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Ein Kuhstall für drei Milchviehhalter

Lesezeit: 7 Minuten

Statt aufzugeben, haben drei Milchviehhalter aus Franken gemeinsam einen Stall für 150 Milchkühe gebaut. Die Investition bietet den Partnern soziale Vorteile und eine wirtschaftliche Perspektive.


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Welche Landwirtsfamilie kann das schon: beruhigt in den Urlaub fahren, regelmäßig ein Wochenende frei haben, die Verantwortung bei schwierigen Entscheidungen auf mehrere Schultern verteilen? Mehr Lebensqualität – für Sebastian Wagner, Martin Bauer und Richard Fleischmann aus Gustenfelden im Landkreis Roth war das ein wichtiger, aber nicht der einzige Grund, sich zur Landmilch GbR zusammenzuschließen und gemeinsam in einen Stall zu investieren.


Vor knapp zwei Jahren haben sie ihren Stall für 150 Milchkühe am Ortsrand von Gustenfelden bezogen. Ihr Fazit bisher: Es gibt noch Optimierungspotenzial, aber der Weg ist der richtige.


Warnungen im Vorfeld


„Gibt nur Streit“, „rechnet sich nicht“, „wenn es auseinandergeht hat man den Schlamassel“ – so die Einschätzung vieler Landwirte beim Thema Gemeinschaftsstall. Und Sebastian Wagner streitet das nicht ab: „So etwas funktioniert nicht überall. Das muss für die Ortschaft passen, da müssen die Kollegen zusammenpassen.“


Die drei Landwirte arbeiten seit 17 Jahren in einer Maschinengemeinschaft zusammen und kümmern sich gemeinsam um die Außenwirtschaft ihrer Betriebe. Vor vier Jahren schafften sie einen Futtermischwagen an, weil das jedem Betrieb Zeit und Kosten spart.


Während viele Kooperationen auf dem Papier entstehen, hat sich die Landmilch GbR über die Jahre aus der täglichen Zusammenarbeit heraus entwickelt: Die Partner sind vertraut mit ihrer Arbeitsweise, mit ihren Stärken und Schwächen und mit ihren beruflichen und privaten Prioritäten.


Gemeinsam war allen Altbetrieben, dass ihre in die Jahre gekommenen Ställe – teilweise mit Anbindehaltung – in der Ortschaft keine Zukunft hatten.


Richard Fleischmann (49) wollte deshalb mit der Milchviehhaltung ganz aufhören: „Wir haben überlegt, was wir machen könnten, aber eine halbe Million für einen Stallumbau in die Hand nehmen – das wollte ich nicht“, sagt der gelernte Maschinenschlosser. Neben der Milcherzeugung vermarktet er Fleisch und Eier seiner 600 Hühner und 80 Gänse auf dem Wochenmarkt und ab Hof.


Agraringenieur Martin Bauer (33) hatte seine Diplomarbeit über landwirtschaftliche Kooperationen geschrieben. Seither war klar, dass ein Stallneubau für ihn nur in Form einer Kooperation infrage kommt.


Sebastian Wagner (32) hingegen hätte seine Milchviehhaltung gerne vergrößert. Sein wichtigstes Betriebsstandbein ist die eigene Hofmolkerei, die mit mehr eigener Milch besser ausgelastet wäre. Daneben betreibt er noch einen Hofladen und hält Legehennen sowie Gänse und Puten. Sein Problem: Für einen größeren Stall hätte ihm schlichtweg die Zeit gefehlt.


Getrennte Zuständigkeiten


Ein großer Stallneubau statt drei kleinerer – dadurch verringern sich nicht nur die Kosten pro Kuhplatz. Der Kompostierungsstall, der an den Ortsrand von Gustenfelden ausgesiedelt wurde, erlaubt eine weitgehende Automatisierung und eine klare Trennung der Zuständigkeiten.


Sebastian Wagner kümmert sich um die Fütterung. Das Futtermischen kann er zeitlich unabhängig erledigen, sodass sich dieser Bereich gut mit den anderen Betriebsstandbeinen und seinem Familienleben vereinbaren lässt.


Richard Fleischmann ist zuständig für das Kompostmanagement. Mit dem täglichen Fräsen der Kompostmatratze sowie der Beschaffung der Einstreukomponenten ist er damit stärker an den Stall gebunden als Wagner.


Den arbeitsintensivsten Bereich hat Martin Bauer übernommen: Er verantwortet das gesamte Kuhmanagement sowie die Kälberversorgung bis zum Ende der Säugephase. Die abgesetzten Jungtiere werden bis zum Verkauf oder zur ersten Geburt auf die Altbetriebe verteilt und dort von den jeweiligen Familien versorgt.


Das Melken erledigen zwei Roboter der Marke Lely. Mittelfristig soll auch ein selbstfahrender Futtermischwagen das Füttern übernehmen.


