Für eine neue und präzisere Definition der gentechnisch veränderten Organismen (GVO) im Gentechnikgesetz haben sich Wissenschaftler und Juristen ausgesprochen. In der Beantwortung der Frage, ob dabei neue Verfahren wie das Genomediting unter die GVO-Regelung fallen sollten, sind sich die Experten jedoch weiterhin uneins.
Bei einer Diskussionsveranstaltung der Wissenschaftsakademie Leopoldina am 14. Februar in Berlin bekräftigte der Direktor am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, Prof. Detlef Weigel, seine Auffassung, wonach Pflanzen, die sich vom Ergebnis natürlicher Kreuzungen nicht ohne weiteres unterscheiden lassen, auch nicht als gentechnisch verändert gelten dürfen. Dies müsse im Gentechnikgesetz eindeutiger als bisher zum Ausdruck kommen.
Auch für den Juristen Dr. Jens Kahrmann vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) wäre so eine Einschätzung konsequent, da Mutationen jederzeit natürlich entstehen könnten und die ungezielte Erzeugung von Mutationen seit Jahrzehnten in der Pflanzenzucht zulassungsfrei praktiziert werde.
Rechtswissenschaftler Prof. Tade Matthias Spranger von der Universität Bonn wandte indes ein, dass das Gentechnikgesetz zu einer Zeit geschaffen worden sei, wo an Genomeditierung noch nicht zu denken gewesen sei. Vom Gesetzgeber benannte „sichere Verfahren“ seien daher lediglich die damals bekannte konventionelle Mutagenese gewesen, das heiße die Behandlung mit Strahlung oder Chemikalien. Neue Verfahren unterlägen damit selbstverständlich einer Genehmigungspflicht.
Seine durchaus positive Haltung zur Genomeditierung bestätigte nochmals der Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) Prof. Urs Niggli. Gleichzeitig plädierte er für einen ganzheitlicheren Ansatz. Bundesforschungsministerin Prof. Johanna Wanka mahnte unterdessen Offenheit gegenüber neuen Techniken in der Pflanzenzüchtung an.
Vielfalt erhöhen
Niggli sieht vielversprechendes Potential in den auf die beschleunigte Mutation setzenden neuen Züchtungstechniken, unter anderem um die Vielfalt auch im konventionellen Landbau zu erhöhen. Es werde schließlich mit Mutationen gearbeitet, die auch durch natürliche Brüche in der DNA entstünden. Niggli warnte aber vor einer einseitigen Fokussierung auf die Züchtung. Die gute fachliche Praxis und die Einbindung in vielfältige Anbausysteme dürften darüber nicht vernachlässigt werden.
Der Rechtswissenschaftler Spranger betonte, er stehe einer Neuregelung der Vorschriften und damit Neubewertung der Mutagenese keineswegs ablehnend gegenüber. Dafür sei aber zunächst eine Diskussion unter Naturwissenschaftlern, Züchtern, Unternehmen und in der Politik notwendig. Erst dann seien die Juristen gefordert. Letztlich müsse auch das das kulturelle Unbehagen thematisiert werden, das jegliche Anwendung von Gentechnik hierzulande so schwierig mache.
Politik gefragt
Die Diskussion stand auch im Schatten der anstehenden Entscheidung des Europäischen Gerichthofes (EuGH), wie die neuen, Genomediting-Verfahren rechtlich einzustufen sind. Wie immer auch der EuGH entscheide, das Urteil werde die Aufgabe „an die Politik zurückspielen“, so der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner.
Eine Einschätzung, die auch die Juristen Spranger und Kahrmann teilten. Spranger empfiehlt bei einer Neuregelung zudem den Einbau dynamischer Instrumente, wie regelmäßige Bewertungsberichte und Ermächtigungen, um neue Entwicklungen künftig schneller berücksichtigen zu können. Sollte eine streng produktbezogene Regulierung aber bedeuten, dass alle neu gezüchteten Sorten auf ihre Sicherheit bewertet werden müssten, fürchtet die Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter (BDP), Stephanie Franck, „das Ende“ für viele kleine Züchtungsunternehmen.