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Neue Nachbarn sind besonders kritisch

Lesezeit: 7 Minuten

Wer kritisiert die Arbeit der Landwirte? Und wie sollen die Bauern damit umgehen? David Menskes von der Fachhochschule Südwestfalen hat über 900 Akteure aus der Agrarbranche befragt.


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Das wichtigste Ergebnis vorneweg: Die Landwirte spüren ganz deutlich, dass ihnen der Wind heftig ins Gesicht weht. Fast neun von zehn Teilnehmern einer Online-Befragung der Fachhochschule Südwestfalen sind der Meinung, dass das Verhältnis zwischen Bauern und Bürgern heute schlechter als vor zehn Jahren ist.


Besonders ausgeprägt ist diese Einschätzung bei den Schweine- und Geflügelhaltern. Weniger dramatisch schätzen Sonderkulturbetriebe und Direktvermarkter die Situation ein. Allerdings sind auch hier deutlich mehr als 70% der Befragten der Meinung, dass sich das Verhältnis eingetrübt hat.


Wer kritisiert?

„Zugezogene“ aus dem näheren Umfeld sind nach Einschätzung der befragten Landwirte mit Abstand die häufigsten Kritiker (Übersicht 1). Die Kritik kommt also von Personen, die in der Regel von der Stadt aufs Land gezogen sind und zuvor kaum Berührungspunkte mit der Landwirtschaft hatten. Erst im Alltag wird den neuen „Dörflern“ klar, dass landwirtschaftliche Arbeiten zumindest zeitweise auch Lärm, Geruchs- und Verkehrsbeeinträchtigungen verursachen können.


Am zweithäufigsten kommt Kritik von lokalen Bürgerinitiativen, überregionalen Nichtregierungsorganisationen (z.B. Umwelt- und Tierschutzverbände) oder von den Medien. Diese unterschiedlichen Gruppen liegen in ihrer Kritikintensität alle etwa gleich auf.


Bekannte, Freunde, „Alteingesessene“ oder Berufskollegen üben im Vergleich dazu weitaus seltener Kritik. Das heißt: Je näher jemand einen Landwirt kennt und je verwurzelter dieser Mensch mit dem Umfeld ist, desto besser kann er sich mit der Landwirtschaft arrangieren.


Ursachen der Kritik:

Für die kritische Sicht der Gesellschaft auf die Landwirtschaft machen mehr als 90% der Befragten eine zu einseitige Medienberichterstattung verantwortlich. Über 80% sehen in der zunehmenden Distanz der Bürger zur Landwirtschaft ein weiteres Hauptproblem.


Diese emotionale Entfernung dürfte sich durch die rückläufige Zahl landwirtschaftlicher Betriebe und den demografischen Wandel, der vor allem die ländlichen Regionen trifft, noch vergrößern. Denn klar ist: Je weniger Berührungspunkte es mit der Landwirtschaft gibt, desto geringer ist auch das Wissen darüber.


Die befragten Landwirte haben zudem den Eindruck, dass angesichts der vollen Regale die sichere Versorgung mit Lebensmitteln für viele Verbraucher heute gar kein Thema mehr ist. Diese Sorge war in den ersten Dekaden nach dem 2. Weltkrieg ungleich präsenter. An deren Stelle ist nun zunehmend die Sorge um die Gesundheit gerückt, was den kritischen Blick der Verbraucher auf den Agrarsektor noch verstärkt (Übersicht 2).


Die vermeintlichen und tatsächlichen Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre (z.B. BSE, Gammelfleisch, Dioxin in Eiern) und die aktuelle Debatte zum Beispiel über das Verbot von Glyphosat oder über Nitrat im Grundwasser dürften diese Einstellung maßgeblich beeinflusst haben.


Wie wird kritisiert?

Auch in Zeiten von Facebook, Twitter, Instagram und Co. wird die Kritik in über 80% der Fälle im persönlichen Gespräch geäußert. Erst mit großem Abstand fol-gen Leserbriefe (34%) und Einträge in den sozialen Medien (29%) als weitere Übermittlungskanäle. Briefe und E-Mails spielen nur eine untergeordnete Rolle.


Am häufigsten wird gegen die Tierhaltung (63% der Fälle) oder gegen die Landwirtschaft im Allgemeinen (60%) protestiert. Der Ackerbau (43%) wird im Vergleich dazu weitaus weniger kritisiert. Noch weniger konfliktträchtig sind die Erneuerbaren Energien (27%) und vor allem die Grünlandwirtschaft (9%). Grasende Tiere haben ein sehr positives Image beim Verbraucher.


Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht verwunderlich, dass die mit der intensiven Tierhaltung verbundenen Problembereiche wie Geruchsbeeinträchtigungen, Gülleausbringung und Haltungsbedingungen zu den Punkten gehören, die überdurchschnittlich häufig Kritik auslösen (Übersicht 3).