Grundlohn plus Gewinnanteil


Um das unterschiedliche Engagement der drei Landwirte im Stall gerecht zu entlohnen, wurde anhand von KTBL-Faustzahlen der Arbeitszeitbedarf pro Kuh und Jahr in Stunden ermittelt. Jeder der drei Landwirte enthält gemäß seiner geleisteten Arbeitsstunden einen Grundlohn, der mit einem entsprechenden Gewinnanteil ergänzt wird.


„Derzeit ist das noch ein wenig schwierig, weil wir ja neu angefangen haben. Wir müssen jetzt die Investitionen irgendwie reinbringen, da ist aktuell noch kein so großer Rückfluss da“, meint Martin Bauer.


Trotzdem ist der neue Stall auf einem guten Weg. Die Tiergesundheit hat sich deutlich verbessert und die Milchleistung ist gestiegen. Zur Wirtschaftlichkeit trägt auch der höhere Milchpreis bei, den die Hofmolkerei Wagner der Landmilch GbR zahlt: Von den rund 100000 kg Milch pro Monat, die im Stall produziert werden, nimmt Wagner der GbR so viel Milch, wie er selbst verarbeiten kann, zum Preis von 40 ct pro kg ab.


Die restliche Milch liefert die GbR an die Molkerei Zott.


Mittelfristig werden die drei Landwirte bei gleicher Arbeitsbelastung mehr mit der Milchviehhaltung verdienen als vorher und dabei gleichzeitig die Flexibilität haben, ihre anderen Betriebsstandbeine weiterzuentwickeln.


Freie Wochenenden


Und auch die nichtgeldlichen Vorteile haben einen hohen Wert. „Am Wochenende sind immer zwei von uns da. Einer hat dann komplett frei, und das wechselt sich dann wöchentlich ab“, erklärt Richard Fleischmann.


Die Urlaubsplanung läuft nach dem gleichen Prinzip: Wer Urlaub braucht, meldet ihn rechtzeitig an, damit sich die anderen darauf einstellen können.


Und wenn es mal grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten gibt? „Ein guter GbR-Vertrag ist wichtig, damit alle Eventualitäten geregelt sind“, sagt Sebastian Wagner. „Es geht dabei nicht nur um Streit, sondern auch um Themen wie Unfall oder Berufsunfähigkeit“, fügt Martin Bauer hinzu. Juristisch sei das immer so ausgerichtet, dass der Betrieb geschützt ist und weiter wirtschaften kann. „Um als Gesellschaft in der Landwirtschaft im Außenbereich bauen zu können, braucht man nun mal die Rechtsform GbR.“ Und da hafte jeder mit seinem Privatvermögen – das dürfe man nicht vergessen.


Aber auch der beste Vertrag kann die Voraussetzung für einen erfolgreichen Gemeinschaftsstall nicht ersetzen: Teamfähigkeit, Toleranz und Kompromissfähigkeit.


„Wir gehen in der Früh in den Stall, dann setzen wir uns eine halbe Stunde zusammen und trinken einen Kaffee, und dabei wird dann schon auch kritisch über die Arbeit gesprochen. Das ist wichtig“, meint Sebastian Wagner. „Wenn man sich nicht sagt, was einen stört, dann weiß der andere ja nicht, dass etwas nicht passt und kann das dann auch nicht ändern.“


In Gustenfelden kommt der Gemeinschaftsstall gut an: Mit seiner außergewöhnlich hohen Direktvermarkterdichte ist das Vertrauen der Kundschaft in die landwirtschaftlichen Produkte für das Dorf ein wichtiger Faktor, und dazu trägt der Freilaufstall mit seinem hohen Kuhkomfort bei.


Und dass weniger Güllefässer und Landmaschinen durchs Dorf gefahren werden, entspannt die Wohnsituation der Gustenfeldener zusätzlich. Pachtflächen für den neuen Stall zu bekommen, so Wagner, war jedenfalls kein Problem.


nächste Generation zieht mit


Auch die Familien der drei Landwirte tragen die Entscheidung mit. Zwar musste jeder Teilhaberbetrieb die Hälfte seiner Flächen an den neu zu gründenden Betrieb abgeben, damit sich das Vorhaben förderrechtlich abbilden ließ. Aber für die erwachsenen Kinder von Richard Fleischmann ist das Modell so attraktiv, dass sie bereits über einen Einstieg nachdenken.


„Dieser Stall – der ist jetzt erst einmal für uns“, sagt Sebastian Wagner. „Das Grundstück, auf dem er steht, gehört dem Richard. Wir haben in Erbpacht gebaut, und die läuft 33 Jahre, also so lange, bis der Letzte von uns in Rente geht. Und wie es danach weitergeht? Wir haben das so geregelt, dass alles kann, aber nix muss“.


Christiane Kretzer


klaus.dorsch@topagrar.com

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