Unser Autor: Dr. Mathias Schindler, LWK Niedersachen
Als die Zuckerrübe noch die „Königin der Feldfrüchte“ war, hatte ihr Anbauanteil einen deutlichen Einfluss auf den Pachtpreis. Seitdem die Zuckermarktordnung ausgelaufen ist, hat die Rübe den früheren Glanz eingebüßt, sodass derartige Effekte jetzt nur noch bei höheren Anbauanteilen von Kartoffeln und Sonderkulturen auftreten und bei Wirtschaftlichkeitsvergleichen zu berücksichtigen sind.
Noch weiter unter Druck geraten ist die Rübe durch den Preisboom bei allen wichtigen Kulturen seit der Ernte 2021. Die seitdem deutlich gestiegenen Preise von Getreide und Raps sanken zur Ernte 2022 zwar wieder etwas ab, blieben aber auf sehr hohem Niveau und bescherten deren Erzeugern bislang unbekannte Rentabilität.
Höhere Rübenpreise erst Für Ernte 2022
Da auch der Speisekartoffelanbau in vier der letzten fünf Jahre sehr wirtschaftlich war, sorgten sich die Rübenanbauer, dass sie auf der Strecke blieben. Denn die Rübenpreise haben nach der Ernte 2021 nicht im gleichen Maß angezogen wie Raps und Weizen.
Bereits vor der Ernte 2022 haben die Verarbeiter wiederholt mitgeteilt, dass die Rübenpreise angesichts guter Aussichten am Zuckermarkt deutlich steigen würden. Seit Anfang Februar 2023 kennen die Lieferanten zumindest bei der Nordzucker „ihre“ Preise.
Nordzucker zahlt 4,91 €/dt
Rübenanbauer, die mehrjährige Festverträge mit der Nordzucker abschlossen, profitieren davon allerdings weniger als die mit den „Flexpreis“-Verträgen. Die „Vertragssplitting“-Strategie war der bessere Weg. Der Rübenpreis für die Ernte 2022 von 4,91 €/dt (ohne MwSt.) bei einem Polarisationswert von 18,3 % ist ein geschätzter gewichteter Durchschnitt aus allen Vertragsmodellen bei der Nordzucker.
Doch auch die anderen wichtigen Kulturen erzielten für die Ernte 2022 teilweise rekordverdächtige Durchschnittspreise: Winterweizen kam auf 32,60 €/dt, Winterraps auf 66,81 €/dt, Körnermais auf 30,50 €/dt und Speisekartoffeln auf 21,96 €/dt (jeweils netto), was sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit auswirkte.
Deckungsbeitrag Abzüglich Arbeitskosten
Für den Vergleich der Wirtschaftlichkeit reicht die Berechnung der direkt- und arbeitserledigungskostenfreien Leistung (dakfL) aus. Dabei wird die Deckungsbeitragsrechnung um die Maschinenfestkosten, den Lohnanspruch und die Nährstoffrücklieferung erweitert. Bei den übrigen Kostenpositionen gibt es kaum Unterschiede zwischen den Kulturen. Ausnahme sind die Kartoffeln. Dort ist der Pachtpreiseffekt und der „Zwang“, ein Lager vorzuhalten, noch zu berücksichtigen.
Übersicht 1 auf der Basis von Richtwert-Deckungsbeiträgen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zeigt die durchschnittliche Wirtschaftlichkeit von Körnermais, Raps, Speisekartoffeln, Weizen und Zuckerrüben über die letzten fünf Jahre für einen „pauschalierenden“ Betrieb, also mit Bruttopreisen. Dabei werden für jede Kultur eine niedrige und eine hohe Ertragsstufe ausgewählt, um das Spektrum unter- und überdurchschnittlicher Standortqualitäten abzubilden.
Bei beiden Ertragsstufen zeigt sich, dass die Preisbildung auf den Märkten gut funktioniert und deutlich wirtschaftlichkeitsangleichend wirkt.
Auf der niedrigen Ertragsstufe ergab sich bei den dakfL ein Niveau von etwa 400 €/ha, wobei der Weizen bei 70 dt/ha mit 479 €/ha dank der letzten beiden Jahre etwas besser und der Körnermais bei 80 dt/ha mit 368 €/ha etwas schlechter abschnitt als die Zuckerrübe bei 650 dt/ha mit 424 €/ha.
Rübe schiebt sich nach vorne
Mit zunehmendem Ertrag verbessert sich die relative Vorzüglichkeit der Zuckerrübe, die bei 950 dt/ha mit einer dakfL von 1 314 €/ha weiter knapp vor Raps (50 dt/ha) mit 1 302 €/ha liegt. Körnermais (110 dt/ha) mit 894 €/ha und Weizen (100 dt/ha) mit 972 €/ha werden deutlicher abgehängt. Die Speisekartoffeln verlieren etwas an Vorzüglichkeit, liegen aber bei 500 dt/ha Ertrag mit 1 752 €/ha deutlich davor.
Die letzte Zeile der Übersicht 1 gibt an, mit welcher Änderung bei der dakfL gerechnet werden kann, wenn sich der Ertrag um 1 dt/ha ändert. Diese Interpolation ist nicht ganz, aber hinreichend genau, da es sich um durchschnittliche Betrachtungen handelt. Für Ihre eigene Situation sollten Sie das mit eigenen Daten ohnehin individuell rechnen.
