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Stall und Acker: Digital mit Augenmaß

Lesezeit: 9 Minuten

Gesundheitsprobleme im Stall früh erkennen, den Kuhkomfort verbessern, auf dem Acker punktgenau säen und düngen – aber dabei stets die Kosten im Blick behalten. Nach dieser Strategie setzt die Familie Eiskamp gezielt digitale Technik ein.


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Wenn ich mir morgens bei einer Tasse Kaffee die Grafiken mit den wichtigsten Werten der frischmelken Kühe ansehe, erkenne ich Gesundheitsprobleme wie Ketosen oder Labmagenverlagerung oft sehr viel früher als im Stall“, sagt Florian Eiskamp. Der 29-jährige Landwirt führt den Betrieb zusammen mit seinem Bruder Christoph (27) und Vater Frieder (61). Seit einiger Zeit nutzen die Eiskamps unter anderem Sensordaten vom Melkroboter (AMS) und den Halsbändern der Kühe.


Wir wollten wissen, welche Erfahrungen die Praktiker mit diesen und anderen digitalen Systemen gemacht haben und besuchten sie im Rahmen unserer losen Digital-Reportagereihe.


Familie Eiskamp bewirtschaften einen Betrieb in Harpstedt, Landkreis Oldenburg mit rund 140 Kühen, Nachzucht, Biogasanlage sowie ca. 450 ha Fläche. Die vor allem leichten und wechselnden Böden teilen sich in 50 ha Grünland, 280 ha Mais, 100 ha Wintergetreide sowie Grassamen- und Raps-Vermehrung.


Florian und Christoph haben eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert. Christoph hatte zuvor eine Lehre zum Landmaschinenmechaniker abgeschlossen und besuchte abschließend die landwirtschaftliche Fachschule. Florian schloss an seine Ausbildung ein Studium in Göttingen an. Vater Frieder ist voll mit im Betrieb, seine beiden Söhne haben eine klare Aufgabenteilung: Florian kümmert sich um den Stall, die Photovoltaik und arbeitet gerade an einer Batteriespeicherlösung. Christoph ist für den Ackerbau verantwortlich und beschäftigt sich gerade intensiv mit den Ideen der regenerativen Landwirtschaft. Alle drei Eiskamps können sich gegenseitig vertreten, so dass Freiräume möglich sind. Neben der Familie gibt es einen festangestellten Mitarbeiter im Ackerbau und der Werkstatt, sowie Aushilfen zum Ackern und im Stall. Der Azubi Johannes Brandt rundet das Team derzeit ab.


Die Eiskamps arbeiten gerne in der Werkstatt und kümmern sich über den Winter um ihre (Gebraucht-)Maschinen – Motoren- und Getriebereparaturen inklusive. Wichtig dabei: Die Abläufe im Betrieb und auf dem Feld haben immer Prio, in die Werkstatt gehts nur, wenn es die Zeit erlaubt.


Bisher ist der Betrieb noch nicht ans Glasfasernetz angeschlossen. Die Leerrohre liegen, allerdings sind die Landwirte skeptisch, ob der Anschluss noch in diesem Jahr klappt.


Die Netzabdeckung beim Mobilfunk ist gut. Überall steht LTE zur Verfügung, das Mobile-RTK auf dem Acker ist stabil.


Roboter schafft Freiräume


Seit März 2020 sind zwei Lely Astronaut A5 im Einsatz. Vorher haben die Eiskamps mit einem 2x4 Autotandem gemolken. Mit den Robotern wurden Herde bzw. Stallplätze verdoppelt. Florian Eiskamp berichtet uns, dass mehrere Gründe den Ausschlag für den Roboter gaben: „Wir wollten weg von den festen Melkzeiten und mehr Möglichkeiten für die Tierbeobachtung schaffen. Und dabei sollte die digitale Technik unterstützen. Möglichst viele Daten zu erheben, war ein Ziel unserer Planung.“


Der Roboter ermittelt Melkzeit und Milchmenge, die Milchtemperatur sowie die Leitfähigkeit für jedes Viertel getrennt. Dazu kommen die Farbe und einmal pro Tag die Zellzahl sowie das Eiweiß/Fettverhältnis. Das Halsband der Kühe meldet das Fress- und Wiederkauverhalten sowie die Brunstaktivität.


