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„30% Bio sind ambitioniert, aber nicht unerreichbar“

Lesezeit: 7 Minuten

Bayern will bis 2030 auf einen Bioflächenanteil von 30% kommen, Baden-Württemberg auf 35%. Wie realistisch sind die Ausbauziele? Und wovon hängt es ab, dass sie erreicht werden? Südplus sprach darüber mit dem Naturland-Präsidenten und LVÖ-Vorsitzenden Hubert Heigl.


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Herr Heigl, Bayern will den Ökolandbau bis 2030 auf 30% ausbauen. Das entspräche einem Zuwachs von 546000 ha bzw. 50000 ha pro Jahr. Ist das Ziel überhaupt realistisch?


Hubert Heigl: Es ist ambitioniert und auf gewisse Weise auch visionär, aber es ist nicht unerreichbar. Als 2012 der damalige Landwirtschaftsminister Helmut Brunner die Initiative BioRegio Bayern 2020 startete, dachte auch niemand, das wir bis 2020 die angekündigte Verdoppelung schaffen – sie ist erreicht worden. Mit der Übernahme ins Naturschutzgesetz hat die Verfolgung dieses Zieles ja Gesetzescharakter in Bayern. Ich sehe es als riesige Chance für Bauern in Bayern, mit dem Ökolandbau ihre Höfe zu erhalten.


Von 2019 auf 2020 halbierte sich das Wachstum gegenüber den Vorjahren. Es kamen in Bayern nur 15000 ha Biofläche dazu. Was war das Problem?


Heigl: In den Jahren 2017 bis 2019 gab es eine große Umstellerwelle. Natürlich ist es so, dass dann die Produkte mit Verzögerung auf den Markt kommen. Und der Markt muss diese Mengen nach großen Wachstumsschritten erst verdauen.


Ende 2019 kamen dann Signale vom Markt in Richtung Molkereien, keine neuen Betriebe aufzunehmen. Die Vorsicht hat die Oberhand gewonnen, deshalb kam diese Verzögerung zustande. Wir wollen ja schließlich keine Überhitzung am Markt, weil dann die Preise unter Druck geraten und den Bauern ein Stück weit die Zukunft genommen wird. Zudem gab es zögerliche Signale aus der Politik hinsichtlich der Kombinierbarkeiten der Maßnahmen beim Kulturlandschaftsprogramm.


Wie hoch liegt aktuell der Selbstversorgungsgrad mit bayerischen Bioprodukten, z.B. für Eier, Milch oder Getreide?


Heigl: Es gibt keine Daten zum Selbstversorgungsgrad mit bayerischen Ökoprodukten. Es ist auch nicht sinnvoll, Bayern losgelöst vom deutschen Markt zu betrachten. Ich kann aber sagen, dass wir seit Anfang der 90er-Jahre einen Ökobetrieb mit Ferkelerzeugung und Ackerbau haben. In diesen 30 Jahren gab es immer einen Nachfrageüberhang, was aus Erzeugersicht sehr positiv ist. Kurzzeitig sind wir Richtung Sättigung gegangen, aber wir hatten nie einen Angebotsüberhang.


Je nach Situation bremsen wir ein bisschen in der Umstellerphase und dann geben wir wieder Gas, bis sich der Markt wieder erholt hat. Es ist immer eine Entwicklung: Der Markt zieht an und wir füllen auf. So habe ich das in den letzten 30 Jahren erlebt. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das auch so weitergeht.


In welchen Produktbereichen ist aktuell die Nachfrage so hoch, dass Landwirte ohne allzu großes Risiko umstellen können?


Heigl: Momentan kann man sagen: Der Fleischbereich ist im totalen Nachfrageüberhang, gerade im Schweinebereich, da suchen wir jedes Kilo Schweinefleisch oder Schwein wie die Nadel im Heuhaufen. In der Ferkelerzeugung braucht man dringend Betriebe, die das Defizit auffüllen. In der Milch gibt es jetzt aktuell wieder ein sehr positives Bild. Die Molkereien lösen die Handbremse, weil man sich um die Rohstoffknappheit sorgt.


Der Markt für tierische Produkte wie Milch, Fleisch und Eier wächst eigentlich ständig. Das gilt auch für Geflügelfleisch. Selbst bei den Bruderhähnen können wir die Nachfrage nicht erfüllen.


Die Biogetreidepreise waren aber seit 2017 rückläufig. Wie schätzen Sie hier die weitere Entwicklung ein?


Heigl: Getreide war tatsächlich in den letzten Jahren das Sorgenkind. Wir hatten bis 2017 Preissteigerungen, seitdem geht es wieder zurück auf den Stand von 2012. Das ist aus Sicht der Bauern nicht erfreulich.


Aktuell sehe ich wieder eine gewisse Trendumkehr. Die Futtermittelpreise ziehen an, auch die Preise von Speiseware bei Roggen und Weizen steigen wieder. Dinkel ist ein Sonderfall, der hat sich in den letzten Jahren als Goldwährung erwiesen.


Ausschlaggebend war, dass in den Phasen, in denen die Getreidepreise mal weiter oben waren, es gerade in den Ackerbaugebieten eine verstärkte Umstellung gab. Das betraf auch Zuckerrüben und Kartoffeln, da haben wir aber eine starke Nachfrage.


Die Sorgen, dass der Markt nicht geräumt werden kann und Ware konventionell verkauft werden muss, hat sich Gott sei Dank nicht bestätigt. Aktuell ist es so, dass Getreide wieder knapp ist. Von daher bin ich ganz froh, dass sich der Markt so beruhigt und diese Mengen aufgenommen hat.


