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Mein bunt blühenderNutzgarten

Lesezeit: 6 Minuten

Kräuter, Obst und Gemüse, dazwischen Blumen und Duftpflanzen: Rita Vitts Garten im Schwarzwald ist verspielt und unperfekt. Und daneben vor allem eins – unerlässlich für die Rohstoffe ihrer Brennerei.


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V om Gewächshaus hat man einen guten Blick auf die Berge und den Schwarzwald. Weiter oben am Hang grasen Pferde. Nach unten hin erstreckt sich ein 600 m² großer Nutzgarten, der zum Verweilen einlädt und in dem nichts in Reih und Glied wächst. Er gehört zum kleinen Vollerwerbsbetrieb von Familie Vitt in Biberach bei Offenburg. Hier verwirklicht Bäuerin und Brennmeisterin Rita Vitt ihre Vision eines romantischen Nutzgartens. Das Herzstück des Hauptgartens bildet ein alter Steinbrunnen, der neben dem Gewächshaus und einer kleinen umrandeten Terrasse auf einer der wenigen ebenen Flächen steht.


Rundherum wuchert es so üppig, dass die Wege, die den Garten in acht Parzellen aufteilen, kaum sichtbar sind. Hohe Nutzstauden wie Sonnenhut und Kamille bieten im unteren Teil des Gartens etwas Blickschutz zur Straße. Eine niedrige, überwucherte Mauer, mehrere Obstbäume und eine Vielzahl von Beerensträuchern umranden den am Hang gelegenen Garten zu den Seiten hin. In den Beeten wachsen Salatpflanzen, Paprika, Gurken und verschiedene Blumenstauden. „Was lasse ich stehen, was muss weg, weil es sonst zu stark wuchert? – Ein unordentlicher Garten braucht viel mehr Hintergrundwissen als ein Beet, das in geraden Reihen angelegt wurde“, sagt Rita Vitt.


Im Küchengarten


Folgt man dem mit Kletterpflanzen gezierten Weg um das Bauernhaus von 1802 zur anderen Hofseite, gelangt man in Rita Vitts kleineren Kräuter- und Staudengarten. Ein selbst gebauter Torbogen aus Stein führt durch hohe Fenchel-, Melissen-, Thymian- und Ylang-Pflanzen entlang zu Rita Vitts Lieblingsplatz auf dem Brunnenhof: Einer kleinen, tiefer gelegenen Sitzgelegenheit, bei der sie sich gerne mit Ehemann Rolf und den erwachsenen Kindern aufhält. „Da habe ich im Sommer Schatten und bin auf Augenhöhe mit den Pflanzen“, sagt sie. Bei der richtigen Wetterlage genießt sie dort vor allem den Duft des Gewürzstrauchs (Calycanthus). Der Strauch steht, seit sie den Garten von ihrer Tante und der Mutter übernommen hat, am selben Platz und lässt sich nicht verpflanzen. „Bisher gelang es mir nicht einmal, einen Ableger zu ziehen“, sagt Rita Vitt. ▶


Ihre Philosophie: Zum Gärtnern gehören das Ausprobieren und das Scheitern. „Ich hätte gar nicht genug Flächen, wenn alles gelingen würde“, sagt sie. Besonders stolz ist die Gartenbäuerin auf ihren Setzling der Zaubernuss (Hamamelis). Stecklinge pflanzt sie stets ins Beet gegenüber dem Küchenfenster, um sie im Blick zu behalten. „Fünf Jahre hat die Hamamelis nicht ein Blatt getragen. ‚Ich rühr dich nicht an‘, hab ich immer gesagt und dann ist der Steckling auf einmal doch noch ausgetrieben“, freut sie sich. Direkt am Kräutergarten liegt auch Rita Vitts kleine Brennerei. Hier destilliert die gelernte chemisch-technische Assistentin und Brennmeisterin nach altem Brennrecht 300 Liter Alkohol im Jahr. Die Rohstoffe aus dem Garten sind für den kleinen Vollerwerbsbetrieb deshalb eine wichtige Einnahmequelle. Schlüsselblumen und Rosen für Liköre, Wacholder für Gin, Heidelbeeren, Pfirsiche, Äpfel: Die Bäuerin experimentiert gerne mit den Zutaten aus dem Garten.


