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Milchproduktion im Wandel der Zeit

Lesezeit: 5 Minuten

Vor 50 Jahren war es üblich, auf der Weide zu melken. Heute stehen in vielen Ställen bereits Melkroboter. Zukünftig wird es mehr Automatisierung und bessere Sensoren geben, sagen Experten.


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Seit 1972 gab es auf Milchviehbetrieben viele (technische) Veränderungen. Betriebe sind größer und effizienter geworden. Oder sie gaben die Milchviehhaltung ganz auf. Im Beitrag geben ehemalige Tankwagenfahrer, ein Milchkontrolleur, Melktechnikhersteller, Wissenschaftler und Landwirte einen Überblick über den Fortschritt der Melktechnik und ihre Zukunftsprognosen.


Ihr Kontakt zur Redaktion:kirsten.gierse-westermeier@topagrar.com


Milchwirtschaft


Ein Beispiel für Molkereifusionen


„Im Nachbarort hat Hermann in den 70er-Jahren bei 43 Betrieben Milch abgeholt“, erinnert sich Ingeborg Schulte aus Lippstadt (Nordrhein-Westfalen). Heute steht dort keine einzige Milchkuh mehr. Ihr Mann (siehe Foto) übernahm im April 1972 das Milchwagengeschäft von seinem Vater. Für ihn ging es jeden Morgen um fünf Uhr raus zum Sammeln.


Die Milch brachte er zur nur wenige Kilometer entfernten und 1893 gegründeten Zentral-Molkerei in Geseke. Drei Lkw von drei Spediteuren lieferten die Milch dorthin. Einer von ihnen war auch Franz-Josef Gockel aus Geseke. „Wir sind jeden Betrieb täglich angefahren und haben die Milch aus Kannen gesaugt“, erinnert er sich. Kühlungen waren damals noch nicht üblich. Das änderte sich aber Anfang der 70er-Jahre.


Die Geseker Molkerei fusionierte am 1. Januar 1973 mit der Hellweg-Molkerei Soest eG. Insgesamt schlossen sich der 1888 gegründeten Genossenschaft von 1962 bis 1979 14 Molkereien aus der Region an. Während die Zahl der Mitglieder und die Milchmenge entsprechend stieg (1972: 947 Mitglieder, 20 Mio. kg Milch, 10,3 Mio. DM Jahresumsatz; 1983: 1167 Mitglieder, 60,2 Mio. kg Milch, 45 Mio. DM Jahresumsatz), waren die Zahlen 1987 bereits wieder gesunken. Schon damals gaben viele Betriebe die Milchviehhaltung auf, die Jahresmilchanlieferung hatte sich auf knapp 52 Mio. kg reduziert. Die Hellweg-Molkerei zählte noch 932 Milcherzeuger.


2004 erfolgte die Fusion mit Humana mit Sitz in Everswinkel. 2010 verschmolzen die operativen Einheiten von Nordmilch, deren Hauptsitz in Bremen lag und Humana Milchindustrie zum Deutschen Milchkontor (DMK). Das DMK ist heute Deutschlands größte Molkerei. 2021 zählte die Genossenschaft 5200 Mitglieder, verarbeitete 6,3 Mrd. kg Milch und erwirtschaftete einen Jahresumsatz von 5,5 Mrd. €.


Die Milchtransporte Gockel und Schulte sind Geschichte. „Die Zeiten haben sich geändert“, resümieren sie. „Früher waren die Strecken kurz und es war nachmittags Feierabend. Zuletzt sind die Lkw nahezu rund um die Uhr gefahren, die Gebiete wurden immer größer und die Fahrten zu den Molkereien länger“, erinnern sie sich.


Milchpreisvergleich 1993


Im Jahr 1993 fasst der top agrar-Redakteur Berthold Achler im Jahresmilchpreisvergleich zusammen: „Geradezu atemberaubend ist der Strukturwandel in der deutschen Molkereiwirtschaft. Er hat sich in 1992 noch einmal beschleunigt.“ Rund 160 Molkereien bildete der Milchpreisvergleich damals ab. Spitzenreiter war die Molkerei Borken in Nordhessen mit 68,29 Pfennig/kg Milch. Zum Vergleich: 2022 waren im Jahresmilchpreisvergleich nur noch 62 Molkereien aufgeführt. Die Nase vorn hatten die Milchwerke Berchtesgaden mit 38,5 ct/kg Milch, der bundesweite Durchschnittspreis lag bei 36,1 ct/kg.