Wichtig ist nach Erfahrungen von Florian Eiskamp, dass man sich intensiv mit den Daten auseinandersetzt. Bei ihm gehört das jeden Morgen zur Arbeitsroutine. Seit knapp einem Jahr beschäftigt er sich mit dem Thema und hat gelernt, die Daten zu interpretieren: Ändern sich das Fressverhalten oder das Wiederkauen, gehen Zellzahlen oder Leitfähigkeiten hoch, kann er heute schneller reagieren. Das zeigt sich unter anderem in einem geringeren Einsatz von Antibiotika, bzw. Trockenstellern. Zusätzlich trennt er sich konsequent von Tieren mit chronischen Euterproblemen und legt großen Wert auf Kuhkomfort und Hygiene.


Eiskamp ist außerdem ein Testbetrieb bei der Entwicklung des Managementprogramms Horizon von Lely. Ziel des digitalen Systems ist es u.a., die Daten des AMS gezielter auszuwerten. Dafür stellt der Betrieb die Daten zur Verfügung und gibt auch Feedback zu den Parametern. Besteht z.B. der Verdacht einer Ketose, gibt der Landwirt die Messwerte eines Tests in das System ein. Er hat kein Problem damit, dass die Daten seiner Tiere verarbeitet werden: „Ich finde, alle Kuhhalter haben etwas davon, wenn man diese Entwicklungen unterstützt und das System Gesundheitsprobleme automatisch erkennen kann.“ Ein weiteres Element sind selbstlernende Komponenten des Programms, bspw. die Optimierung der Euterbürste des Roboters. Die künstliche Intelligenz (KI) erkennt die Präferenzen der jeweiligen Kuh und versucht, über unterschiedliche Dauer des Anrüstens die Milchkurve zu optimieren.


Über das Programm kann sich der Praktiker auch Pushnachrichten aufs Handy schicken lassen, wenn die Werte der Kuh bestimmte Alarmschwellen überschreiten. Um aber nicht ständig abgelenkt zu werden, erhält Florian Eiskamp nur einen Hinweis, wenn die Kuh sehr inaktiv ist oder in die Brunst kommt. ▶


saubere Laufflächen


Ein weiterer Einsatzbereich für digitale Technik im Stall ist der Saugroboter. Durch die Erweiterung des Stalls wechselt der Boden von Spalten auf planbefestigt im neu gebauten Teil. Wegen der Klauengesundheit wollen die Eiskamps die Flächen möglichst trocken halten. Sie haben sich deshalb für den Saugroboter und bewusst gegen eine Schieberanlage entschieden, die ohnehin schwer in den erweiterten Stall zu integrieren gewesen wäre.


Die Maschine versorgt den Stallbereich der melkenden Kühe und fährt auch zu den Trockenstehern. Dazu muss der Roboter den Stall am Giebel verlassen und auf der anderen Seite des Futtertischs wieder hereinfahren.


Die Maschine orientiert sich nach der Wegstrecke (Radumdrehungen) und hat zusätzlich zwei Ultraschallsensoren sowie ein Gyroskop an Bord. Wichtig sind eine präzise Routenplanung und das Anpassen einiger Stallbereiche. So wurden z.B. Bereiche unter den Tränken, wo sich der Roboter festfahren könnte, zubetoniert. Beim Einrichten haben die Eiskamps die Route zusammen mit dem Servicetechniker mehrmals optimiert. Christoph Eiskamp findet, dass man sich schon intensiv mit solchen Systemen beschäftigen sollte, um nachher ein optimales Ergebnis zu erreichen. Heute verfährt sich der Robbi maximal alle paar Wochen und lässt sich per Handy-App und Zeigefinger auf dem Touchscreen einfach auf den richtigen Pfad zurückbringen. Auch die Einsatzplanung – also die Zeiten, wann der Roboter welchen Bereich reinigen soll – lassen sich einfach in der App einstellen. Vorteil: Die Maschine kommt ohne eine separate Bedieneinheit aus, die Kommunikation läuft per Bluetooth.


Der Betrieb füttert eine Kompakt-TMR. Die Waage am Mischwagen ist bisher nicht in ein digitales System integriert. Aber jeder, der den Futtermischer befüllt, kann die aktuelle Ration per Handy über die kostenlose Cloud Google Drive abrufen. Hier ist eine einfache Excel-Datei gespeichert, die der Futterberater erstellt hat. Weil es nur diese Tabelle gibt, ist sie immer auf dem aktuellen Stand.


