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Bioenergie: Zurück zu den Fakten

In einem flammenden Vortrag plädierte Dr. Berharnd Widmann vom TFZ Straubing, die Bioenergie nicht als Irrweg der Energiewende zu sehen, sondern als moderne und zukunftsträchtige Lösung für viele gesellschaftliche Probleme.

Lesezeit: 6 Minuten

„Die Produktion von Energiepflanzen muss zurückgedrängt werden. Das war in Teilen ein Irrweg in der Energiewende.“ Mit dieser Forderung hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks Anfang März in der Bioenergiebranche für Aufsehen gesorgt. Sie bringt aber auch zum Ausdruck, was Teile der Bevölkerung schon länger von der Bioenergie halten. „Darum ist es Zeit, dass wir das Thema abstauben und wieder schmackhaft machen in unserer Gesellschaft, die immer weniger faktenorientiert debattiert“, forderte gestern (16.03.2017) Dr. Bernhard Widmann auf der 22. Fachtagung „Nutzung Nachwachsender Rohstoffe – Bioökonomie 3.0“ in Dresden. Der Leiter des Technologie- und Förderzentrums im Kompetenzzentrum Nachwachsende Rohstoffe im bayerischen Straubing setzte sich mit den vielen Vorurteilen gegenüber der Bioenergie auseinander, die mangels Wissen oder falscher Annahmen immer wieder in den Publikumsmedien und an Stammtischen kursieren.


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Das fossile Zeitalter der letzten 200 Jahre habe der Bevölkerung nicht nur Wohlstand und die Industrialisierung gebracht. Es habe auch gefördert, dass die Menschen die Verantwortung für die Energieerzeugung abgegeben haben. „Wir haben uns an vermeintliche Versorgungssicherheit und Bequemlichkeit gewöhnt, dass der Strom aus der Steckdose kommt und der Tanklaster das Heizöl bringt“, betonte der Bioenergieexperte. Eine häufige Forderung der Politik sei auch, dass Energieversorgung bezahlbar sein müsse. „Aber was bedeutet Bezahlbarkeit? Müssen das Smartphone oder die Ledergarnitur im Auto auch bezahlbar bleiben?“, hinterfragte er die Forderung kritisch.


Doch die Gesellschaft müsse jetzt raus aus diesem Phlegma, allein um die Erdwärmung auf das Maß von 1,5 °C zu begrenzen. Dabei helfe nur der Umstieg auf erneuerbare Energien. „Mit Kohle, Öl und Gas haben wir jahrelang von dem Ersparten gelebt. Wenn wir auf erneuerbare Energien setzen, leben wir von den Zinsen“, machte Widmann deutlich. Zu dem Umstieg gebe es ganz klar politische Beschlüsse wie das Pariser Klimaschutzabkommen oder den Klimaschutzplan der Bundesregierung.


Dennoch gibt es immer noch erhebliche Widerstände gegen die Energiewende. Widmann führt das darauf zurück, dass die Energieerzeugung mit dem Umstieg von zentralen Kraftwerken zur Dezentralität sichtbarer geworden ist. „Wir müssen den Menschen daher mehr erklären und die Fakten vor Augen führen“, forderte er und führte selbst einige davon an:

