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topplus Bodenknappheit und Pachtpreise

„Boden ist so sicher wie Gold, hat aber eine viel bessere Rendite“

Knapper werdende landwirtschaftliche Fläche zwingt Betriebe zu hohen Pachten. Das belastet die Wirtschaftlichkeit zum Teil enorm. Im Interview spricht unser Experte Klartext.

Lesezeit: 9 Minuten

Landwirtschaftliche Flächen werden immer knapper und teurer. Die meisten Betriebe sind auf Pachtflächen angewiesen. Obwohl die Pachtpreise einen enormen Einfluss auf die wirtschaftliche Situation haben, zahlen nicht wenige Betriebe Preise, die über ihren Möglichkeiten liegen. Woran liegt das? Wie sollten Betriebe vorgehen? Wir haben mit Dr. Hubert Heilmann, dem Institutsleiter für Pflanzenproduktion und Betriebswirtschaft der Landesforschungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern gesprochen.

Herr Dr. Heilmann, die Pacht- und Bodenpreise sind seit Jahren im Aufwärtstrend. Wie schätzen Sie diese Entwicklung in Zukunft ein?

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Heilmann: Natürlich ist das regional sehr unterschiedlich, aber insgesamt wird sich die Entwicklung der letzten Jahre fortsetzen. Bislang haben sich die Boden- und Pachtpreise etwa alle zehn Jahre verdoppelt. Es gibt genügend Preistreiber, die diesen Aufwärtstrend weiter aufrechterhalten. Eine grundsätzliche Trendwende sehe ich nicht. Der Flächenverbrauch durch Straßen- und Wohnungsbau, durch Klimaschutzmaßnahmen wie die Wiedervernässung von Mooren, aber auch durch Windkraft- und Photovoltaikanlagen nimmt deutlich zu. Diese Flächen fehlen der Landwirtschaft natürlich. Der Wert eines Faktors wird nun mal über seine Knappheit bestimmt. Und Boden wird weiterhin immer knapper. So bleibt er eine wichtige Kapitalanlage für Investoren, da Boden sehr wertbeständig ist.

Woran sollten sich Betriebe aus betriebswirtschaftlicher Sicht beim Pachten orientieren?

Heilmann: Wenn ein Betrieb für die (zusätzlichen) Pachtflächen keine Investitionen tätigen muss, wie z.B. die Anschaffung neuer Maschinen oder Personal, orientiert er sich kurz- und mittelfristig am Deckungsbeitrag einer Fläche. Steigen jedoch die Fixkosten, weil neue Maschinen angeschafft oder Arbeitskräfte eingestellt werden müssen, sollten sich die Betriebe bei der Pacht langfristig an der Bodenrente orientieren. Sie bezeichnet den Gewinnbeitrag des Produktionsfaktors Bodens am Gesamterfolg des Betriebes. Theoretisch sollte die Bodenrente zwischen Verpächter und Pächter geteilt werden, was in der Praxis aber fast nie der Fall ist. Wenn Betriebe bei den Pachtpreisen über die Bodenrente hinausgehen, vernichten sie Eigenkapital. Das ist für kein Unternehmen auf lange Sicht gesund.

Viele Betriebe pachten dennoch zu Höchstpreisen, um an Land zu kommen. Warum gehen die meisten über die Bodenrente hinaus?

Heilmann: Um aus der Landwirtschaft ein Einkommen zu erzielen, mit dem eine Familie ernährt werden kann, ist eine bestimmte Betriebsgröße erforderlich. Ein Betrieb mit 1.000 ha hat es da natürlich wesentlich leichter als einer mit 100 ha. 100 ha Pachtland bedeuten für den kleinen Betrieb eine Verdoppelung der Betriebsfläche, für den Großbetrieb aber nur wenige Prozentpunkte. Die Schmerzgrenze für Pachtpreise liegt daher bei kleineren Betrieben deutlich höher. Der Druck auf die kleinen Betriebe ist enorm, da sie sich zwischen Wachsen oder Weichen entscheiden müssen. Wenn sie weiterbestehen möchten, bleibt ihnen oft nichts anderes übrig als Flächen zu hohen Preisen zu pachten. Häufig sind diese Pachtpreise aber nur möglich, weil sie durch andere Betriebszweige wie beispielsweise aus der Biogasanlage „quersubventioniert“ werden. Grundsätzlich muss aber jeder Betriebszweig rentabel sein oder er muss zumindest innerbetrieblich nützen, wenn Erzeugnisse zwar nicht verkäuflich, aber wertvoll für den Betrieb sind, wie zum Beispiel Gülle.

Die Periode einer GAP-Reform ist meist deutlich kürzer als die Laufzeit vieler Pachtverträge."

Welchen Einfluss auf die Pachthöhe nehmen Prämienzahlungen?

