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topplus Situation verschärft sich

Benetzungshemmung – die Angst der Böden vor Wasser

Fällt nach längeren Trockenperioden endlich Regen, ist es für die Böden zunehmend schwerer, Wasser aufzunehmen. Die Situation verschärft sich somit weiter. Wie können Landwirte darauf reagieren?

Lesezeit: 9 Minuten

Unser Autor: Axel Lamparter, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

Diese Erfahrung hat sicherlich jeder schon einmal gemacht: Eine total vergessene Zimmerpflanze lässt ihre Blätter hängen, weil sie lange nicht gegossen wurde. Will man diesen Missstand beheben, bleibt das Wasser oftmals auf der Oberfläche stehen, bevor es dann schlagartig durch Risse in der Erde den gesamten Blumentopf durchfließt und den Topfuntersetzer flutet.

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So, oder so ähnlich, passiert es auch in unseren Böden. Verantwortlich dafür ist eine Benetzungshemmung des Bodens – oft auch als Hydrophobie (hydro = Wasser, phobos = Angst) bezeichnet. Sie äußert sich dahingehend, dass der einmal ausgetrocknete Boden sich beim Kontakt mit Wasser nicht spontan befeuchten lässt.

Auf hydrophoben Böden bilden sich deshalb bei einsetzendem Niederschlag – wie im Beispiel des Blumentopfes – Wasserpfützen. Diese versickern, je nach Ausmaß der Benetzungshemmung, nicht oder nur sehr langsam.

In einem mehrjährig angelegten Projekt erforscht die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) jetzt erstmals die flächenhafte Ausbreitung der Benetzungshemmung von deutschen Böden, da dieses Phänomen direkte und ernst zu nehmende Konsequenzen für die Landwirtschaft haben kann.

Folgen für die Landwirtschaft

In einem benetzungsgehemmten Boden kann der von den Pflanzen in den Sommermonaten dringend benötigte Niederschlag nicht einsickern und somit den Bodenwasserspeicher nicht füllen. Gleiches gilt bei künstlicher Bewässerung. Das teuer auf die Fläche aufgebrachte Wasser kann nicht effektiv genutzt werden.

Nicht selten bilden sich trockene und feuchte Zonen im Boden direkt nebeneinander aus. Da das Wasser dann nicht den gesamten Bodenkörper durchströmt, kommt es in den feuchten Zonen zu einer erhöhten Verlagerungsgeschwindigkeit von Wasser und darin gelösten Stoffen in tiefere Bodenschichten. Dadurch verlieren die Bestände sowohl einen Teil des eigentlich zur Verfügung stehenden Wassers, aber auch die darin gelösten Nährstoffe, die in der Folge zu einer potenziellen Gefährdung des Grundwassers werden können.

Fließt das Wasser auf schlecht benetzbaren Böden oberflächlich ab, führt das häufig zu Erosion. Dadurch geht fruchtbarer Oberboden verloren. Sammelt sich in kurzer Zeit viel Wasser im Vorfluter, kann dies im schlimmsten Fall Hochwasser begünstigen.

Humus als Ursache

Der Humusgehalt ist ein wichtiger Gradmesser für die Wasserspeicherkapazität eines Bodens. Humus speichert nicht nur effektiv das Wasser, er nimmt durch seine aggregierende Wirkung auch Einfluss auf die Porengröße im Boden. Trocknet ein Boden nun aber aus, wird die organische Substanz meist zum Verursacher der Benetzungshemmung.

Wie stark sich dieser Effekt auswirkt, hängt von der chemischen Zusammensetzung des Humus ab. Denn Humus ist hier nicht gleich Humus. Schlecht abbaubare organische Substanz mit weitem Kohlenstoff zu Stickstoff-Verhältnis (C/N) wirkt besonders benetzungshemmend. Das bedeutet jedoch nicht, dass es das Ziel ist, Humus zu verringern. Vielmehr sollten in der Bewirtschaftung alle Maßnahmen unternommen werden, dass der Boden möglichst wenig austrocknet.

Denn das Ausmaß der Benetzungshemmung eines Bodens hängt maßgeblich von seinem Wassergehalt ab. Nur wenn der Wassergehalt den für den jeweiligen Boden individuellen kritischen Wert (kritischen Wassergehalt) unterschreitet, tritt eine Benetzungshemmung auf. Feuchte Standorte, wie z.B. Moore, können im trockenen Zustand zwar sehr benetzungsgehemmt sein, bleiben sie jedoch ganzjährig feucht bis nass, tritt die Hemmung gar nicht in Erscheinung.

