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Vom Roboter zurück in den Melkstand

Lesezeit: 5 Minuten

Melkroboter bringen Flexibilität und stellen große Datenmengen zur Verfügung. Dennoch passt das System nicht zu jedem Betrieb. Wir haben mit Landwirten gesprochen, die nach dem Roboter wieder im Melkstand melken.


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Die Automatisierung in Kuhställen liegt im Trend. „Immer mehr Betriebe entscheiden sich für einen Melkroboter“, berichtet Herbert Pohlmann, Bauberater beim Landratsamt Emmedingen (Baden-Württemberg). Auch kleinere Betriebe, die ihre Höfe aufgrund politischer und gesellschaftlicher Forderungen neu aufstellen, greifen häufiger auf das automatische Melksystem zurück, ist seine Erfahrung. „Für Anbindehalter ist das interessant, da nicht jeder die Möglichkeit hat, einen neuen Stall zu bauen.“ Bei der Umgestaltung eines Anbindestalls zum Laufstall lässt sich der Roboter mithilfe einiger Umbaumaßnahmen oft gut integrieren. Ob sich das rechnet? „Ja“, sagt der süddeutsche Bauberater. „Allein durch die Flexibilität, die durch das Wegfallen der starren Melkzeiten entsteht.“ Denn gerade kleine Betriebe werden im Nebenerwerb geführt und die Betriebsleiter haben zusätzliche Standbeine neben der Milchproduktion. Der Melktechnikhersteller DeLaval beschreibt gegenüber top agrar die Bandbreite der Milcherzeuger, die sich für ein automatisches Melksystem entscheiden: „Unsere Betriebe haben wie beim konventionellen Melken zwischen 20 und 1500 Kühe.“


Viele Betriebe erhoffen sich vom Roboter mehr Flexibilität, weniger Zeitaufwand, mehr Tierkomfort und Entlastung bei der körperlichen Arbeit. „Ein weiteres Argument für den Kauf ist, präzise Daten z.B. zur Tiergesundheit zu erhalten und damit im Herdenmanagement schneller entscheiden zu können“, sagt Ulrich Raßenhövel, Vertriebsleiter bei GEA.


Kein Selbstläufer


Dennoch entscheiden sich einige Roboterbetriebe dafür, künftig wieder im Melkstand zu melken. Ein Grund dafür sind falsche Erwartungen an die automatische Technik. „Eine gewisse Technik-Affinität muss vorhanden sein. Die Tierbetreuung bleibt das A und O. Ein Stall wird niemals von alleine laufen“, stellt Pohlmann klar.


Das bestätigt auch Matthias Schalk, Melktechnikmonteur und -berater für GEA-Technik in Paderborn (NRW): „Mit einem Roboter verändern sich alle Betriebsabläufe. Diejenigen, die ihre Herde mit einem konventionellen Melksystem nicht im Griff haben, werden erst recht an einem automatischen Melksystem scheitern.“ Darüber hinaus ist die mit der Flexibilität verbundene ständige Rufbereitschaft für manche Betriebsleiter belastender als vorher vermutet (siehe Reportagen „Ungeklärte Probleme am Roboter“, Seite R14 und „Die Kosten sind zu hoch“, Seite R16).


Dass das automatische Melken bei einigen Betrieben nicht funktioniert, führt eine Beraterin auf die Kombination aus Landwirten, die mit der Technik nicht zurecht kommen und einer falschen Beratung zurück. Die Melktechnikhersteller bestätigen das: „Es ist wichtig, die persönlichen Wünsche der Betriebsleiter im Vorfeld der Investition zu berücksichtigen. Nur so können wir sicherstellen, dass die Lösung auch zum Betrieb passt“, sagt Raßenhövel von GEA. Eine ausführliche Einführung in ein automatisches Melksystem sei wichtig, um im Nachgang Frust zu vermeiden.


