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Obstbauern nach ARD-Bericht in Aufruhr

Der Berufsverband der Obstbauern kritisiert die Aussagen eines ARD-Berichts zur Bestäubung. Die ARD bezieht dazu Stellung. Doch worum geht es eigentlich?

Lesezeit: 5 Minuten

Ein ARD-Bericht hat bei Obstbauern für Aufruhr gesorgt: Am 14. Februar sendete der „Bericht aus Berlin“ einen Beitrag zu Landwirtschaft und Insektenschutz. U.a. heißt es dort: „Auf den Obstplantagen nutzen Landwirte künstliche Bestäuber, weil sie die natürlichen mit aus den Feldern gedrängt haben: Durch Pestizide, Dünger, Monokulturen werden den Insekten Lebensräume und Nistmöglichkeiten genommen, nun müssen es künstliche Nistkästen richten".

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Der Geschäftsführer der Fachgruppe Obstbau, Joerg Hilbers, verurteilt den Bericht mit falschen Aussagen scharf. „Alleine ein Satz aus dem fast fünf-minütigen Beitrag trägt zur Spaltung zwischen Obstbauer und Verbraucher bei“, sagt Hilbers. Der Berufsverband vertritt ca. 5.500 deutsche Familienbetriebe, die Obst produzieren. „Die Obstbauern sind sehr betroffen. Wie soll so ein Miteinander möglich sein?“, fragt sich Hilbers.

Sieben Fakten zum Obstbau

Richtig ist nach Aussage Hilbers stattdessen Folgendes:

  • Alle Apfelsorten sind selbst unfruchtbar und auf die Bestäubung angewiesen.
  • Das Pflanzenschutzmanagement im Obstbau - sowohl im ökologischen als auch im konventionellen Anbau - schont Insekten.
  • In deutschen Apfelanlagen sind repräsentativ und nachweislich mehr als 90 Wildbienenarten zu Hause. Sie nisten ganz natürlich in Obstplantagen - das ließ sich in mehreren Forschungsprojekten in den letzten Jahren nachweisen. Auch etliche Arten der Roten Liste kann man in Obstanlagen nachweisen – unabhängig davon, ob die Obstanlage ökologisch oder konventionell/integriert bewirtschaftet wird.
  • Obstanlagen sind bezüglich Dünger schwachzehrend, nachweislich werden durchschnittlich nicht mehr als 50 kg/ha Stickstoff gedüngt.
  • Deutscher Obstbau ist geprägt durch vergleichsweise kleine Parzellen und bietet nachweislich Lebensraum z.B. für über 109 Vogelarten.
  • Wildbienen sind natürliche Bestäuber, Wanderimker kommen zusätzlich schon seit Jahrhunderten mit Honigbienen regelmäßig zur Bestäubung in die Obstplantagen. Allein im Alten Land bei Hamburg machen jährlich ca. 4.000 Bienenvölker Station. Wildbienen setzen Obstbauern sehr selten ergänzend ein. Sie sollen in der kurzen Zeit der Obstblüte den Ertrag sichern und diesen bei schlechtem Wetter auch verbessern.
  • Eine Reihe von Naturschutzgebieten in Deutschland sind durch Obstbau entstanden. Erst Jahrzehnte lang Obstbau, dann Naturschutzgebiet. Denn die Obstanlagen mit der Mischung aus krautreicher Fahrgasse und bis zu 20 Jahre alten Bäumen sind ein wertvoller Lebensraum für Insekten.

Für weitere wissenschaftliche Ergebnisse verweist Hilbers auf die Website der Fachgruppe Obstbau im Bundesausschuss Obst und Gemüse:

In der aktuellen und notwendigen gesellschaftlichen Debatte um mehr Bienenschutz und klimafreundliche Produktion sehen die Obstbauern eine Chance. „Aufgrund der hohen Umwelt- und Sozialstandards in Deutschland wird deutsches Obst etwas teurer produziert. Dafür liefern wir regional. Und zwar das, was die Gesellschaft fordert“, sagt Hilbers. Doch dafür brauche es auch gut recherchierte Berichte außerhalb der Fachmedien.

Das sagt die ARD

Auf Anfrage von top agrar gibt die ARD folgende Stellungnahme ab:

„Wir haben Verständnis für die Sorgen und Nöte, die derzeit in der Landwirtschaft vorherrschen. Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, spricht im Beitrag über die Existenznöte vieler Bauern und wir thematisieren auch, dass durch das vom Kabinett beschlossene Insektenschutzpaket die kooperativen Ansätze der einzelnen Bundesländer konterkariert werden könnten. Es war nicht unsere Absicht mit dem Beitrag zu spalten, sondern zu zeigen, wie wichtig Wildinsekten für das Ökosystem sind.

Sie zitieren insbesondere zwei Sätze aus unserem Beitrag. […] Durch das Wort 'mit' wird – in unseren Augen – klar gemacht, dass auch andere Faktoren zum Insektensterben führen. Der von Ihnen erwähnte erste Satz bezieht sich auf die Kundschaft der Wildbienenzüchter. Bei Ihnen wird er in unserer Wahrnehmung aus dem Kontext gerissen.

Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist es sehr wohl so, dass der Strukturwandel der Landwirtschaft mitverantwortlich für das Insektensterben ist. Pestizide, Dünger und Monokulturen nehmen Insekten Lebensräume und Nistmöglichkeiten. Genau das wird im Film gesagt. Pestizide und Dünger werden nach unserer Kenntnis auch auf einigen Obstplantagen eingesetzt.

Gerne nennen wir Ihnen auch die Studien, auf die wir uns beziehen: Unter anderem erwähnt der unabhängige Sachverständigenrat für Umweltfragen 2018 in einer Stellungnahme zu einem flächenwirksamen Insektenschutz unter dem Punkt 'Ursachen des Insektenrückgangs' als einen zentralen Punkt den 'Strukturwandel der Landschaft'. In der Stellungnahme heißt es: #Der Verlust, die Degradierung und die Zerschneidung von naturnahen Lebensräumen zählen zu den wesentlichen Faktoren für den Rückgang von Insekten. (...) Es kommt zu einer Simplifizierung und Monotonisierung der Landschaft. Die Größe der individuellen landwirtschaftlichen Flächen nimmt zu, die Diversität der angebauten Fruchtarten und Sorten verringert sich.' Zu Pestiziden wird geschrieben 'Die Nutzung von Pflanzenschutzmitteln wie Insektiziden, Herbiziden und Fungiziden in der Landwirtschaft ist eine wichtige Ursache für den anhaltenden Rückgang der Biodiversität.' Wie dramatisch das Insektensterben ist, zeigt im Übrigen auch die 'Krefelder Studie' aus dem Jahr 2017. In nur knapp drei Jahrzehnten sind dreiviertel aller Fluginsekten verschwunden, bezogen auf die reine Biomasse.

Bei einem Schwund von 75% kann man sehr wohl sagen, dass die Insekten aus den Feldern getrieben wurden. Von 'Ausrottung' haben wir nicht gesprochen.“

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