Besonders gefährdet sind sandige Böden. Dies ist zum einen auf die geringe innere Oberfläche des Sandbodens zurückzuführen, für die schon eine geringe Menge an schlecht benetzbarer organischer Substanz ausreicht, um diese effektiv zu überziehen. Zum anderen trocknen die leichten Böden aufgrund ihrer sowieso schon niedrigeren Wassergehalte im Vergleich zu schwereren Böden schneller aus. Kurze Trockenphasen reichen deshalb oft schon aus, um die Hydrophobie hervorzurufen. Auf solchen Böden wirtschaften Landwirte jeher mit einer gewissen Benetzungshemmung.

Projekt erforscht Ausmaß

Benetzungshemmung von landwirtschaftlich genutzten Böden ist kein neues Phänomen. Es wurde schon vor über 100 Jahren in Orangenplantagen entdeckt und beschrieben. Untersuchungen haben seitdem in vielen Ländern stattgefunden. Experten schätzen: Hydrophobie von Böden ist eher die Regel als die Ausnahme!

Viele Studien sind allerdings an besonders benetzungsgehemmten Standorten durchgeführt worden und nicht repräsentativ für die Landschaft mit ihren charakteristischen Böden. Deshalb nimmt die BGR jetzt erstmals eine flächenhafte Bestandsaufnahme vor. Das Untersuchungsgebiet beschränkt sich vorerst auf Norddeutschland in einem groben Radius von 150 km rund um Hannover. Hier treten in kurzer Entfernung zueinander verschiedenste Böden auf: Leichte Sandböden, schwerere Schluffböden und landwirtschaftlich genutzte Moorböden.

Gemessen wird die Benetzungshemmung anhand des Kontaktwinkels auf Acker-, Grünland- und Forstböden. Das ist der Winkel, der sich zwischen dem Boden, einem darauf sitzenden Wassertropfen und der Luft ausbildet. Er kann Werte zwischen 0° (komplett benetzbar) und 180° (extrem hydrophob) annehmen. Von besonderem Interesse ist die 90°-Grenze. In Böden mit Kontaktwinkeln größer 90° versickert das Wasser nicht. Niederschläge werden nicht in dem Maße gespeichert wie in komplett benetzbaren Böden. Aber auch Standorte mit Kontaktwinkel kleiner 90° können bereits ein verändertes Verhalten gegenüber Wasser zeigen.

Häufiger, als man denkt

Erste Ergebnisse des BGR-Projektes bestätigen, dass Benetzungshemmungen in Böden des Untersuchungsgebietes eher die Regel als die Ausnahme sind. Folgendes lässt sich zum aktuellen Stand festhalten:

  • Knapp 80% der Bodenproben zeigen im trockenen Zustand Benetzungshemmungen (Kontaktwinkel größer als 20°), fast 40% der untersuchten Proben sogar starke Hydrophobie (Kontaktwinkel größer als 90°).



  • Die Nutzung beeinflusst die Benetzbarkeit der Flächen. Es finden sich zwar in allen drei Nutzungsformen (Acker, Grünland, Forst) komplett benetzbare, sowie nicht benetzbare Böden. Forstböden sind jedoch tendenziell am hydrophobsten. Sie zeigen im Untersuchungsgebiet im Mittel die höchsten Kontaktwinkel von ca. 90°.



  • Etwas besser stellen sich Grünlandböden mit mittleren Kontaktwinkeln von ca. 75° dar.



  • Ackerböden zeigen tendenziell die besten Benetzungseigenschaften. Hier liegen die mittleren Kontaktwinkel im Untersuchungsgebiet bei ca. 40°.



  • Die relativ schlechten Werte in Forst- und Grünlandböden lassen sich durch die oft höheren Kohlenstoffgehalte und -qualitäten (C/N-Verhältnis) bei diesen Nutzungen erklären. Besonders die im Nadelwald anfallenden Wachse und Harze sorgen zusätzlich für eine Verschlechterung der Benetzbarkeit.



  • Die Ergebnisse des Projektes bestätigen, dass sandige Böden besonders stark betroffen sind.



  • Saure (niedriger pH-Wert) und kohlenstoffreiche Böden (z.B. Moorböden) sind ebenfalls besonders schlecht benetzbar.

Dadurch ist in der Karte oben auch ein genereller Unterschied in der Benetzbarkeit der Gebiete nördlich (sandige und/oder kohlenstoffreiche Böden) und südlich von Hannover (schluffige Böden) zu erkennen.

Gibt es Lösungen?

Die Benetzungshemmung als solche lässt sich nicht wirklich verhindern. Landwirte sollten jedoch bestrebt sein möglichst viel Wasser im Boden zu halten. Dazu gehören u.a. Maßnahmen wie Humusaufbau, wassersparende Bodenbearbeitung und Reduktion der Verdunstung durch Mulchauflagen.

Haben Landwirte die Möglichkeit ihre Flächen zu bewässern, sind sie der Benetzungshemmung nicht völlig schutzlos ausgeliefert. Durch angepasste Bewässerungstechniken lässt sich das Wasser auch auf benetzungsgehemmten Böden effektiv nutzen. Solche Böden können durch mehrfache Bewässerungen in kurzen Zeitabständen „behandelt“ werden.

