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Diskussion Uni Göttingen

Gentechnik – die grüne Lösung für unsere Äcker?

Die Gentechnik-Debatte hat mit einer Studie der EU-Kommission an Fahrt gewonnen. Welche Chancen und Risiken bieten neue Methoden für Wissenschaft und Praxis? Die Meinungen einiger Experten.

Lesezeit: 5 Minuten

Eine Studie der EU-Kommission zu neuen biotechnologischen Züchtungsmethoden hat die Debatte um die grüne Gentechnik in Deutschland und Europa neu entfacht. In den Ergebnissen stellt die EU-Kommission klar: Auch neue biotechnologische Züchtungsmethoden sollten unter das EU-Gentechnikrecht fallen. Die Gesetze aus dem Jahr 2001 seien jedoch ungeeignet, um die Vielfalt und die Fortschrittlichkeit aller neuen Züchtungstechniken abzubilden, heißt es. Wie sind also neue Züchtungsmethoden zu bewerten, welche Chancen und Risiken gibt es? Die Uni Göttingen diskutierte in ihrem Format „Agrardebatten“ über das Thema. Hier die Standpunkte der vier Experten im Überblick.

Züchtungstechnologien nur in Kombination mit guter agronomischer Praxis

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„Gentechnisch veränderte Pflanzen werden seit über 25 Jahren von vielen Millionen Bauern in rund 30 Ländern der Welt angebaut“, so Prof. Dr. Matin Qaim von der Uni Göttingen. Vor allem insektenresistente GV-Sorten hätten den chemischen Pflanzenschutzmitteleinsatz deutlich gesenkt und trugen zur Armutsminderung im Kleinbauernsektor bei. Insektenresistente Sorten etwa finde man auf über 90% der Baumwollflächen Chinas, Indiens und Pakistans. Allerdings seien die praxisrelevanten Beispiele der Gentechnik begrenzt. „Die meisten Anwendungen beziehen sich auf nur zwei Merkmale – Insektenresistenz und Herbizidtoleranz – in einer kleinen Zahl unterschiedlicher Kulturarten“, so der Agrarwissenschaftler. Während insektenresistente Sorten klare Vorteile bieten, habe die Herbizidtoleranz in Nord- und Südamerika teilweise Monokulturen und einen erhöhten Pflanzenschutzmitteleinsatz befördert.

Qaim zufolge bietet die Gen-Editierung mit Werkzeugen wie Crispr zusätzliche Möglichkeiten und könnte die Pflanzenzüchtung revolutionieren, weil Resistenzen gegen Krankheiten und Schädlinge oder Toleranzen gegen Klimastress schneller und besser erreicht werden könnten. Gen-Editierung sei vergleichsweise einfach und kostengünstig, so dass die Technologie auch von kleinen Laboren und in kommerziell weniger wichtigen Kulturen angewendet werden könne. Bisher wurde Crispr bereits in über 40 verschiedenen Pflanzenarten erfolgreich eingesetzt. „Diese Vielfalt ist wichtig, um dem zunehmenden Verlust von Diversität auf den Äckern entgegenzuwirken“, betonte Qaim. Sein abschließender Vorschlag, das Gentechnikrecht umfassend zu reformieren, was aus wissenschaftlicher Sicht richtig wäre, finde aber in der EU momentan keine politische Mehrheit.

Innovationfür alle: Transparenz und geistiges Eigentum

Für Dr. Caspar Langenbach von der KWS Einbeck steht fest: Die Geschwindigkeit und Präzision neuer Züchtungsmethoden könnte es Züchtern ermöglichen, schneller bessere und regional angepasste Sorten zu entwickeln, die auf die Herausforderungen des Klimawandels, der Bodendegradation und von Pflanzenkrankheiten reagieren und weniger Pflanzenschutzmittel benötigen. Obwohl neue Züchtungsmethoden ihm zufolge vielversprechend sind, bedeuten der hohe regulatorische, finanzielle und zeitliche Aufwand sowie die fehlende Akzeptanz für das Thema, dass eine Anwendung von Genome Editing in der EU praktisch nicht umsetzbar sei. Zudem solle der Zugang zu solchen Werkzeugen nicht nur für große, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen möglich sein.

