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Landwirtschaft wird als Problemlöser beim Klimaschutz unterschätzt

Über den Energiepflanzenanbau im Spannungsfeld Klima-, Ressourcen- und Naturschutz diskutierten sieben hochrangige Vertreter der bayerischen Land- und Energiewirtschaft vergangene Woche in München.

Lesezeit: 6 Minuten

„Die Land- und Forstwirtschaft will beweisen, dass sie nicht das Problem, sondern Teil der Lösung ist.“ Mit dieser Feststellung machte Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner auf einer Podiumsdiskussion zum Klima- und Ressourcenschutz vergangene Woche während der Abschlusstagung des Forschungsprojekts „ExpressBio“ in München deutlich, dass es in der öffentlichen Diskussion heute häufig ein falsches Bild von der Urproduktion gibt.„Selbst der Klimaschutzplan 2050 berücksichtigt die besondere Stellung der Land- und Forstwirtschaft als Lieferant von Lebensmitteln und biogenen Rohstoffen sowie als Senke für Treibhausgasemissionen nur unzureichend“, sagte Brunner. Rund 8 % der Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) in Deutschland stammen laut Brunner aus der Landwirtschaft. Bei der Reduzierung der Emissionen kämen den nachwachsenden Rohstoffen eine ganz besondere Rolle zu. Ihre Nutzung spart in Bayern jährlich 9 Mio. t CO₂ ein. „Die Land- und Forstwirtschaft hat also gute Argumente für den Klimaschutz und kann eine Vorbildrolle einnehmen“, sagte Brunner vor den rund 100 Tagungsteilnehmern. 

Als Beispiel für einseitige Diskussionen nannte er die Tierhaltung. „Die Landwirtschaft könnte noch mehr Klimaschutz erreichen, wenn sich Bayern als Veredelungsstandort verabschieden würde, denn dann gäbe es keinen Methanausstoß", sagte Brunner ironisch. Man dürfe die Land- und Forstwirtschaft nicht überfordern, wenn sie gleichzeitig hochwertige Nahrungsmitteln zur Verfügung stellen soll. Die Tierhaltung sei in Bayern unabdingbar – allein, um 1 Mio. ha Grünland zu verwerten. Flankierend sei die Biogastechnologie hilfreich, weil sie die landwirtschaftlichen Betriebe als zusätzliches Standbein stabilisiert und hilft, die kleine, dezentrale Struktur in der Landwirtschaft aufrechtzuerhalten. Diese sei gesellschaftlich gewünscht. 

Auch die anderen Diskussionsteilnehmer, sechs Vertreter verschiedener Verbände und Institute,  monierten, dass es in der öffentlichen Wahrnehmung häufig nur um isolierte Einzelaspekte geht.


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Walter Heidl, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, kritisierte, dass es der Lobby der Energiekonzerne gelungen sei, erneuerbare Energien in die Ecke zu stellen, während Kohle oder Gas scheinbar zu einem erneuerbaren Energieträger mutierten. „Unsere Bauern haben ein Recht darauf, dass man faktenorientiert diskutiert“, sagte Heidl. In dem Zusammenhang kritisiert er auch scharf, dass die Bundesregierung mit der geplanten Besteuerung von Biokraftstoffen in der Landwirtschaft auch noch die letzte Möglichkeit verhindere, dass Landwirte ihren eigenen Kraftstoff produzieren und nutzen könnten. „Gleichzeitig erkennt die Politik nicht an, dass bei der Rapsölproduktion auch wertvolles und gentechnikfreies Eiweißfuttermittel anfällt.“ Aus Sicht des Landwirts seien beide Produkte wichtig. Er plädierte dafür, dass die Regierungen in München und Berlin zunächst die dezentrale Energieerzeugung ausbauen und erst danach über den Bau von neuen Stromtrassen nachdenken sollte.


„Die Landwirtschaft hat beim Klimschutz eine Schlüsselrolle. Es gibt zwar Analysen, nach denen die Landwirtschaft bis zu 20 % der THG-Emissionen verursacht. Sie ist also Teil des Problems, aber noch mehr Teil der Lösung“, stellte Prof. Markus Vogt heraus, der als Sprecher des Sachverständigenrats Bioökonomie in Bayernvertreten war. Vogt regte an, dass man nicht nur die Energiewende im Blick haben sollte, sondern auch die Ressourcenwende, womit er die Nutzung nachwachsender Rohstoffe in vielen Bereichen bis hin zum Bioplastik versteht. Auch der weltweite Schutz des Bodens sei eine wichtige Strategie des Klimaschutzes. Bei der Energiewende nd der Nutzung nachwachsender Rohstoffe würden die Akteure häufig zu einseitig denken. Der Anbau einzelner Rohstoffe wäre maximiert worden, ohne an die Nebenwirkungen zu denken. „Das sollten wir in der Rohstoffwende, im Gesamtprozess anders machen“, regte Vogt an. Mit der Stärkung der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes könnte die Gesellschaft auch indirekt den Klimaschutz voran bringen: Wenn nämlich Urlauber wegen der schönen Landschaft vor Ort blieben anstatt klimaschädlich per Flugzeug in die Ferne zu reisen. Auch wäre weniger Verkehr nötig, wenn man Arbeitsplätze im ländlichen Raum vor Ort schaffe.


