In einem Brandbrief wendet sich die Vertretung der europäischen Landwirte und Genossenschaften (Copa Cogeca) mit einem eindringlichen Appell an EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, bei den laufenden Verhandlungen mit den Mercosur-Staaten, die Existenz der europäischen Fleischerzeuger nicht aufs Spiel zu setzen, zugunsten von Zugeständnissen in anderen Wirtschaftssektoren.
Mit großer Sorger verfolgen Copa Cogeca den Verlauf der Verhandlungen um ein Handelsabkommen der EU mit den mittelamerikanischen Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Die lateinamerikanischen Staaten mit einer Bevölkerung von über 265 Millionen repräsentieren nahezu drei Viertel der Fläche Südamerikas.
Nach 19 Verhandlungsjahren über ein Freihandelsabkommen gibt es zwischen den beiden Verhandlungsregionen vor allem Streitpunkte beim Agrarhandel. Die EU-Landwirte wehren sich vehement dagegen, dass aus den mit europäischen Maßstäben schwer nachvollziehbaren riesigen Monokulturen in Südamerika massiver Druck auf die Rindfleischpreise durch jährlich bis zu 100.000 Tonnen Einfuhren aus Südamerika aufkommt. Auch andere Agrarprodukte und landwirtschaftliche Rohstoffe aus Mercosur stellen für Europas Fleischproduzenten ein Horrorszenario dar.
„Die EU-Kommission hat weitgehende Konzession bei Agrarkontingenten der Mercosur-Seite eingeräumt, ohne im Gegenzug substantielle Gegenleistungen im Handelsaustausch erzielt zu haben“, kritisiert Copa Cogeca- Generalsekretär Pekka Pesonen den bisherigen Verhandlungsstand. Pesonen fordert von EU-Handelskommissarin Malmström, dass in den für die europäische Agrarwirtschaft sensiblen Bereichen vor allem im Rindfleischsektor, Zucker, Geflügel, Äthanol, Reis und den Orangensaft-Importen die Verhandlungsmargen verringert werden.
„Wir benötigen ausbalancierte Handelsabkommen, die unsere Produktionsbedingungen in Europa berücksichtigen“, so Pesonen. In Zeiten von erheblichen Unsicherheiten über den Ausgang der Brexit-Verhandlungen, der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der Mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre 2021 bis 2027 mit angekündigten Kürzungen um fünf Prozent im EU-Agrarhaushalt für die nächste Siebenjahresperiode, sehe sich die EU-Landwirtschaft unkalkulierbaren und existenzbedrohenden Herausforderungen gegenüber.
Die angekündigten Agrarkürzungen und der Brexit stellen aus Sicht des Copa Cogeca Rindfleischsektor-Beauftragten, Jean-Pierre Fleury, eine Bedrohung dar. Mehr noch stellen die abgeschlossenen Freihandelsabkommen mit Kanada mit einem Rindfleichexport-Kontingent nach Europa von jährlich 65.000 Tonnen und Mexiko mit 20.000 Tonnen bereits einen herben Schlag für die Rindfleischparte der EU dar.
“Wir können nicht akzeptieren, dass der Viehbestand Europas und die Lebensmittelsicherheit Europas zugunsten anderer Wirtschaftssektoren nun auch noch bei den Mercosur-Verhandlungen geeopfert werden”, erzürnt sich Fleury.
Martin Häusling: "Derartiges Mercosur-Abkommen bedeutet Totenglöckchen für EU-Rinderhaltung"
Kritiker des Mercosur-Abkommens befürchten überdies durch die drohende Fleisch- und Geflügelschwemme aus Lateinamerika auch eine Absenkung europäischer Verbraucher- und Sicherheitsstandards.
Für den agrarpolitischen Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, Martin Häusling, bedeutet ein Deal mit Mercosur-Staaten, wie er sich jetzt abzeichnet, das Totenglöckchen für die europäischen Rindfleischproduzenten.
„Wenn wahr ist, dass mindestens 99 000 Tonnen Rindfleisch zusätzlich zollfrei auf den Markt kommen sollen, dass die EU möglicherweise sogar 130 000 Tonnen duldet und die Südamerikaner sogar 200 000 Tonnen pro Jahr fordern, dann steht hierzulande die Weidehaltung von Rindern vor dem Aus, während in Südamerika weiterer Urwald gerodet wird. Ein Abkommen mit solchen Inhalten tritt die Natur mit Füßen, missachtet die Rechte der Bauern hierzulande, aber auch die der indigenen, unterdrückten Landwirte in Südamerika.
Für Europa bedeute ein Mercosur-Abkommen unter diesen Vorzeichen eine Flutung der Märkte mit Gentech-Soja, mit Agro-Sprit sowie mit Fleisch zweifelhafter Provenienz und zweifelhafter Qualität, da mit Hormonen belastet oder sogar verdorben, so Häusling. Damit würden die bäuerliche Landwirtschaft dies- und jenseits des Atlantiks geopfert, damit deutsche und französische Auto-Konzerne in Südamerika gute Geschäfte machen könnten.