Ein Kommentar von Berthold Achler, Chefredakteur top agrar
Auf den ersten Blick scheint die Idee interessant: Die 14 Molkerei-Genossenschaften in Schleswig-Holstein sollen ihre Milch in einer neu zu gründenden "Schleswig-Holstein Milch eG" bündeln und so ihre Marktposition stärken, das wünscht sich der Genossenschaftsverband.
Doch bei Licht besehen entpuppt sich dieser Plan als Windei, denn die neue Dachorganisation soll lediglich mit überschüssigen Milchmengen handeln und lästige Milchhändler (Apollo, Fude & Serrahn, etc.) aus dem Markt drängen. Ein zukunftsweisendes Konzept für die Problemregion der deutschen Molkereiwirtschaft ist das nicht. Für die gebeutelten Milcherzeuger in Schleswig-Holstein kommt dabei nichts heraus.
Worum geht es? Schleswig-Holstein hat die schwächste Molkereistruktur und die niedrigsten Milchauszahlungspreise in Deutschland. Insgesamt 17 zumeist kleinere Meiereien teilen sich 2,4 Mio. t Milch. Rund die Hälfte davon wird als Versandmilch gehandelt (Rohmilch, Konzentrat, Rahm), die andere Hälfte wird zu Butter, Pulver und Käse verarbeitet. Von Wertschöpfung und Innovationen keine Spur.
Über Jahrzehnte hinweg haben sich die Meiereien auf der staatlichen Intervention ausgeruht. Während Unternehmen in Süddeutschland, Holland und Dänemark interessante Produktlinien entwickelt und Märkte aufgebaut haben, machten es sich die Norddeutschen auf Butter und Pulver bequem.
Das ist nun vorbei. Brüssel will die Milchpreise nicht länger stützen und fordert von den Molkereien mehr Marktorientierung, Wertschöpfung und Drittlands-Exporte. Viele in der Branche haben das Signal verstanden, die Genossen in Schleswig-Holstein noch nicht.
Dabei könnte es noch dicker kommen. Problem 1: Die starken Markt-Molkereien. Mit der Abschaffung der Milchquote wird der überschüssige Rohstoff aus Schleswig-Holstein möglicherweise nicht mehr benötigt. Denn die gut aufgestellten Molkereien in Süddeutschland, Holland, Dänemark und Frankreich werden reichlich Milch von ihren eigenen Erzeugern bekommen und mit ihren attraktiven Produkten die schwachen Unternehmen aus Schleswig-Holstein aus den Regalen des Lebensmittelhandels drängen. Der Norden könnte große Teile seiner heutigen Milchproduktion verlieren.
Problem 2: Das Biogas. Durch die hohe Einspeisevergütung wird Biogas zum ernsthaften Konkurrenten, insbesondere für schwache Molkereien mit niedrigen Milchpreisen. Die Milch ist gegenüber Biogas erst ab Milchpreisen von 34 \- 36 Cent/kg wettbewerbsfähig. Um wieder konkurrenzfähig zu werden, müssten die Auszahlungspreise in Schleswig-Holstein um 12 \- 15 Cent steigen. Ohne eine deutliche Steigerung der Wertschöpfung wird das kaum zu erreichen sein. Viele Bauern in Schleswig-Holstein wollen offenbar darauf nicht warten. Derzeit werden mehr Biogasanlagen als Kuhställe geplant. Wenn dieser Trend anhält, wird aus dem Milchland Schleswig-Holstein eine Biogas-Region.
Sicher ist: Die geplante Einrichtung eines genossenschaftlichen Milchmakler-Büros mit zusätzlichem Geschäftsführer, Dienstwagen und Mitarbeiterstab wird die Kernprobleme Schleswig-Holsteins nicht lösen. Die geplante "Schleswig-Holstein Milch eG" springt zu kurz. Nur eine glasklare Marktorientierung könnte den Milcherzeugern zwischen Nord- und Ostsee helfen. Das werden auch der Landesbauernverband und insbesondere die Landesregierung noch erkennen, die in großem Umfang Steuergelder in den Versandmilch-Betrieben verbrennt. Es fehlt ein Konzept für die Neuausrichtung der Molkereiwirtschaft in Schleswig-Holstein.
Wer als Milcherzeuger in Schleswig-Holstein langfristig Geld verdienen will, sollte nicht nur große Kuhställe bauen, er sollte sich auch eine leistungsfähige Molkerei suchen, die über eine zukunftsorientierte Absatzstrategie verfügt. Die meisten Meiereien in Schleswig-Holstein zählen nicht dazu.
Weitere Informationen zu den Themen Milchmarkt und Molkereien in top agrar 9/2009.