚normal erzeugten‘ Bio-Pak Choi im Supermarkt verkauft. Das teurere klimapositiv erzeugte Gemüse war direkt vergriffen.“

Wir wollen die Geschichte weitererzählen und beim Kunden ankommen lassen.“ - Daniel Ziegler

Über das Geschäftsmodell des Start-ups sagt Ziegler: „Bisher war Pflanzenkohle ein B2B-Geschäft. Es ging also lediglich um den Verkauf der Pflanzenkohle an den Landwirt. Wir wollen die Geschichte weitererzählen und beim Kunden ankommen lassen.“ Mittlerweile sind es rund 20 Landwirte, die ihre Lebensmittel klimapositiv unter dem Label der Gründer verkaufen. Die Produktpalette reicht dabei von Salat über Weizen bis hin zu Kartoffeln. Immer nach demselben Prinzip: Die Kohlekumpels rechnen den CO2-Fußabdruck des Lebensmittels aus, vertreiben die notwendige Pflanzenkohle eines Drittanbieters an den Landwirt, bemessen die CO2-Bindung durch Humusaufbau und statten ihn mit Werbematerial aus. Ihr Konzept beruht dabei neben dem Vertrieb der Pflanzenkohle auf einem monatlichen Beitrag, den die Landwirte zahlen. Für die Marketingleistung fällt monatlich ein Basisbetrag von 39 € an. Hinzu kommt eine Umsatzbeteiligung des Start-ups an den klimapositiv verkauften Produkten. Bisher haben die teilnehmenden Landwirte klimapositive Ware im sechsstelligen Bereich umgesetzt.

KLIMAPOSITIVES BROT

Einer dieser Landwirte ist Sebastian Tröster aus Römerstein in Baden-Württemberg. Der Biobauer bewirtschaftet einen Milchvieh- und Ackerbaubetrieb. Einen Teil seines Getreides verkauft er an eine Bäckerei zur Brotherstellung. Soentsteht auch der Kontakt zu den Kohlekumpels. „Der Bäcker ist auf mich zugekommen, da er wusste, dass ich mich mit den Themen Kohlenstoffspeicherung und Humusaufbau beschäftige“, erzählt Tröster. Gerade als Biolandwirt sei es schwierig, den Boden langfristig fruchtbar zu halten: „Humusaufbau ist besonders mit eingeschränkten Düngemöglichkeiten ein großes Thema.“ Im Mai 2021 bringt er auf einer 1 ha großen Fläche rund 1,7 t Pflanzenkohle aus.

Wir wollen nicht nur irgendetwas auf das Produkt ‚draufpappen‘. Wir wollen das Image des Landwirts verbessern – auf eine wirtschaftliche Weise.“ - Daniel Ziegler

Die Mengenangaben kommen von den Kohlekumpels, erklärt er: „Sie haben ausgerechnet, wie viele Tonnen Mehl aus dem Weizen entstehen, wie viele Brote der Bäcker daraus bäckt und wie viel Pflanzenkohle für den positiven CO2-Fußabduck nötig sind.“ Der Weizen steht zu diesem Zeitpunkt etwa 20 cm hoch auf dem Acker. Zum Ausbringen verwendet Tröster einen Festmiststreuer. „Terra Preta ist ein feinkrümeliges Substrat. Ich musste etwas justieren, aber letztendlich ist die Technik einfach: Big Bag auf, losfahren“, erzählt der Landwirt. Insgesamt speichert er 3,5 t CO2 in seinem Boden. Für den Landwirt besteht in diesem Fall der „Gewinn“ in der ausgebrachten Pflanzenkohle. Gründer und Bäcker kümmern sich anschließend um Marketing und Vertrieb der Brote. In diesem Fall ist der Bäcker der direkte Kunde des Start-ups. Er verkauft das klimapositive Brot mit einem Preisaufschlag. Das Verkaufsergebnis könne sich sehen lassen, sagt Ziegler: „Es ist der erste Versuch, ein verarbeitetes Produkt mit unserem Label zu versehen. Die Wörter ‚Klima-‘ und ‚Bodenschutz‘ stoßen beim Verbraucher derzeit auf offene Ohren.“

Pflanzenkohle – Hype oder Hilfe?
Die Begriffe „Biokohle“ und „Pflanzenkohle“ werden oft synonym verwendet. Laut „Fachverband Pflanzenkohle“ dient Biokohle als Überbegriff „für alle aus Biomasse hergestellten Kohlen“. Der Begriff „Pflanzenkohle“ hingegen bezeichnet das Produkt eines Pyrolyse-Verfahrens. Es wird beispielsweise aus Biomasse wie Holz oder Ernteresten gewonnen. Diese werden bei hohen Temperaturen verkohlt. Dabei wird der enthaltene in gebundenen Kohlenstoff umgewandelt. Aufgrund der großen Bandbreite an Ausgangsmaterialen, sei eine generelle Einschätzung ihrer Wirksamkeit jedoch kaum möglich, so die Einschätzung der Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft. Ebenso seien die positiven Effekte hinsichtlich Bodenfruchtbarkeit und Ertrag in temperierten Regionen bisher nicht eindeutig nachgewiesen. Je höher die Produktionstemperatur, desto stabiler ist die Pflanzenkohle gegenüber mikrobiellem Abbau und desto größer ist ihr Potenzial für eine langfristige Festlegung von Kohlenstoff im Boden. Pauschal ließe sich nicht von einer langfristigen Bindung im Boden ausgehen.

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