  • Viele Netzbetreiber haben Anfang des Jahres den Strompreis um 1 ct/kWh erhöht und das auf die gestiegene EEG-Umlage zurückgeführt. Damit stünden die erneuerbaren Energien als Kostentreiber negativ da. „Besser wäre es zu sagen: Der Strompreis steigt, weil der Strom wertvoller geworden ist. Denn wir haben die Energiewende vorangebracht“, schlug er vor.
  • Bei der Einführung von E10 hatten die Menschen vor allem Angst um den Motor des Autos. Widmann: „Das Auto ist das wichtigste Identifikationsprodukt für den Deutschen. Wir hätten besser erklären müssen, warum es gut ist, dass plötzlich 5 statt 10 % Alkohol im Tank sind.“
  • Viele Menschen sehen in der Bioenergieproduktion eine Gefahr für die Welternährung. „Doch nur 6 % des weltweit geernteten Getreides wird für Biokraftstoffe verwendet. Hunger auf der Welt hat andere Ursachen wie Diktaturen, mangelhafte Infrastruktur sowie mangelnder Zugang zu Flächen und Bildung“, sagte Widmann.
  • Auch in punkto Umweltverträglichkeit oder positive Effekte für den Klimaschutz gibt es immer wieder Zweifel. Dazu führte Widmann die von der EU auferlegten Nachhaltigkeitskritierien an, mit denen Erzeuger Umweltstandards und positive soziale Effekte beim Anbau sowie deutlich positive Effekte für den Klimaschutz nachweisen müssen. Ab 2018 müssen Biokraftstoffe mindestens 60 % weniger Treibhausgase ausstoßen als fossile Rohstoffe. Mit Pflanzenöl im Traktor könnten Landwirte sogar 80 bis 90 % der Emissionen von Diesel reduzieren. „Biokraftstoffe sind die einzigen Produkte, die von der Wiege bis zur Bahre per Zertifikat die Nachhaltigkeit nachweisen müssen“, betonte Widmann.
  • Anders als immer behauptet schaden heimische Biokraftstoffe nicht dem Regenwald oder der Welternährung. Denn bei der Rapsproduktion z.B. würden zwei Drittel des geernteten Korns als Futtermittel genutzt. „Wir haben damit ein hochwertiges und GVO-freies Eiweißfuttermittel, mit dem wir Soja-Importe und damit Regenwaldrodung vermeiden“, führte Widmann an und unterlegte das mit konkreten Zahlen: Bei einer Erntemenge von 35 dt/ha Raps fallen 2t Eiweißfutter an. Diese können eine Kuh 800 Tage versorgen. Gleichzeitig gibt es 1400 l Kraftstoff in Form von Pflanzenöl oder Biodiesel. Damit kann ein herkömmliches Auto 35.000 km weit fahren bei einem sehr niedrigen Treibhausgasausstoß von 21 g/km. „Wir müssen auch der EU immer wieder klar machen, dass unsere heimischen Biokraftstoffe nicht alt sind oder einer 1. Generation angehören, sondern modern sind und enorme Fähigkeiten haben“, so Widmann.
Zur "Flächenverschandelung" gab er auch zahlreiche Gegenargumente. „Was ist der Bevölkerung lieber: ein Solarpark, ein Hektar Mais oder Atomkraft, Ölbohrloch und Gaspipeline?“, hinterfragte er kritisch. Miscanthus, Windrad oder Stromleitungen seien heute Elemente aus dem alltäglichem Leben und prägten unsere Kulturlandschaft.


Für Bioenergie gäbe es eine Menge Gründe. So habe der Energieträger die Speicherfähigkeit von Natur aus an Bord, während man bei Wind- und Solarparks für eine Nutzung immer eine Batterie oder eine Power-to-Gasanlage nachschalten müsste. Auch die „Vermaisung der Landschaft“ sei eine Mär, die sich nicht mit Zahlen belegen ließe. „Wir haben heute eine bunte Vielfalt an Energiepflanzen wie Sorghum, Amaranth, Sida, Buchweizen, Durchwachsene Silphie und andere Pflanzen“, zählte Widmann auf. Aus dem Grund sei die Aussage von Ministerin Hendricks falsch. Im Gegenteil: Nur die Energiepflanzenproduktion trage zur Biodiversität bei. Bevor die Politik Bundesgesetze wie das EEG aufgrund von falschen Annahmen wie der Vermaisung ändere, würde sich Widmann wünschen, dass man die Expertise von Forschungseinrichtungen nutzen würde.


Am Ende rief der Wissenschaftler die Bevölkerung, aber auch die Politiker dazu auf,  die Dinge im richtigen Kontext zu sehen: „Wir leben in einer Gesellschaft, die pro Tag ungefähr 100 ha wertvolle Ackerflächen versiegelt, von hochwertigen Nahrungsmitteln täglich 30 Mio. kg wegschmeißt, mehr isst als der Mensch braucht und dann mit 2 t schwerem Geländewagen ins Fitnessstudio fährt, um dort bei Neonlicht auf dem elektrischen Laufband die Pfunde abzutrainieren. Vor diesem Hintergrund sollte die Gesellschaft über Hunger in der Welt oder Teller /Tank etwas differenzierter nachdenken!“

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