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Abgasvorschriften

Preissprung durch die nächste Abgasnorm?

Jetzt wird es ernst bei den Abgasvorschriften. Die ­Hersteller müssen tief in die Trickkiste greifen, um ihre Motoren fit für die nächste Stufe zu machen. Was kommt auf die Schlepperkäufer zu?

Lesezeit: 8 Minuten

Jetzt wird es ernst bei den Abgasvorschriften. Die ­Hersteller müssen tief in die Trickkiste greifen, um ihre Motoren fit für die nächste Stufe zu machen. Was kommt auf die Schlepperkäufer zu?


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Seit 1999 gelten Abgasvorschriften auch für Landmaschinen. Ab diesem Zeitpunkt trat ein Stufenplan in Kraft, nachdem die Emissionen der Motoren Schritt für Schritt reduziert werden mussten. Die fünf Emissionsstufen werden in Europa als Stage (I, II, IIIA, IIIB, IV) und in den USA als Tier (1, 2, 3, 4 interim, 4 final) bezeichnet. Weil es vielleicht griffiger ist, verwendet die Praxis meist den Begriff Tier – mit der europäischen Nummernfolge. Bei den Schadstoffen geht es vor allem um Stickoxide (NOx) und Rußpartikel, dazu kommen Kohlenwasserstoffe und Kohlenmonoxid.


Der Stufenplan richtet sich nach vier Schlepperleistungsklassen: 50 bis 76 PS, 76 bis 102 PS, 102 bis 177 PS und 177 bis 762 PS (von kW umgerechnet, gerundet). Die oberste Leistungsklasse erreicht bereits 2014 die schärfste Stufe. Dann dürfen die Motoren nur noch max. 3 % der Sticko­xi­de und 3 % der Rußpartikel im Vergleich zum Beginn der Regelung ausstoßen.


Bis zur aktuellen Tier 3A konnten die Ingenieure die Motoren noch mit konstruktiven Maßnahmen trimmen, wie z. B. mit elektronischen Einspritzanlagen, der internen oder der aufwendigeren gekühlten externen Abgasrückführung (AGR).


Das Problem: Stickoxide entstehen vor allem bei effizienter Verbrennung mit hoher Temperatur und hohen Drücken. So widersinnig es klingt, die meisten Methoden zum Senken der NOx-Emission gehen deshalb auf Kosten der Effizienz. Dieser Mehrverbrauch lässt sich nur durch höheren technischen Aufwand abpuffern. So werden die Triebwerke mit 2-stufigen oder variablen Turbos, Vierventil-Technik und geregelten Lüftern hochgerüstet.


Die Motoren für die derzeitige Abgasstufe Tier 3 A haben sich in Tests und in der Praxis bewährt. Doch die jetzt kommende Tier 3 B (minus 85 % NOx und minus 97 % Partikel) lässt sich mit den bewährten Methoden wohl kaum erreichen. Für die oberste Leistungsklasse ab 177 PS steht diese Verschärfung bereits 2011 an, die anderen Klassen ziehen ein Jahr später nach. Nur die kleinen Motoren bis 76 PS haben noch bis 2013 Zeit. Sie erreichen mit der Tier 3 B sogar ihre Endstufe.


Mit Filter oder ­Harnstoff?


Beim Sprung von Tier 3 A auf 3 B können die Hersteller zwei Strategien wählen:


Den Motor durch effiziente Verbrennung auf möglichst niedrige Partikelemissionen trimmen. Mit der Effizienz steigen die NOx-Emissionen. Die Firmen müssen ein AdBlue-System (SCR) wie im Lkw einbauen, das die Stick-oxide chemisch abbaut.


Der Motor arbeitet weiter mit der Abgasrückführung und anderen technischen Lösungen, um den NOx-Ausstoß zu minimieren. Die Verbrennung ist weniger effizient. Des­halb muss ein Par­tikelfilter die Abgase reinigen.