Im Garten wirtschaften


Der Garten ist für Rita Vitt mehr als nur reine Blütenpracht. „Er muss einen wirtschaftlichen Beitrag leisten und möglichst pflegeleicht sein“, fasst sie ihre Einstellung zusammen. Deshalb verbringt sie auch nur wenig Zeit damit, Unkraut zu jäten und Reihen zu ziehen. Auch über den Winter lässt sie Pflanzenstände stehen. Das schützt den Boden, der sonst haltlos den Hang herunterrutschen würde.


Auf die Bodenqualität legt Rita Vitt, schon seit sie den Garten 1996 übernahm, größten Wert. Sie mulcht mit Pflanzenabschnitten und arbeitet jedes Jahr Kompost und Mist ein. Kunstdünger benutzt sie nicht. Schon früh habe sie darauf bestanden, nach ihrer eigenen Auffassung zu gärtnern. Als sie den Garten übernahm, teilten sie und ihre Mutter die Fläche daher in zwei Hälften auf. „Den ganzen Garten alleine zu pflegen, das wäre mir so früh auch über den Kopf gewachsen“, sagt sie heute.


Ihre Lieblingsbeschäftigung schon damals: das Ziehen von Setzlingen. „Das habe ich jahrelang in einem günstigen Gewächshaus aus Plastik gemacht“, sagt sie. Doch seit diesem Frühjahr nutzt sie dazu das neue große Glasgewächshaus. Die Samen für die Setzlinge bringt sie gerne aus dem Urlaub mit, z.B. zuletzt einige Paprika- und Kräutersamen aus Sizilien. Die Kräuter dürfen im Garten der 56-Jährigen auch Blüten tragen, selbst wenn sie dann weniger Blätter haben. „Für die Schnecken plane ich im Frühjahr immer einige Salatpflanzen mit ein“, beschreibt sie ihr insektenfreundliches Konzept. Nur gegen den Buchsbaumzünsler geht Rita Vitt mit bacillus thuringiensis vor. Denn die Bäuerin ist bemüht, den Garten möglichst natürlich zu pflegen.


30 Jahre Gartentagebuch


Mit den Jahren hat sich Rita Vitt ein beachtliches Fachwissen angeeignet. Schilder oder beschriftete Tafeln sucht man in ihrem Garten vergebens. Die Bäuerin hat auch die botanischen Namen der Pflanzen im Kopf. Vergisst sie einmal eine Bezeichnung, z.B. einer neuen Fuchsiensorte, blättert sie einfach in einem ihrer Gartentagebücher und durchforstet die Notizen. „Seit 30 Jahren schreibe ich fast jeden Tag eine Seite“, erklärt Rita Vitt. Im Winter, wenn mehr Zeit ist, klebt sie zudem einige Fotos zu ihren Notizen. Ihre Erfahrungen aus 24 Jahren Brennerei kann man zudem in Rita Vitts Buch „Blüten und Kräuterliköre“ nachlesen (ISBN: 978-3-8186-0689-3, Ulmer).


Seit zehn Jahren ist sie auch Mitglied der Bauerngartenroute und führt Besuchergruppen durch ihren Nutzgarten. Mit der Ausbildung zur Gesundheitsbäuerin hat sie sich speziell weitergebildet, um in den Führungen auf den gesundheitlichen Wert der heimischen Gewächse eingehen zu können. Teilweise kommen die Gruppen aus der Umgebung, manchmal aber z.B. auch aus dem nahe gelegenen Frankreich. „Mit Übersetzer, das war eine ganz neue Erfahrung für mich“, sagt die Bäuerin. Vor allem ihr Wissen zu Unkräutern und Beiwuchs gibt sie in Themen-Führungen gerne weiter.


Im eigenen Garten und bei den Besuchen auf Tauschmärkten oder in anderen Gärten, die sie in ihrer Freizeit besucht, habe sie mit den Jahren auch zahlreiche Nutzgarten- und Staudenliebhaber kennengelernt, mit denen sie sich noch immer regelmäßig austauscht. Dass auch das Interesse an essbaren Pflanzen steigt, könne sie besonders bei der jüngeren Generation beobachten. „Die Frauen suchen bei mir nach Pflanzen, die sie auch auf ihre Balkone setzen können. Die schön sind, aber auch einen Nutzen haben“, sagt Rita Vitt. So hatte sie in einem Jahr zahlreiche Ableger der Roten Melde (Atriplex hortensis) an junge Hobby-Gärtnerinnen abgegeben.


katharina.meusener@topagrar.com

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