Heilmann: Die Subventionspolitik nimmt großen Einfluss auf den Pachtmarkt. Allein für einen Hektar Grünland sind theoretisch 600 bis 700 € an Prämien möglich, weil neben der Basisprämie von 150 € noch 400 bis 500 € an ökologischen Prämien (Öko-Regelungen und Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen) realisierbar sind. Diese Prämien sind ja eigentlich für den Landwirt gedacht, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Sie haben sich von einer Bewirtschafter- zu einer Bodeneigentümerprämie entwickelt. Mittlerweile landen etwa 80 bis 120 Prozent der Prämien beim Bodeneigentümer. Diese Situation halte ich für sehr gefährlich. Denn die Periode einer GAP-Reform ist meist deutlich kürzer als die Laufzeit vieler Pachtverträge. Bei Verträgen über sieben bis zwölf Jahre kann sich in der GAP vieles ändern. Trotzdem lastet neben dem Produktions- und Marktrisiko auch das komplette politische Risiko auf den Schultern des Landwirts. Das ist nicht richtig.

Führen die Flächenkäufe in Mecklenburg-Vorpommern durch Investoren dazu, dass die Pachten weiter steigen?

Heilmann: Das kommt natürlich darauf an, aber grundsätzlich ja, sie treiben die Pachtpreise in die Höhe. Nichtlandwirtschaftliche Investoren besitzen in Mecklenburg-Vorpommern und auch in Brandenburg und Sachsen-Anhalt etwa 20 bis 25 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen. Das heißt, jeder vierte bis fünfte Hektar ist in außerlandwirtschaftlicher Hand. Das ist aber nur meine persönliche Einschätzung, verlässliche Zahlen gibt es dazu nicht.

Welche außerlandwirtschaftlichen Investoren sind in Ihrer Region aktiv und welche Folgen hat das?

Heilmann: Das sind Investoren, die außerhalb der Landwirtschaft ihr Geld verdienen, zum Beispiel große Immobilienbesitzer in Berlin. Manche von ihnen engagieren sich in den jeweiligen Gemeinden, indem sie beispielsweise das Kirchendach sanieren. Ihnen wird schnell eine Fläche nach der anderen angeboten. Weil die Leute sehen, die machen was und kümmern sich. Die Betriebe werden von den Investoren durchaus gut bewirtschaftet. Andere, meist gängigere Investorenmodelle kaufen marode Betriebe, um sie radikal zu sanieren - ohne Rücksicht auf Arbeitsplätze oder andere Belange im ländlichen Raum - um sie schnell gewinnbringend zu bewirtschaften und diese Betriebe häufig nach etwa zehn Jahren mit hoher Rendite wieder veräußern zu können. Letztendlich ist es diesen Investoren egal, wo sie das Geld investieren. Geld kennt keine Heimat, es kennt nur seinen Besitzer. Das Ziel ist ja immer eine möglichst hohe Kapitalrendite von mehr als 8 bis 10 Prozent. Und Boden ist so sicher wie Gold, hat aber eine viel bessere Rendite.

Kennen Sie Fälle, wo Investoren den Landwirten Boden weggekauft haben?

Heilmann: Ja natürlich, das passiert hier permanent. Die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften haben in der Regel mindestens sieben Genossenschaftsmitglieder, die meist alle kurz vor dem Rentenalter stehen. Wenn dann ein Investor kommt und für die ganze eG ein lukratives Angebot unterbreitet, sind sich die Genossen in den meisten Fällen schnell einig und überlegen nicht lange. Sie müssen sich dann über ihre finanzielle Zukunft keine Sorgen mehr machen. Wer kann ihnen das verübeln?

Welche Rolle spielen Banken auf dem Bodenmarkt?

Heilmann: Hinter den meisten Investoren stecken auch Banken. Letztlich müssen sie alle eine gewisse Marge an Rendite erwirtschaften. Momentan sind Photovoltaik- und Windkraftanlagen ein lukratives Geschäft für Kapitalfonds. Bei diesen Investitionen spielt der Bodenwert bzw. die Pacht gar keine Rolle, weil das für die Gesamtinvestition nur Peanuts ausmacht. Der Bodeneigentümer hat durch die Verpachtung eine hohe Rendite bei relativ geringem Kapitalrisiko.

Wie hat die Verpachtungspraxis der BVVG in den vergangenen Jahren den Pachtmarkt beeinflusst?

Heilmann: Die BVVG als einer der größten Bodeneigentümer in Deutschland hat keine löbliche Rolle eingenommen. Ich finde das Vorgehen sehr fragwürdig. Die BVVG hat immer versucht, möglichst viel herauszuholen und zu Höchstpreisen verpachtet. Aber als Treuhand hat sie doch eine Vorbildfunktion. Wenn die BVVG zu Höchstpreisen verpachtet, soll dann der Rentner mit ein paar Hektar sein Land zur Bodenrente verpachten? Die BVVG hat eine Leitpreisfunktion übernommen, kein Verpächter will weniger bekommen als die Treuhand.