Solardächer, Windräder und Biogasanlagen sind im Vergleich dazu in den Augen der Betriebsleiter besser akzeptiert. Selbst Neuanlagen werden weitaus seltener kritisiert als z.B. neue Ställe (Übersicht 3). Diese Wahrnehmung ist in Teilen erstaunlich, sind doch neue Windräder häufig Anlass für massive Proteste von Anwohnern. Bei der Bewertung dieser Ergebnisse muss man allerdings berücksichtigen, dass es viel weniger Betriebe mit Biogasanlagen oder Windrädern gibt als Tierhalter.


Nach Einschätzung der Befragten stehen die Agrarsubventionen noch etwas stärker in der Kritik als die Nutztierhaltung. Viele Verbraucher reagieren offenbar mit Neid auf die staatlichen Zuwendungen an die Bauern und bringen das den Landwirten gegenüber auch zum Ausdruck. Warum und wofür es diese Subventionen gibt und welche Gegenleistungen damit verbunden sind, ist ihnen nicht bekannt oder schlicht egal.


Über die Hälfte der Befragten empfindet die vorgetragene Kritik als „eher unsachlich“, fast 30% sogar als „sehr unsachlich“ (Übersicht 4). Da ist es sehr positiv, dass die kritisierten Landwirte dennoch einen durchaus selbstkritischen Blick auf ihre Arbeit werfen. Fast jeder zweite Befragte kann die Kritik am eigenen Betrieb wenigstens teilweise nachvollziehen (Übersicht 5).


Geht es darüber hinaus um die gesamte Branche, können sogar über 70% der Befragten die Kritik zumindest in Teilen nachempfinden (Übersicht 6). Die meisten Befragten, die Verständnis für die Kritik von außen haben, halten die Branche für zu wenig selbstkritisch und machen diese mitverantwortlich für die ablehnende Haltung der Bevölkerung.


Wie gegensteuern?

Für die große Mehrheit der Befragten ist klar, dass die Landwirte in Zukunft intensiver mit den Bürgern kommunizieren müssen. Die jüngeren Teilnehmer der Befragung stehen dabei der Öffentlichkeitsarbeit generell positiver gegenüber als ältere. Das gilt vor allem für Aktionen, die über die sozialen Medien gespielt werden.


Auf einzelbetrieblicher Ebene halten die Befragten in erster Linie eine bessere Internetpräsenz (86%), mehr Hofführungen (74%) und „Tage des offenen Hofes“ (73%) für besonders geeignete Maßnahmen. Nach Ansicht der Betriebsleiter sollte die Branche insgesamt ihre Anliegen stärker über Radiospots (96%), Videoclips (85%), Plakate (84%) oder Demonstrationen (83%) kommunizieren.


Auf die Frage, wer in Zukunft die Öffentlichkeitsarbeit machen soll, sieht die große Mehrheit der Befragten die einzelnen Landwirte und die berufsständische Vertretung in der Verantwortung. Weil die meiste Kritik direkt vor Ort auf den Betrieben ankommt, sollten die Landwirte unmittelbar dort darauf reagieren. Der Staat steht hier nach Ansicht der Teilnehmer nicht vorrangig in der Pflicht (Übersicht 7).


Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Bezahlung. Die Mehrheit der Befragten sieht hier die Landwirte selber gefordert – entweder unmittelbar oder über die berufsständische Vertretung.


Allerdings wünschen sich jeweils über 50% der Landwirte auch eine stärkere finanzielle Unterstützung aus dem vor- und nachgelagerten Bereich.


Mehr als ein Drittel der Befragten erwartet auch finanzielle Zuschüsse von Brüssel und Berlin bzw. von den Ländern (siehe Übersicht 8).


Produktionsweise anpassen?

Reicht es aus, die Kommunikation zu intensivieren oder muss man auch die bisherige Art und Weise der Produktion hinterfragen? 85% der Befragten sind überzeugt, dass eine verbesserte Kommunikation alleine ausreicht, die kritische Grundhaltung der Bürger zu verändern und diese so wieder stärker an die heutige Landwirtschaft zu binden. Nur 15% meinen, dass sich die Produktion ändern muss, um auch mittel- und langfristig die gesellschaftliche „Lizenz für die Produktion“ zu erhalten.-sp-


Reicht es aus, die Kommunikation zu intensivieren oder muss man auch die bisherige Art und Weise der Produktion hinterfragen? 85% der Befragten sind überzeugt, dass eine verbesserte Kommunikation alleine ausreicht, die kritische Grundhaltung der Bürger zu verändern und diese so wieder stärker an die heutige Landwirtschaft zu binden. Nur 15% meinen, dass sich die Produktion ändern muss, um auch mittel- und langfristig die gesellschaftliche „Lizenz für die Produktion“ zu erhalten.-sp-


Lesen Sie hierzu auch unseren Kommentar auf der folgenden Seite.

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