Lieber planbare Arbeit


Und auch die Kosten des automatischen Melkens sind für einige Betriebe ein Grund für den Ausstieg. So auch für Milcherzeuger Jakob Steitz aus Homburg (Saarland). Er will zukünftig im Doppel-18er-Swing-Over melken. „Wir melken seit zehn Jahren mit DeLaval-Robotern und haben eine Leistung von 33,5 kg/Kuh und Tag. Das ist o.k., aber es reicht mir nicht. Schon gar nicht im Verhältnis zu den Kosten in Höhe von 13000 €/Maschine inkl. aller Betriebsmittel pro Jahr“, sagt der 27-Jährige.


Miriam Wilms von der Landwirtschaftskammer (LWK) NRW wertet Betriebsergebnisse von Roboterbetrieben und konventionell melkenden Landwirten aus: „Unsere Erfahrungswerte liegen bzgl. der Technik- bzw. Anlagekosten bei etwa 7000 bis 10000 € Maschinenunterhalt pro Jahr und 10% Afa in Höhe von rund 15000 € (je nach Ausstattung).


Ein genereller Kostenvergleich zwischen konventionellen und automatischen Melksystemen ist aufgrund der vielen betriebsindividuellen Begebenheiten schwierig. Während die LWK Niedersachsen beim AMS auf Mehrkosten in Höhe von 1,5 ct/kg kommt, zeigten Vergleiche bei Betriebszweigauswertungen von 28 AMS-Betrieben mit 55 Gruppenmelkstandbetrieben der LWK NRW beim Robotermelken Mehrkosten von im Schnitt 2,6 ct/kg energiekorrigierte Milch (ECM) bei festen und variablen Kosten. „Es stellte sich aber auch eine Zeitersparnis von rund 10% heraus“, erklärt Wilms.


Für Jakob Steitz ist die gewonnene Zeit nicht der ausschlaggebende Punkt: „Mir ist es lieber, zu wissen, dass ich drei Stunden im Melkstand stehe und danach Feierabend habe, als ständig Rufbereitschaft zu haben und nachts rauszumüssen.“ Der Junglandwirt schließt nicht aus, irgendwann wieder mit einem Melkroboter zu melken. „Bis dahin muss sich an der Art und Weise der Geschäftsbeziehungen zwischen Herstellern und Landwirten allerdings noch etwas ändern“, sagt er.


Guter Service ist wichtig


Denn Melkroboter müssen rund um die Uhr melken. Bei Störungen, die Landwirte nicht selbst beheben können, muss ein Techniker schnell zur Stelle sein. Das ist aber häufig kaum möglich, weil es immer weniger Händler gibt. „Den Strukturwandel, den wir in der Landwirtschaft beobachten, sehen wir genauso bei Händlern“, erklärt ein Berater. Anders sei das bei Lely, behauptet Marketing-Managerin Elke Stühmer: „Wir arbeiten nicht in einem klassischen Händlernetzwerk, sondern in einem Franchisesystem. Das heißt, wir bieten ein flächendeckendes Beratungs- und Servicenetzwerk nach hohen Standards.“ Die Entscheidung für ein Fabrikat fällen Landwirte nicht zuletzt wegen der Verfügbarkeit des Händlers bzw. der Monteure. Viele Milcherzeuger kritisieren aber die Abhängigkeit vom Melktechnikhersteller bei der Ersatzteil- oder Reinigungsmittelbeschaffung. So berichtet ein Milchviehhalter für ein Ersatzteil zu Anfang der Roboterlaufzeit 188 € bezahlt zu haben. Einige Jahre später waren es 388 €.


Eine generelle Empfehlung für das eine oder das andere Melksystem gibt es nicht. „Milchviehbetriebe sind einem schnellen Wandel unterworfen“, sagt der Hersteller DeLaval. „Die Argumente für oder gegen eine bestimmte Technikform können sich von Betrieb zu Betrieb mit der Zeit ändern.“


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kirsten.gierse-westermeier@


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