Früher erhielt das Team die Ration als Foto per WhatsApp. Nachteil: Nach Änderungen waren unterschiedliche Versionen im Umlauf. Heute ist es deutlich übersichtlicher. Eventuell würde sich Florian Eiskamp beim nächsten Futtermischwagen für eine Fütterungsapp wie CowConnect oder Fodjan entscheiden. Allerdings spricht für die aktuelle Lösung, dass sie einfach ist und nichts kostet.


Den Messenger WhatsApp setzt der Betrieb übrigens nur begrenzt ein. Frieder Eiskamp sieht den Datenschutz bei dem kostenlosen Dienst kritisch. Deshalb wickeln die Eiskamps einen Teil der internen Kommunikation per Threema ab. Der Dienst kommt aus der Schweiz und kostet einmal 3,99 €.


Sehr aktiv ist der Betrieb im Bereich Biogas, der vor allem von Frieder Eiskamp gemanagt wird. Die Anlage aus dem Jahr 2008 hat insgesamt 1100 kW Leistung (elktrisch). Direkt an der Anlage steht das erste BHKW und versorgt über eine Wärmeleitung den eigenen Betrieb sowie zwei Nachbarn. Dazu kommen 27 Haushalte in einer Siedlung. Ein Satelliten-BHKW steht in Harpstedt am Freibad. Die Abwärme heizt das Freibad, ein Hallenbad, die Bibliothek und mehrere Schulen. Viele Steuerungsaufgaben in diesem Bereich regelt der Betrieb übers Smartphone. Durch die digitale Technik ist nicht ständig jemand an die Anlage gebunden.


GPS und IsobuS nachgerüstet


Der Ackerbau ist der Schwerpunkt von Christoph Eiskamp. Die beiden Fendt 714 und 930 mit Baujahr 2004 hat der Betrieb 2018 mit einem Trimble RTK-System ausgestattet. Das hat eine Werkstatt erledigt. Beide Traktoren haben Lenkventil, Lenkwinkelsensor, Kabelbaum und entsprechende Halter. Antenne und Terminal baut der Betrieb um. Bei unserem Besuch bringt der 930 Vario Gülle mit dem Tandem-Schleppschlauchfass aus und hat dabei das Trimble-System an Bord.


Die damalige mechanische Maisdrille erhielt in Eigenleistung eine automatische Teilbreitenschaltung durch elektrische Kupplungen in der Antriebswelle. Mittlerweile hat der Betrieb gewechselt und setzt eine gebrauchte achtreihige Maisdrille mit elektrischem Antrieb ein. Seit letztem Jahr legt Christoph Eiskamp den Mais nach Applikationskarte. Dabei läuft alles über den Trimble-Rechner GFX 750. Denn das Terminal des Traktors bietet noch nicht die notwendigen Funktionen. Das GFX 750 erhält über den Incab-Stecker nur die Schlepperdaten.


Christoph Eiskamp berichtet bei unserem Termin, dass es alles andere als einfach war, bis die automatische Teilbreitenschaltung und das Ausbringen nach Applikationskarte in dieser Kombi funktionierten: „Da kamen gerne mal die kompletten Isobus-Funktionen durcheinander. Da muss man sich ziemlich einfuchsen und darf nicht schnell die Geduld verlieren…“.


Der Praktiker plant, sein System weiter zu verbessern. Bisher erstellt er die Karten über NetFarming von Agravis. Künftig möchte er das komplett unabhängig selbst bearbeiten und weitere, individuelle Informationen zu den Flächen – also die Ortskenntnis – berücksichtigen. Die Maisdrille soll später auch den Unterfußdünger teilflächenspezifisch dosieren. Einen elektrischen Dosierantrieb hat sie bereits.


Derzeit lassen die Eiskamps Bodenproben nach einem GPS-Raster ziehen, um aus den Ergebnissen digitale Versorgungskarten zu generieren. Ein Düngerstreuer für den teilflächenspezifischen Einsatz steht auf der Wunschliste. Mit den Themen der Regenerativen Landwirtschaft und dem Humusaufbau wollen sich Eiskamps ebenfalls befassen.


Die digitalen Lösungen sollen auch mithilfe von eigenen Feldversuchen auf ihre Wirtschaftlichkeit überprüft werden. Denn darauf legen Florian und Christoph großen Wert: Sie sind sehr aufgeschlossen gegenüber digitalen Lösungen – aber nur wenn sich daraus ein wirtschaftlich messbarer Effekt ableiten lässt.


guido.hoener@topagrar.com

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