Zurzeit scheinen europäische Motorenhersteller wie Deutz, Agco-Sisu oder FPT (Fiat-Power-Train) eher auf die SCR-Technologie zu setzen, amerikanische Unternehmen wie DPS (Deere-Power-Systems) oder CAT propagieren den Partikelfilter. Die Vor- und Nachteile der Lösungen werden kontrovers diskutiert.


Sauber mit zwei Tanks


SCR heißt Selektive Katalytische Reduktion. Eine elektronische Steuerung dosiert eine wässerige Harnstofflösung (AdBlue) in einen Abgaskatalysator. Die chemische Reaktion wandelt die Stick-oxide in harmloses Wasser und reinen Stickstoff um – ohnehin mit 78 % der größte Bestandteil der Umgebungsluft.


j Vorteile: Die Verbrennung im Motor kann ohne Rücksicht auf den NOx-Gehalt optimal ablaufen. Die Temperaturen sind hoch, die Einspritzung läuft mit hohem Druck zum optimalen Zeitpunkt und die Abgasrückführung fällt weg – wenn auch nicht bei allen Lösungen komplett. Der Wirkungsgrad des Motors steigt deutlich. Und: Die Technik hat sich seit einigen Jahren im Lkw-Bereich bewährt.


j Nachteile: Die SCR-Anlage ist ziemlich aufwendig. Neben der elektronischen Steuerung plus Sensoren benötigt man ein komplettes zweites Tanksystem mit Fördertechnik. Dazu kommt das zusätzliche Gewicht und der voluminöse Katalysator, der sich ohne größere Änderungen kaum am Schlepper verstauen lässt. Weil der Kat bis zu 450 ° braucht, um vernünftig zu funktionieren, darf er nicht allzu weit vom Auspuffkrümmer entfernt sein.


Vielen Praktikern ist die Bevorratung von AdBlue ein Dorn im Auge. Der Verbrauch liegt zwischen 3 und 5 % der Dieselmenge. Ab etwa -11 °C gefriert AdBlue, der Tank am Schlepper braucht also eine Heizung und der Lagertank sollte mög­lichst frostfrei stehen. Dafür ist AdBlue kein Gefahrstoff und kann auch einfach in der 1 000 l-Gitterbox (IBC-Container) lagern.


Ist der AdBlue-Tank am Schlepper leer, steht der Motor nicht still. Denn die SCR-Technologie hat keinen Einfluss auf das Triebwerk selbst. Doch in den USA ist bereits das so genannte Derating vorgeschrieben: Bei leerem AdBlue-Tank muss die Elektronik die Motorleistung deutlich herunterregeln.


Insider rechnen durch das aufwendige AdBlue-System mit einem deutlichen Plus von bis zu 40 % beim Preis für den Motor und seine Nebenaggregate (Kühlung, Abgasnachbehandlung) – was bis zu 10 % Mehr­preis für den Schlepper bedeuten könnte. Dazu kommen die Kosten von 50 bis 60 Cent/l für das AdBlue.


Hersteller wie Fendt, New-Holland, MF oder Valtra haben bereits Traktoren mit der SCR-Technik vorgestellt.


Sauber mit Filter


Bei dieser Strategie setzen die Ingenieure weiter auf die gekühlte Abgasrückführung (AGR) und die zeitversetzte Einspritzung. Die Bildung von Stickoxiden wird weitgehend verhindert. Doch die Rußgrenzwerte lassen sich nur mit einem Partikelfilter (DPF) einhalten.


j Vorteil: Schlagendes Argument ist der Verzicht auf den zweiten Betriebsstoff und das aufwendige SCR-Katalysator-System plus Tank und Regeltechnik. Es fallen keine zusätzlichen Kosten fürs AdBlue und die Logistik/Lagerhaltung an.


j Nachteile: Der technische Aufwand innerhalb des Triebwerks bleibt hoch, besonders durch die gekühlte Abgasrückführung und den unter Umständen mehrstufigen Turbo. Die Abgasrückführung belastet das Motoröl mehr mit Ruß und Schwefel. Vor allem läuft der Motor nicht im Effizienz-Optimum, der spezifische Dieselverbrauch ist höher als beim SCR.