Durch die erste Wassergabe kann sich der Boden langsam wieder an das Wasser gewöhnen. Mit der zweiten Bewässerung wird dann im schon leicht feuchten und nun nicht mehr so stark benetzungsgehemmten Boden der Wasserspeicher für die Pflanzen gefüllt. Auf Golfplätzen z.B. wird oft der Wassergehalt künstlich durch Bewässerung so feucht gehalten, dass der Boden gar nicht erst benetzungsgehemmt wird.

Ausblick

Viele Landwirte werden bereits seit Jahren, ohne es vielleicht wirklich gemerkt zu haben, mit temporär auftretender Benetzungshemmung zu tun haben. Jedoch ist davon auszugehen, dass im Zuge des Klimawandels mit mehr Extremwetterereignissen in Deutschland zu rechnen ist. Das heißt: Häufigere und stärkere Trockenphasen gefolgt von starken Niederschlägen. Beide Extreme könnten das Auftreten und damit auch die Folgen von Benetzungshemmungen in Böden verstärken. Wie weit sich die Angst der Böden vor Wasser zukünftig auswirken wird, soll im BGR-Projekt für das Untersuchungsgebiet gegenwärtig weiter erforscht werden.

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I N T E R V I E W

Benetzungshemmung bereits Alltag

Die Erkenntnisse des BGR-Projekts kann Unternehmensberater Helmut Döhler für Bayern bestätigen.

Das Forschungsprojekt der BGR hat gezeigt, dass die Benetzungshemmung von Böden mit ihren Folgen immer stärker in Erscheinung tritt. Können Sie dies aus Ihrer Beratungstätigkeit heraus bestätigen?

Döhler: Ja, das können wir klar bestätigen. Auch wenn wir keine wissenschaftlichen Untersuchungen dazu machen, zeigt sich ein deutlicher Trend, dass die mangelnde Benetzungsfähigkeit den Oberflächenabfluss und Erosionsschäden begünstigt.

Welche Standorte sind besonders betroffen?

Döhler: Die deutlichsten Effekte finden wir bei feinsandig-schluffigen bis zu lehmigen Böden mit Tongehalten bis etwa 25%. Halbbrachen sind gefährdeter für die Benetzungshemmung als überwinternde Kulturen.

Das sind die Böden und Kulturen, die bekanntermaßen für Erosion anfällig sind. Ist das wirklich ein neues Phänomen?

Döhler: Nein, doch diese Anfälligkeit wird durch die Abnahme der Benetzungsfähigkeit deutlich verschärft. In diesen Extremsituationen prallt der Regen auf Feinboden und fließt sofort oberflächig ab. Man reibt sich die Augen, wenn man sieht, wie das oberflächig abfließende Wasser den Boden mitreißt. Wenige Zentimeter darunter ist der Boden trocken und durchfeuchtet erst mit der Zeit. Die Böden laufen uns in solchen Situationen buchstäblich davon. Wir verbinden dies auch mit der Beobachtung, dass Oberflächen von Halbbrachen im Frühsommer Temperaturen von 50 bis 60°C erreichen. Das verschärft die Situation noch zusätzlich.

Warum ist die Benetzung auch für Unterböden von Bedeutung?

Döhler: Es ist zweifellos so, dass im Sommer sehr stark ausgetrocknete Unterböden das Wasser nur verzögert annehmen, obwohl im Herbst oder Vorwinter ausreichend Niederschläge gefallen sind. Wir haben Situationen beobachtet, wo der Oberboden wassergesättigt war, darunter der Boden aber brechtrocken und hart. Ähnliche Effekte beobachten wir auch im Forst. Wir betreuen mehrere Gebiete, in denen Wassermassen aus dem Wald schießen und den Ausgangspunkt von Flutereignissen bilden. Der Wald scheint seine vielbeschworene Schwammfunktion nicht mehr vollständig auszuüben. Vergleichbare Oberflächenabflüsse stellen wir auch auf extensiviertem Grünland in Hanglagen fest.

Welche Gegenmaßnahmen raten Sie den Landwirten?

Döhler: Bisher arbeiten wir überwiegend mit den klassischen Maßnahmen der Erosionsvermeidung: Mulch-, Streifen- und Untersaaten. Auch testen wir die Förderung der Aggregatstabilität durch gezielte Kalziumdüngung. Hinzu kommen Begrünungsmischungen zur Bodenbeschattung und Verdunstungshemmung sowie tiefgründige Bewurzelung. Zusätzlich arbeiten wir an der Verbesserung der Porosität der Böden und der Porenkontinuität bis in den Unterboden, was die Benetzung definitiv verbessert. Das sind zwar keine neuen, aber immer bedeutungsvollere Zielgrößen.

Das Interview führte Anne Katrin Rohlmann.

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