Spätestens, wenn es an die Haushaltskasse geht, nehmen die humanistischen und christlichen Überzeugungen ein abruptes Ende."

Werden große Verpächter-Institutionen wie die Kirche ihrer Vorbildfunktion gerecht?

Heilmann: Ganz klar: Nein! Es ist meines Erachtens sittenwidrig, mehr Geld vom Bewirtschafter zu verlangen als die Bodenrente hergibt. So schmälert man das Eigenkapital des Pächters. Ich selbst habe mich an die Kirche gewandt und versucht, an deren Moral zu appellieren, aber ohne Erfolg. Spätestens, wenn es an die Haushaltskasse geht, nehmen die humanistischen und christlichen Überzeugungen ein abruptes Ende. Weder Bund, Land, Kommunen noch Kirchen verhalten sich anders, als dass sie zu Höchstpreisen verpachten oder ungeachtet dessen, was der Bewirtschafter real aus diesem Produktionsfaktor erwirtschaften kann. Sie treten sogar mit vielen Auflagen an ihre Pächter heran, wie zum Beispiel einem Glyphosatverbot, was für die Pächter zusätzliche Kosten verursacht, aber korrigieren ihre Pachtpreise trotz dieser höheren Auflagen nicht nach unten.

In landwirtschaftlichen Betrieben ist es wie in anderen Unternehmen auch: die Kundenbindung muss stimmen."

Welche Argumente könnten Verpächter davon abbringen, den Höchstbietenden als Pächter auszuwählen?

Heilmann: Es gibt viele zwischenmenschliche Strategien. In landwirtschaftlichen Betrieben ist es doch wie in anderen Unternehmen auch: die Kundenbindung muss stimmen. Zum Beispiel kann die Einladung zur Jagd ein Anreiz für den einen oder anderen regionalen Verpächter sein. Bei Gemeinden oder Kirchen können Pächter z. B. mit kommunalen Arbeiten punkten. Zum Beispiel, wenn der Pächter sich um die Entsorgung des Friedhof-Komposts kümmert, die Allee zum Dorfplatz zurückschneidet oder im Winter beim Schneeräumen unterstützt. Das Persönliche ist für die Verpächterbindung nicht unwichtig.

Was können sinnvolle Verpachtungsmodelle sein?

Heilmann: Gerecht wäre es, wenn sich die Pacht - wie in früheren Zeiten - an den Naturalgrößen orientieren würde, z.B. am Getreidepreis oder heute Crop-Sharing genannt. Dieses Modell hat sich über Jahrtausende bewährt und würde heute genauso gut funktionieren. Aber es scheitert am Willen der Bodeneigentümer. Produktions-, Markt- und Politikrisiken würden gerechter verteilt. Heute trägt aber der Pächter all diese Risiken allein. Dabei wäre es für den Verpächter heute viel einfacher als damals, die Erträge der Landwirtschaft und damit die Pachthöhe nachzuvollziehen. Durch Dokumentation, Statistiken und tagesaktuelle Preise hat der Verpächter eine gute Daten- bzw. Kalkulationsbasis. Wenn der Grund für schlechte Erträge Managementfehler des Pächters sind, ist das heute sehr transparent. Konnte er sich früher noch irgendwie herausreden und eigene Fehler verschleiern, um die Pacht zu mindern, wäre dies heute kaum noch möglich.

Welchen abschließenden Rat geben Sie?

Heilmann: Niemand ist gezwungen, hohe Pachten zu zahlen, aber natürlich sind die Betriebe gewissen wirtschaftlichen bzw. existenziellen Zwängen unterworfen. Trotzdem muss jeder Betrieb seine Schmerzgrenze kennen und vor allem einhalten. Liquidität geht immer vor Rentabilität! Ich rate dazu, sich bei den Pachtpreisen nicht an den Subventionen zu orientieren. Das kann sich bei langen Pachtverträgen rächen.

Außerdem muss ich mir als Landwirt meiner Verantwortung gegenüber der Branche bewusst sein. Man sollte nicht jeder Fläche hinterherlaufen. Denn damit heizt man den Pachtmarkt weiter auf. Gleichzeitig sollte man sich von guten aktuellen Bedingungen nicht zu sehr verleiten lassen. Auch wenn wir im letzten Jahr ein wirtschaftlich gutes Jahr in der Landwirtschaft hatten, schlägt das Pendel immer nach zwei Seiten aus.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dr. Hubert Heilmann leitet seit 1992 das Institut für Betriebswirtschaft an der Landesforschungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern und seit 2012 ist er dort auch für die Pflanzenproduktion leitend tätig. Er ist in diversen Ausschüssen, Fachkommissionen und -beiräten. 2019 war er für den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Einzelsachverständiger zur "Ackerbaustrategie 2035".

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