Der Partikelfilter braucht zusätzlich Kraftstoff zur Regeneration (automatisch gesteuertes „Verbrennen“ der angesammel­ten Partikel). Die Regenerationsphase wirkt sich eventuell auf das Leistungsverhalten des Motors aus. Und wie beim SCR-Kat muss auch der recht sperrige Partikelfilter am Schlepper seinen Platz finden.


Unter anderem John Deere wird seine Traktoren mit dieser Lösung fit für die Tier 3 B machen.


Zum Schluss Partikelfilter plus Harnstoff?


Für den Übergang zwischen Tier 3 A auf die strengere Stufe 3 B hatten die Firmen noch fünf Jahre Zeit. Doch jetzt wird es enger: Die Motoren müssen innerhalb von drei Jahren klar für die nächste Stufe sein! Was die Konstrukteure erheblich unter Zugzwang setzt. Denn hier schlägt das Gesetz des abnehmenden Ertragszuwachses unbarmherzig zu: Die letzten Prozent NOx und Partikel bekommt man nur noch mit gewaltigem Aufwand aus dem Abgas heraus. Die Grenzwerte der Tier 4 lassen sich – nach dem heutigen Stand der Technik – wohl nur mit einer Kombination von SCR plus Partikelfilter halten. Spätestens dann müssen die Schlepper neu durchkonstruiert werden. Es gilt, den Partikelfilter und den Katalysator plus AdBlue-Tank an der Maschine unterzubringen. Partikelfilter und Kat haben beide ein Volumen von 30 bis 50 l. Besonders bei den kompakten Traktoren über 76 PS und einigen selbstfahrenden Erntemaschinen dürfte es eng werden. Allerdings befeuern die strengen Abgasstufen auch die technischen Entwicklungen: Der Katalysator-Spezialist Emitec aus Lohmar hat bereits auf der Agritechnica einen SCR-Kat mit integriertem Rußpartikelfilter vorgestellt, der auch unter der Haube Platz finden soll.


Der Gesetzgeber räumt außerdem Übergangsfristen ein. Das Stichwort ist „Engine On Stock“ – was nichts anderes heißt, als dass bereits produzierte Motoren der alten Abgasstufe noch zwei Jahre eingebaut werden dürfen. Doch eine „flexible“ Auslegung ist schwierig: Denn die Motoren müssen komplett montiert bereits im Schlepperwerk stehen – und das, wo alles auf die Lieferung just-in-time ausgelegt ist. Die Hersteller müssen also die Lagerkosten tragen und möglichst genau die jeweilige Stückzahl vorausplanen. Bleiben Motoren nach Ablauf der zwei Jahre über, können diese nur in Ländern ohne Abgasgesetzgebung abgesetzt werden, z. B. in Osteuropa oder Südamerika.


Für Landwirte ist es also interessant, Traktoren möglichst in dieser Übergangszeit zu kaufen. Denn danach drohen Preisaufschläge für die nächste Abgasstufe, die über 10 % liegen können. Allerdings orientieren sich auch die Modellzyklen an den Abgasstufen. Wer also ein neues Modell haben will, muss die nächste Abgasstufe zwangsläufig mitnehmen.


Mit der Abgasstufe steigen die Anforderungen an den Kraftstoff. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Motoren in Zukunft mit kalt gepresstem Pflanzenöl laufen. Und die Nachbarländer müssen sich wohl oder übel vom günstigen Agrar-Diesel verabschieden. Denn die neue Technologie verträgt keinen Schwefel, und der ist z. B. im französischen Landdiesel noch reichlich enthalten.

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