Was ist 2023 zu erwarten?
Einige Prognosen deuten auf eine leichte Entspannung bei den Energiekosten und den Produktpreisen hin. Wer glaubt, dass die Preise sich schnell wieder aufs Vorkriegsniveau „normalisieren“, sollte aktuelle Terminmarktnotierungen fixieren.
Wer anhaltende oder gar eskalierende Knappheiten erwartet, sollte abwarten. Auf Basis der heutigen Daten könnten sich die Deckungsbeiträge wie in Übersicht 2 abzeichnen.
Beim Rübenpreis gibt es natürlich auch die Hoffnung, dass dieser auf dem Niveau von 2022 bleibt. Wer aber weiter in die Vergangenheit zurückblickt, findet zwei gute Jahre nacheinander nur in der Zeit der Marktstabilisierung durch die Zuckermarktordnung – und die gibt es schon länger nicht mehr. Wir haben deshalb vom Preis von 5 €/dt Rübe („all in“), den einige Anbauverbände für die Ernte 2023 erwarten, einen Risikoabschlag von 11 % vorgenommen und mit 4,45 €/dt Rübe gerechnet (siehe Übersicht 2).
Danach wäre auf ertragsschwächeren Standorten weiterhin der Kartoffelanbau mit einer dakfL von 1.075 €/ha am attraktivsten, gefolgt von Zuckerrüben (893 €/ha), Weizen (602 €/ha) und Körnermais (532 €/ha). Aufgrund der zuletzt wieder deutlich schwächelnden Notierungen würde Raps mit 416 €/ha das Schlusslicht bilden.
Bei hohen Ertragserwartungen wird die Zuckerrübe mit 2 018 €/ha sehr interessant. Sie liegt dann deutlich vor den Kartoffeln (1.760 €/ha). Den dritten Platz erreicht der Raps (1.318 €/ha), der damit deutlich vor Weizen (1.145 €/ha) und Körnermais (1.117 €/ha) liegt.
Ranking verschiebt sich
Grund für dessen schlechtes Abschneiden sind und waren die hohen Energiekosten für die obligatorische Trocknung. Wer kostengünstig die Abwärme einer Biogasanlage nutzen kann, spart locker bis zu 250 €/ha ein, was dann den Körnermais sogar dem Raps knapp überlegen machen würde.
Diese Verschiebungen im Ranking der Marktfrüchte zeigen deutlich, wie sehr es auf die individuellen Verhältnisse ankommt, die in Durchschnittsüberlegungen nicht adäquat abgebildet werden können.
Auch hier dient die letzte Zeile in der Übersicht mit Faustzahlen für Zu- und Abschläge je dt Ertrag auf die arbeitserledigungskostenfreien Leistung bei anderen Erträgen.
Der direkte Vergleich
Gerade weil die individuellen Preiserwartungen sehr unterschiedlich sind, zeigt Übersicht 3, unter welchen Preis- und Ertragskonstellationen die verschiedenen Früchte wirtschaftlich gleich sind.
Diesen Vergleich können Sie durchführen, indem Sie den Produktpreis der Kultur variieren. Dabei werden alle Ertragsstufen untereinander verglichen. Wer also 400 dt Kartoffeln je Hektar erntet und diese für durchschnittlich 15,70 €/dt verkaufen kann, benötigt für Zuckerrüben bei einem Ertrag von 650 dt/ha einen Durchschnittserlös von 4,73 €/dt Rüben („all in“), um damit konkurrenzfähig zu sein.
Würden 950 dt/ha an Rüben geerntet, reicht im Vergleich zu 400 dt/ha Kartoffeln ein Preis von 3,46 €/dt (Zeile darunter).
Was bleibt?
Auch für die Ernte 2023 dürften die Aussichten in der Bodenproduktion durchaus attraktiv sein. Aktuelle Börsenfutures für Körnermais und Weizen sowie für Raps deuten derzeit (Stand: 6. KW 2023) ein stabiles Preisniveau an, bei dem es sicher kein großer Fehler sein wird, jetzt einen Teil der Ernte an der Börse oder über Terminverkauf bereits abzusichern. Speisekartoffeln werden zwar nicht direkt kontraktiert, aber die 23,50 €/dt für Veredelungsware in 11/2023 an der EEX (Stand: 5. Februar 2023) lassen auch den Kartoffelmarkt aktuell stabil erscheinen.
Rübenpreis ist noch offen
Nur für den Zuckerrübenpreis ergeben vermutlich erst die Verhandlungen im nächsten „Winter“ belastbare Ergebnisse, weil sich die Verarbeiter die Kosten des Rohstoffeinkaufs bis zu verlässlichen Erntemengenprognosen für Zuckerrohr und Zuckerrüben offenhalten wollen. Angesichts der aktuellen Knappheiten ist es aber wohl eher unwahrscheinlich, dass der Markt innerhalb eines Jahres total dreht. Aber nicht selten kommt es dann doch anders als von den „Experten“ erwartet.