Dieter Bockey von der Union zur Förderung der Öl- und Proteinpflanzen (UFOP)hält es für sinnvoll, in der Landwirtschaft allgemein einen Effizienzwettbewerb um klimaschonende Anbauverfahren und Pflanzen zu etablieren – so, wie er seit Anfang 2015  bei den Biokraftstoffen besteht. Die Rohstoffe für diesen Bereich seien zertifiziert nachhaltig und müssten bestimmtes Treibhausgasminderungspotenzial nachweisen. „Ähnliche Anforderungen müssen auch für andere Wirtschaftsbereiche vorgesehen werden, damit man im Klimaschutz weiterkommt“, regte er an. Fossile Treibstoffe wie Diesel oder Benzin dagegen müssen das nicht. Genauso kritisierte Bockey, dass die EU mit dem Ceta-Abkommen zulasse, dass extrem klimaschädliches Schieferöl aus Kanada importiert werden darf. Wir müssen das regionale Potenzial ausschöpfen, das wir für den ländlichen Raum brauchen. „Anstatt mit Anreizen die dezentrale Energieproduktion und Klimaschutz zu fördern, erzeugt die Politik mit Überregulierungen Frust in der Landwirtschaft wie z.B. mit der Dünge-Verordnung“, fand Bockey klare Worte.


Auch der Vorsitzende des Bundes Natur und Umweltschutz in Bayern, Prof. Hubert Weiger, sieht nicht nur Probleme in der Landwirtschaft. „Ohne multifunktionale Land- und Forstwirtschaft haben wir keine Chance, die Klimaschutzziele zu erfüllen. Der Boden ist immer noch der wichtigste Kohlenstoffspeicher und muss als Grundlage erhalten bleiben.“ Auch Weiger sieht noch Potenzial in der Nutzung von Biokraftstoffen in der Landwirtschaft oder in der Güllevergärung, wie sie der „Bayernplan“ vor einigen Jahren explizit vorgesehen hatte. Biogasanlagen könnten mit der Vergärung von Blühpflanzen für mehr Vielfalt in der Kulturlandschaft sorgen. Auch sei die Nutzung von Ölpflanzen für ganzheitliche Ansätze sinnvoll. „ Wir müssen die Land- und Forstwirtschaft stärken, um diese dezentrale Ansätze durchzusetzen“, forderte Weiger.


Dr. Claudius da Costa Gomez, Hauptgeschäftsführer Fachverband Biogas, sprach sich dafür aus, stärker in der Öffentlichkeitsarbeit auf die Sorgen der Bevölkerung einzugehen. „Wenn die Meinung draußen in eine bestimmte Richtung geht, muss man das zur Kenntnis nehmen. Wir können aus Sicht der Biogasbranche nicht darauf beharren, dass Mais eine so tolle Pflanzen ist, selbst wenn wir das mit Fakten belegen können.“  Wichtig sei vielmehr, die Bevölkerung und deren Meinungsbildner zu berücksichtigen und Ansatzpunkte für eine positive Diskussion zu liefern. Das sei bei der Wärmenutzung festzustellen: „Wenn die Bürger z.B. die Abwärme einer Biogasanlage nutzen können, ist die Akzeptanz eine ganz andere.“ Dann sind sie für Argumente zugänglich und man kann ihnen erklären, wie die Biogasproduktion funktioniert.


Wie andere Podiumsteilnehmer auch plädierte da Costa Gomez dafür, die Wissenschaft wieder mehr zu stärken, anstatt die Forschung auf Projektarbeit zu reduzieren, sodass Drittmittelgeber nötig seien. „Es gibt zu wenig unabhängige Wissenschaft. Wir erleben zunehmend irgendwelche Thinkthanks oder Stiftungen, die die Politik beraten.“ Diese Experten würden dann überall zitiert, eine neutrale Wissenschaftsmeinung fehle aber. 

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