Was sind die wichtigsten Ansatzpunkte, um speziell in Bayern die Nachfrage zu steigern?


Heigl: Wir brauchen weiterhin das positive Bild der Leistungen des Öko-Landbaus, die sozusagen mit dem Kauf der Produkte mitgeliefert und mitbezahlt werden: also die Leistungen im Umwelt- und Klimaschutz und beim Tierwohl. Da arbeiten die Verbände mit einer starken Markenbildung dran. Das war bisher sehr erfolgreich, wenn man die Entwicklung der Umsätze anschaut. Im letzten Jahr hatten wir bundesweit über 20% Umsatzsteigerung bei Bioprodukten.


Ein großes Potenzial sehe ich bei der Außer-Haus-Verpflegung. Wir sind als Ökobranche auf diesem Markt bisher kaum vorhanden. Das hat uns jetzt in Coronazeiten nicht geschadet, weil die Außer-Haus-Verpflegung fast keine Rolle mehr spielte.


Die Außer-Haus-Verpflegung wird aber wieder zunehmen.


Heigl: Das ist richtig. Deshalb müssen wir mit unseren Produkten mehr in die Außer-Haus-Verpflegung, in die Kantinen und in die Gaststätten reinkommen. Das ist ein großer Markt und wir müssen das Bewusstsein schaffen, dass beim gemeinsamen Essen in der Betriebskantine ein gewisser Mehrpreis für Ökoprodukte gerechtfertigt ist.


Der Staat hat hier eine wichtige Vorbildfunktion zu erfüllen. Ein erster Schritt war der Beschluss des bayerischen Kabinetts, künftig in staatlichen Kantinen 50% regionale und ökologische Produkte einzusetzen.


Beziehen sich die 50% nicht in der Summe auf regional und öko?


Heigl: Unsere Forderung lautet 30% Ökoanteil in den Kantinen des Freistaates, analog zum Ausbauziel. Regionalität ist wichtig, aber auf die ökologische Qualität kommt es an. In der Folge würden wir dann unser Angebot auf die Kommunen und die Wirtschaft ausweiten und damit die Qualität und Nachhaltigkeit ihres Essensangebotes steigern.


Was tut Bayern sonst noch, um die Nachfrage nach Bioprodukten zu erhöhen, wo gibt es noch Nachholbedarf?


Heigl: Die Initiative BioRegio Bayern 2030 enthält weitere gute Ansätze. Es verstetigt die Förderung der Öko-Modellregionen in Bayern, was die regionalen Wertschöpfungsketten voranbringt. Ein weiteres Instrument ist das angekündigte Ökoboard, wobei es jetzt auf die Umsetzung ankommt. Das Ökoboard soll die Marktseite stärker beleuchten.


Wichtig wäre es, mehr Marktdaten zu erfassen, auch zu den Erntemengen. Das Ökoboard sollte zudem herausarbeiten, welche Preise die Betriebe benötigen, um den Ökolandbau wirtschaftlich betreiben zu können.


Wenn bis 2030 tatsächlich jeder dritte Betrieb nach Ökorichtlinien wirtschaftet, dann brauchen wir in der Berufsausbildung, in der landwirtschaftlichen Fortbildung und in der staatlichen Beratung die entsprechenden Kapazitäten und das Wissen. Und im Forschungsbereich muss jeder dritte Euro in Projekte zum Ökolandbau eingesetzt werden.


Die Verhandlungen über die neue GAP befinden sich gerade auf der Zielgeraden. Welche Rolle spielt deren Ausgestaltung für die Ausbauziele?


Heigl: Wenn wir die Problematik Doppelförderung Agrarumweltmaßnahmen und Eco Schemes nicht lösen, kann deren Umsetzung für den Ökolandbau nach hinten losgehen. Wenn also Ökobetriebe einen Großteil der Maßnahmen nicht nutzen können und dann aufgrund der Doppelförderungs-Problematik in der zweiten Säule auch noch mit einer geringeren Prämienzahlung ab 2023 bzw. nach der Lernphase ab 2025 hinausgehen, dann wäre das ein fatales Signal in Richtung Bauern. Wenn wir z.B. mit 30 oder 40% weniger Förderung aus der Reform gehen, wäre das für mich der Super-GAU. Dann wird uns kein Landwirt, der sich mit dem Gedanken zur Umstellung trägt, mehr ernst nehmen.


Was fordern Sie?


Heigl: Eco-Schemes müssen für den Ökolandbau voll nutzbar sein. Und wir brauchen eine angemessene Prämienhöhe in der zweiten Säule. Durch den mehrjährigen Systemansatz erbringt der Ökolandbau deutlich mehr Leistungen als einjährige Eco-Schemes.Auch der Aufwand bei mehrjährigen Maßnahmen ist höher. Das muss auch weiterhin honoriert werden.


Alles, was wir an Prämien kürzen, müssen wir ja über den Marktpreis letztlich erwirtschaften. Bei größerem Preisabstand hätten wir ein Problem, weil dann die Marktgesetze wirken. Und da gibt es bei den Verbrauchern Grenzen bei der Preistoleranz.


Das Zeichen, das die Politik jetzt mit der GAP-Reform aussendet, muss ein deutliches Signal für den Ökolandbau enthalten. Denn sonst werden wir das Ausbauziel nicht erreichen. Hier ist die Politik in der Pflicht.


klaus.dorsch@topagrar.com

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