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Insektenzucht: Start-up ist startklar

Lesezeit: 7 Minuten

Das Start-up „madebymade“ stellt aus Insektenlarven Proteinmehl her. Fällt das Verfütterungsverbot an Schweine, könnten die nachhaltig produzierten Larven künftig Teile des Sojaschrotes ersetzen.


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Insektenburger, Müsliriegel aus Maden oder Pasta aus Mehlwürmern – derzeit wird in der Humanernährung viel über Insekten als alternative Proteinlieferanten gesprochen. Ein für Insektenproteine genauso interessanter Markt ist aber auch die Nutztierfütterung. Seit einiger Zeit darf das Insektenmehl nämlich wieder an Fische und Haustiere verfüttert werden. Und bald wahrscheinlich auch an Geflügel und Schweine. Denn Studien der Universität Göttingen zeigen, dass Insektenmehl aus ernährungsphysiologischer Sicht unter bestimmten Voraussetzungen als Futtermittel für Masthähnchen, Ferkel und Mastschweine geeignet ist.


Zuchtanlage für Insekten


Einer der ersten Akteure, der in Deutschland Insekten im großen Stil züchten möchte, ist das Start-up „madebymade“ aus Leipzig. Die Gründer Kai Hempel und Dr. Jonas Finck haben in einer alten Pelletieranlage einer örtlichen Agrargenossenschaft eine Zuchtanlage für eins der in Deutschland bislang als Nutztier zugelassenen Insekten gebaut: die Schwarze Soldatenfliege. Sie legt Eier, aus denen proteinreiche Larven schlüpfen. Diese werden herangezogen, gemästet und anschließend getrocknet und zu Mehl verarbeitet. „Wir wollen mit unserem innovativen Projekt eine nachhaltige Alternative zu Fisch- und Sojamehl schaffen“, sagt Kai Hempel.


Bislang zählen der Proteingroßhandel und Futtermittelproduzenten für Heim- und Haustiere sowie für Aquakulturen zu seinen Kunden. Wenn es nach madebymade geht, könnten bald auch Unternehmen und Betriebe aus der Agrar- und Ernährungswirtschaft hinzukommen. Dafür müssten aber entsprechende Produktionskapazitäten gebaut werden. Denn obwohl die Insektenzucht auch hierzulande schon von einigen Akteuren betrieben wird, fehlt noch ein übertragbares Konzept zur Zucht der Tiere im industriellen Maßstab.


Großes Marktpotenzial


Dass sich die Produktion lohnen kann, zeigt sich bei einem Blick auf die Preise. Der Marktwert von Insektenmehl ist innerhalb weniger Jahre von 2000 € je t auf derzeit 5000 bis 6000 € pro t angestiegen. Zum Vergleich: Eine Tonne Weizen liegt derzeit bei rund 160 €. Eine Tonne Sojaschrot bekommt man für 345 €.


Die beiden Jungunternehmer sehen für ihr Produkt großes Marktpotenzial. „Bis 2050 fehlen rund 280 Mio. t Proteine auf der Welt“, sagt Kai Hempel. „Der Markt ist riesig!“ Und je größer der Anteil nachhaltig erzeugter Proteine daran wird, desto größer ist auch der Effekt auf Klima und Umwelt.


Im ersten Schritt haben Kai Hempel und Jonas Finck eine Art Stallbaukonzept für die Schwarze Soldatenfliege entwickelt. Ihre Anlage soll dann später in einem Franchisesystem verkauft werden. Interessierte können sie für einen mittleren einstelligen Millionenbetrag kaufen und betreiben. „Sie rentiert sich nach etwa drei Jahren“, sagt Hempel. Es besteht aber auch die Möglichkeit, sich individuell daran zu beteiligen.


Die gesamte Technik muss in geschlossenen Räumen von mindestens 2500 m² stehen. Und es müssen große Mengen verfütterbare Reststoffe vorhanden sein. Außerdem sollte eine ergiebige Wärmequelle wie etwa eine Biogasanlage oder eine Zellstofffabrik in der Nähe sein.


Die kleinste madebymade-Anlage kann künftig 1,8 t Proteinmehl pro Tag herstellen. Die Anlage läuft 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche. Ein Mitarbeiter muss tagsüber vor Ort sein, da jeden Tag „geerntet“ wird. „Das Konzept ist standortunabhängig und modular aus alten Schiffscontainern aufgebaut“, erklärt Kai Hempel. „Nach oben kann frei skaliert werden.“


Wichtig ist auch, um die entstehenden Anlagen herum möglichst nachhaltige Kreisläufe aufzubauen. Das betrifft vor allem die Inputstoffe und die Energieversorgung der Anlage. Pro Tag müssen 18 t Input, also Futter für die Maden, angeliefert werden.


