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Mit viel Herzenswärme

Lesezeit: 5 Minuten

Seit zwei Jahren bringt Constanze Thomsen Erwachsenen mit geistiger Behinderung die Landwirtschaft nahe. Für ihre inklusive Bauernhofpädagogik wurde sie von der UN ausgezeichnet.


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Zwei Alpakastuten mit ihren Fohlen begrüßen Besucher, die vom Schotterparkplatz in Richtung Stall und Haupthaus laufen. Von März bis November hält hier einmal in der Woche ein Kleinbus der Lebenshilfe Osterburg. Vier Erwachsene mit einer geistigen Behinderung helfen dann Constanze Thomsen eine Stunde lang bei der Hofarbeit. Ziel ist es, sie für die Landwirtschaft zu begeistern und ihnen beizubringen, wie man auf dem Hof einfache Aufgaben übernimmt, z.B. das Füttern der Kühe. Der Wunsch der Familie ist es, dass die Teilnehmer später ggf. für wenige Stunde auf einem größeren Betrieb einen angeleiteten Hilfsjob übernehmen können.


Die Planung für das Projekt mit der Lebenshilfe begann im August 2019. Besuchergruppen, vor allem Kinderfreizeiten und Schulklassen, gehören schon seit den 2000er Jahren fest zum Hofalltag der Familie.


Ein Hof für die Region


„Ich bin vor zwei Jahren mit meiner Idee auf die Verantwortlichen zugegangen. Die Betreuer der Lebenshilfe waren sofort begeistert“, sagt die Landwirtin. Die Fähigkeiten der Männer und Frauen, die am Kurs teilnehmen, variieren dabei. Manche brauchen nur wenig Unterstützung, andere dagegen etwas mehr. „Unseren Teilnehmern fällt es zum Beispiel teilweise sehr schwer zu sagen, welche Aufgaben ihnen gefallen. Auch Gefühle und Ideen zu äußern, ist nicht leicht“, sagt Constanze Thomsen. Deshalb ist sie auch selbst so sehr von der Arbeit mit den Tieren und an der frischen Luft überzeugt. „Auf dem Hof zu sein, das befreit die Seele“, sagt sie. „Die Tiere reagieren ganz unvoreingenommen auf jeden Menschen. Dass man ein Pferd nicht frontal aufhalftern kann, sondern sich ruhig an die Seite stellen muss, lernen die Gruppen bei uns schnell.“


Mit einfachen Aufgaben auf dem Hof und dem Umgang mit Tieren kennen sich einige Teilnehmer schon aus. Ihr unterschiedliches Niveau ist dabei kein Problem. „Von der Hilfsbereitschaft in der Gruppe bin ich jedes Mal wieder überwältigt“, sagt Constanze Thomsen. „Will jemand eine Aufgabe, z.B. das Füttern der Kühe, nicht übernehmen, findet sich immer jemand anderes, der sich stattdessen freiwillig meldet und seine Hilfe anbietet.“


Planung braucht Zeit


Dass vor drei Jahren die Milchkühe von ihrem Hof in Düsedau in Sachsen-Anhalt ausgezogen sind, stimmt die Bäuerin nach wie vor wehmütig. „Mein Mann Jochen ist der Ackerbauer in der Familie, ich habe mein Herzblut immer in die Tiere gesteckt“, sagt sie. Doch der schlechte Milchpreis ließ ihr keine andere Wahl. Stattdessen hält die Familie heute sechs Alpakas und zwei Mutterkuhherden mit insgesamt 120 Tieren.


Die frei gewordene Zeit nutzt Constanze Thomsen nun für Projekte wie die Arbeit mit der Lebenshilfe oder auch andere Kurse mit Schulklassen oder Familien. Die Vorbereitung jedes Kurses kostet die Bäuerin viel Zeit. Besonders aufwendig ist die Planung des inklusiven Projekts. Denn schon nach einigen Wochen nehmen die Aufgaben für die Teilnehmer nicht mehr eine ganze Stunde in Anspruch, sondern nur noch einige Minuten. „Eine Stunde mit Arbeit zu füllen, kann da schon manchmal lang sein“, sagt sie.


Immer etwas Neues


Deshalb hat sie im Vorfeld mit der Hilfe einer Lehramtsstudentin einen Unterrichtsplan für den Kurszeitraum von März bis November aufgestellt. Dass es jede Woche nicht nur um das Erledigen von Aufgaben, sondern vor allem darum geht, etwas Neues zu lernen und Probleme selbst lösen zu können, ist Constanze Thomsen besonders wichtig.


In der Gestaltung der Besuche möchte sie trotzdem flexibel bleiben. „Einmal kam im Vorfeld die Frage auf, wie groß unsere Pferde sind. Da habe ich den Teilnehmern nicht einfach eine Zahl gesagt, sondern ihnen ein Maßband in die Hand gedrückt und ihnen mit gezielten Tipps und Fragen geholfen, ihre Antwort selbst herauszufinden“, sagt sie.


Den ersten Jahrgang verabschiedete Familie Thomsen im Winter 2019 mit einem kleinen Hoffest. Auf den regionalen Zeitungsartikel bekam die Familie viel Zuspruch. Auch die Organisatoren der von 2011 bis 2020 aktiven UN-Dekade für biologische Vielfalt wurden auf ihr Projekt aufmerksam. Schließlich entschieden die Thomsens, gleich zwei ihrer Hofprojekte für eine Auszeichnung durch die Vereinten Nationen anzumelden: Die Arbeit mit der Lebenshilfe und ihr Paten-Blühwiesenprojekt.


Eine spezielle Ausbildung zur Betreuung von Menschen mit Behinderung hat die Diplom-Landwirtin nicht. „Ich kann aber meine Leidenschaft gut vermitteln. Was ich pädagogisch nicht gelernt habe, mache ich mit viel Herzenswärme wett“, sagt sie.


Der Wert der Landwirtschaft


Das inklusive Projekt mit der Lebenshilfe, Hofführungen und Kurse für Kinder: Constanze Thomsen hat gerne Menschen auf dem Hof – auch wenn das im Corona-Jahr oft nicht möglich war. Für all ihre Angebote nimmt sie seit einigen Jahren Geld. „Anfangs habe ich meine Projekte als kostenlose Öffentlichkeitsarbeit abgetan“, sagt sie. Doch in jedem Kurs steckt ein Konzept. „Ich weiß, wie viel Zeit ich investiere und denke, dass ein Preis widerspiegelt, wie wertvoll die Landwirtschaft ist“, sagt sie. Trotzdem kostet es sie Überwindung, eine konkrete Summe festzulegen. „Doch das wird mit der Zeit immer leichter“, sagt sie.


katharina.meusener@topagrar.com

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