Während die Hellweg-Molkerei Soest im Jahr 1988 noch nahezu alle Produkte in der Region vermarktete, aus der die Milch stammte, zählen heute Größe, Effizienz und internationaler Handel bei Milchverarbeitern. So eröffnete zum Beispiel jüngst Arla einen Milchpulvertrockenturm in Rheinland-Pfalz, um unter anderem afrikanische Länder mit Milchpulver aus Deutschland versorgen zu können. Es gibt aber auch noch klein strukturierte Molkereien mit regionalem Schwerpunkt. Doch oft ist es für sie deutlich schwerer, sich am Markt zu behaupten (siehe „Bio und Regionalität bleiben im Trend“, Seite R6). ▶


Fortschritte beim Melken


Hubertus Meilfes aus Geseke (NRW) bekommt den Strukturwandel hautnah mit. Seit 1988 ist er beim Landeskontrollverband Nordrhein-Westfalen (LKV NRW) als Leistungsprüfer, oder besser bekannt als Milchkontrolleur, tätig. Bis vor zwei Jahren melkte er morgens und abends vor der Kontrolle noch seine eigenen 20 Kühe im Anbindestall. „Am Ende musste ich oft um vier Uhr aufstehen, weil die Höfe immer früher anfingen zu melken“, nennt er einen Grund für die Aufgabe der Milchviehhaltung.


Mehr als die Hälfte der Betriebe melkten in seiner Anfangszeit beim LKV in Anbindehaltung. Heute sind es noch drei Betriebe in seinem Gebiet. In Bayern ist die Dichte der Anbindehaltungen größer, wie die Zahlen im Bericht zur Leistungsprüfung vom LKV Bayern aus dem Jahr 2021 zeigen: Stand Ende September des vergangenen Jahres gibt es dort noch mehr als 4000 Betriebe (24%), die ihre Kühe in ganzjähriger Anbindehaltung halten. Hinzu kommen 1500 Höfe mit Kombinationshaltung. Die verbreitetste Stallform mit etwa 5700 Betrieben (34%) ist der Laufstall. Knapp 6300 Betriebe (38%) melken in Bayern im Fischgrätenmelkstand, rund 2700 Höfe (16%) automatisch. 2004 gab es 92 Höfe mit einem Melkroboter.


„Allein aufgrund des Fachkräftemangels wird es zukünftig auf das automatische Melken hinauslaufen“, ist Dr. Susanne Demba, Geschäftsführerin von Melk-FEE überzeugt. Die Expertin geht außerdem davon aus, dass in der Sensortechnik noch viel Potenzial steckt.


Milchkontrolle bleibt wichtig


Auch im Gebiet von Hubertus Meilfes gibt es immer mehr Roboterbetriebe. An der Arbeit als Milchkontrolleur hat sich nicht viel geändert. „Der Umgang mit der Milch ist wie früher. Geändert hat sich die Datenerfassung“, sagt er. Was er damals mit Zettel und Stift notierte, erfasst er heute mithilfe eines kleinen Computers und übermittelt die Daten direkt online ins Labor. Bei den Roboterbetrieben muss er die Milchproben abholen und nicht beim Melken dabei sein. Obwohl die modernen Melksysteme immer mehr Daten liefern, ist Hubertus Meilfes überzeugt, dass die Milchkontrolle wichtig bleibt: „Für die Zucht brauchen wir die Zahlen. Wer nicht an der Kontrolle teilnimmt, ist Trittbrettfahrer.“


Dr. Günter Schlaiß von DeLaval sieht den Stand der Melktechnik noch längst nicht am Ende. Er schreibt 2019 in einem Tagungsband der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Milcherzeugerberater: „Ziel der weiteren Forschung und Entwicklung der Melktechnik muss sein, die Nutzungsdauer der Kühe zu verlängern. Sowohl aus ethischen als auch wirtschaftlichen Gründen.“-kgw-

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