Verfüttert werden organische Reststoffe aus dem Handel oder der Industrie, die sonst häufig auf Deponien oder Komposthaufen landen. Küchen- und Speiseabfälle oder gar Gülle zu verfüttern, ist allerdings streng untersagt. „Anfangs dachten wir, genug Input zu finden, könnte ein Problem werden. Aber überall sind so viele Reststoffe vorhanden. Allein hier um Leipzig herum fällt so viel an, dass wir viermal so viel produzieren könnten“, so Hempel.


Vier Prozessschritte


In der Pilotanlage wächst die Schwarze Soldatenfliege in drei verschiedenen Containermodulen mit jeweils eigenen klimatischen Bedingungen. Obwohl die Tiere recht anspruchslos in der Aufzucht sind, liegt die Herausforderung darin, die Prozesse technologisch aufeinander abzustimmen. „Nicht alles, was im Labor funktioniert, klappt auch im Industriemaßstab“, sagt Kai Hempel. „Im Labor lässt sich die Temperatur z.B. auf die Nachkommastelle genau regeln. Die Industrieanlage können wir gerade einmal auf 1 bis 3°C genau einstellen.“ ▶


Alles startet mit der Fliegenzucht (siehe Übersicht). Die Tiere leben hier zehn bis 14 Tage lang bei 30°C Temperatur. Dann legt jede weibliche Fliege einmalig ein Gelege aus rund 400 bis 800 Eiern. Danach stirbt sie. Kai Hempel erklärt: „Die männlichen und weiblichen Fliegen werden zusammen gehalten. Sie haben ein Paarungs- und Balzverhalten, zeigen Territorialverhalten und stellen Ansprüche an die Umgebung. Erst wenn das alles funktioniert, paaren sie sich!“ madebymade nutzt bislang eine Wildpopulation der Fliege. „Die eigentliche Zucht wird aber langsam interessanter“, so Hempel. „Wir versuchen, dass die Larven schneller wachsen, sich in andere Proteinbereiche weiterentwickeln oder die Fliegen mehr Eier legen.“


Danach geht es für die gelegten Eier in die Aufzuchtstation. Hier schlüpfen die neuen Larven nach fünf Tagen. Innerhalb der Aufzucht bleiben die Larven in einer Art Ordnungssystem aus Kisten. Jeden Tag schlüpfen neue Larven. Sie bleiben unter sich, unterscheiden sich kaum in ihrer Größe und müssen nicht sortiert werden.


Nach den fünf Tagen kommen die Larven dann in die Mast. Hier werden die Jungtiere aus der Aufzucht in große, sogenannte Mastpfannen umgestallt bzw. gesetzt. Diese sind mit einem Futtersubstrat gefüllt. Nach 12 bis 14 Tagen haben sie das matschige Substrat komplett zu einem trockenen, fast geruchlosen Pulver zersetzt und sind zu stattlichen Maden herangewachsen. Während der Mast durchlaufen die Tiere verschiedene Temperaturstadien und müssen mal gekühlt und mal gewärmt werden.


Sind die Tiere erntereif, wird der Inhalt der Mastschalen in ein Sieb gekippt, um die Maden und die pulvrigen Ausscheidungen voneinander zu trennen. 5% einer Tagesproduktion Maden gelangen wieder in die Reproduktion, wo sie sich nach weiteren 14 Tagen zur Fliege entwickelt haben. Der Rest geht in die Verarbeitung.


In der Verarbeitung werden die Maden getrocknet und entfettet. Das Endprodukt ist ein Pulver mit 45 bis 55% Proteingehalt und einem Restfettgehalt von maximal 8%. „Als Nebenprodukte vertreiben wir getrocknete Larven, extrahierte Fette, lebende Larven und die Ausscheidungen der Maden als Bodenverbesserer“, beschreibt Kai Hempel die Situation.


Vorsprung dank Know-how


Was sich zunächst einfach anhört, ist kompliziert. Und wer denkt, er könne selbst eine Anlage aufbauen, der täuscht sich. Davon jedenfalls sind die Gründer überzeugt. „Selbst wenn jetzt jemand mit ganz viel Geld käme, kann er so schnell nicht aufholen, was wir bereits an Erfahrungen gesammelt haben“, sagt Kai Hempel. Wie muss die Eiablage beschaffen sein, damit die Muttertiere sie annehmen, aber sie sich dennoch ins Gesamtsystem der Anlage einfügen lässt? Wie schafft man es, dass die Larven nicht aus den Mastpfannen klettern? Wie gelangt die Nachzucht in die Reproduktion? Welche Anzahl Tiere wächst bei welcher Temperatur und auf welchem Inputstoff am besten? „Alles Fragen, die man erst klären kann, wenn man mit dem System arbeitet“, betont Kai Hempel. „Dafür muss man viele Erfahrungen sammeln.“


Eva Piepenbrock


marcus.arden@topagrar.com


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Dieser Artikel erschien zuerst in „f3 – farm. food. future.“

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