Es sei es aus wissenschaftlicher Perspektive nicht nachvollziehbar, dass genetisch identische Pflanzen unterschiedlich bewertet werden, nur weil sie mit verschiedenen Verfahren hergestellt wurden. „Pflanzen, die durch Genome Editing entstehen, sollten nicht als GVO im Sinne der aktuellen Richtlinie angesehen werden. Eine Klassifizierung sollte nicht anhand des Prozesses, sondern anhand das daraus resultierenden Produkts erfolgen.“

„Aus Fehlern der vergangenen Jahrzehnte lernen“

„Wie auch bereits bei der klassischen Gentechnik fehlt es bei den neuen Techniken nicht an Versprechungen, dass nunmehr die großen Züchtungsaufgaben wie Dürreverträglichkeit und umfassende Schaderregertoleranz gelöst werden können“, so Dr. Horst-Henning Steinmann vom Zentrum für Biodiversität und nachhaltige Landnutzung. Er vermutete aber, dass bei einer Freigabe der neuartigen Konstrukte zunächst Eigenschaften mit geringer Komplexität in den Markt gebracht werden. Das könnten ihm zufolge auf einfacher genetischer Grundlage beruhende Schaderregerresistenztraits sein, die bei massenhaftem Anbau schnell durch unempfindliche Erregerbiotypen überwunden werden. Denkbar seien auch neue Herbizidresistenzen, mit deren Hilfe die Kulturpflanzen weiter an die Wirkmechanismen der Herbizidwirkstoffe angepasst werden. „Denn Pflanzenzüchter und Pflanzenschutzmittelhersteller arbeiten mittlerweile engzusammen.“

Für den Wissenschaftler eröffnen die neuen Züchtungsverfahren aber auch sinnvolle Chancen. „Wir sollten konstruktiv mit der Technikentwicklung umgehen, aber auch aus den Fehlern der vergangenen Jahrzehnte lernen.“ Aus Sicht der biologischen und genetischen Vielfalt sei es die Aufgabe aller Beteiligten zu verhindern, dass moderne Züchtungsverfahren den Trend zur Vereinfachung und Vereinheitlichung der Anbaupraktiken weiter fortsetzen. Die Erfahrungen der letzten 30 Jahre haben auch gezeigt, dass die Grundlagen eines soliden Acker- und Pflanzenbaus nicht leichtfertig zugunsten „neuer“ Techniken vernachlässigt werden können.

Differenzierte Betrachtung wichtig

„Mit neuen Methoden, wie Crispr-Cas9, können gezielt präzise Änderungen mit großer Wirkung vorgenommen werden“, so Prof. Stefan Scholten, Leiter der Abteilung Nutzpflanzengenetik der Uni Göttingen. Ein Beispiel sei die Übertragung einer Pilzresistenz zwischen Getreidearten. „Ein Ansatz der erheblich zur Reduzierung von Fungiziden beitragen könnte.“ In Gerste sei entdeckt worden, dass eine Pilzresistenz durch die natürliche Mutation eines Gens bedingt ist. Mit Hilfe der Genomedierung wurden die entsprechenden Gene in Weizen mutiert und damit auch in dieser Art vollständige Pilzresistenz erreicht. Wesentlich dabei sei, dass im Endprodukt selbst keine artfremden Gene vorhanden seien. Auch für den Bereich der Grundlagenforschung ist es Scholten zufolge daher wünschenswert, die Regulierungen der Freisetzungen von genetisch veränderten Pflanzen zu überdenken. In Gegensatz zu Labor- oder Gewächshausversuchen könnte die direkte Untersuchung von züchtungsrelevanten Merkmalen in Feldversuchen dazu beitragen, wichtige Züchtungsziele wesentlich schneller zu erreichen.

Hier gibt es die Veranstaltung im Livestream zum Nachsehen:

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