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Gesetz wirkungslos

Experten kritisieren geplantes Agrarstrukturgesetz in Sachsen-Anhalt

Wissenschaftler sehen in dem neuen Agrarstrukturgesetz in Sachsen-Anhalt handwerkliche Mängel und fehlende Konsistenz. Auch die Freien Bauern kritisieren den Gesetzentwurf. Eine Analyse.

Lesezeit: 5 Minuten

Ein schlechtes Zeugnis stellen Experten dem von den Koalitionsfraktionen in Sachsen-Anhalt in den Landtag eingebrachten Entwurf für ein Agrarstrukturgesetz aus. In ihren Stellungnahmen zeigen sowohl die Rechtswissenschaftlerin Prof. Antje Tölle von der Hochschule für Recht und Wirtschaft (HWR) Berlin als auch der Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO), Prof. Alfons Balmann, erhebliche Defizite in dem Gesetzentwurf auf.

Tölle moniert „handwerkliche Mängel und fehlende Konsistenz bei der Begriffsverwendung“ und betont, dass der Gesetzestext in der vorliegenden Fassung nur „schwer zu bewältigen“ sei. Ohne eine grundlegende Überarbeitung und Systematisierung bestehe die Gefahr, dass das Agrarstrukturgesetz ins Leere laufe, warnt die frühere Mitarbeiterin im Bundeslandwirtschaftsministerium.

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Laut Balmann verkennt der Gesetzentwurf sowohl die Stärken und Herausforderungen der Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt als auch die Mechanismen und Funktionen des Bodenmarkts. Die vorgesehenen Eingriffe in den Bodenmarkt orientierten sich an einem Leitbild, das wesentliche Merkmale der Agrarstruktur in Sachsen-Anhalt und die Grundlagen der erfolgreichen Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten wie Unternehmertum, Effizienz, Mobilität sowie genossenschaftliche Prinzipien ignoriere.

Stattdessen würden kleine und mittlere Betriebe im Haupt- und Nebenerwerb zum Leitbild erklärt, obwohl sie aufgrund geringer Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ein „Nischendasein“ führten. Pauschale Ablehnung von Investoren sei nicht zu rechtfertigen.

Freie Bauern begrüßen Leitbild und kritisieren Gesetzentwurf

Die Freien Bauern Sachsen-Anhalt begrüßen das vorgelegte agrarstrukturelle Leitbild, kritisieren aber dessen Umsetzung im Entwurf für ein Agrarstrukturgesetz Sachsen-Anhalt als „viel zu unverbindlich“. Damit stellen sie sich gegen den Landesbauernverband und andere Landnutzerverbände, die in einer gemeinsamen Erklärung bereits das Leitbild abgelehnt und jede weitere Diskussion über einen darauf basierenden Gesetzentwurf verweigert hatten.

„Wenn die Politik uns als Leitbild eine vielfältige Agrarstruktur anbietet, in der ausdrücklich bäuerliche Betriebe dominieren sollen, außerdem eine breite Streuung des Eigentums und viele ortsansässige Landwirte, dann schlagen wir sofort ein“, lobt Georg Scheuerle, Landessprecher der Interessenvertretung der bäuerlichen Betriebe, den von der Koalition verfolgten Ansatz: „Der zunehmende Einstieg von auswärtigen Kapitalanlegern in unsere Landwirtschaft ist ein riesiges Problem für alle Berufskollegen – es ist mir unbegreiflich, weshalb der Landesbauernverband und seine Verbündeten ein solches Leitbild vollständig ablehnen und keinen Handlungsbedarf sehen.“

Die in den vergangenen vier Jahren insgesamt enttäuschende Agrarpolitik der grünen Ministerin dürfe nicht zu einem „Beißreflex“ gegen alles aus dem Hause Dalbert führen, meint der 55jährige Ackerbauer aus Queis bei Halle und plädiert dafür, das gute und richtige Leitbild einer bäuerlichen Landwirtschaft weiter zu konkretisieren.

„Im Gesetzentwurf stellen wir leider gravierende handwerkliche Fehler fest“, bedauert Scheuerle: „So ist nirgendwo eine Regelung zu finden, welche die im Leitbild genannte Personengruppe der ortsansässigen Landwirte präzise definiert und beim Grunderwerb gegenüber anderen Gruppen privilegiert.“ Genau das sei aber der Zweck eines Agrarstrukturgesetzes, sonst könne man auch das bundesweit geltende und inzwischen weitgehend wirkungslose Grundstücksverkehrsgesetz beibehalten.

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Tölle mahnt fehlende Klarheit an

Auch Prof. Antje Tölle kritisiert insbesondere im Ergebnis ihrer rechtswissenschaftlichen Prüfung eine fehlende Klarheit bei der Verwendung von Begrifflichkeiten im Gesetzestext. Dies gelte beispielsweise für die angeführten „erheblichen“ Nachteile für die Agrarstruktur durch eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden.

Ungenau sei auch die Verwendung des Begriffs des Landwirts, dem bei den Versagungsgründen für einen Flächenkauf eine herausragende Bedeutung zukomme. Auch die Trennung zwischen agrarstrukturellen und bodenmarktpolitischen Zielen bleibe unklar.

Darüber hinaus moniert die Hochschullehrerin Unzulänglichkeiten bei der Ableitung von zunehmender Flächenkonzentration und der Herausbildung einer marktbeherrschenden Stellung auf regionalen Boden- und Pachtmärkten. Hier bedürfe es insbesondere einer weitergehenden vertieften juristischen Aufarbeitung, ob den Ausführungen im Gesetzestext kartellrechtliche Fragestellungen zugrunde liegen.

Nachbesserungsbedarf bestehe auch bei der angestrebten Regulierung des Anteilserwerbs. Mit den vorliegenden Formulierungen delegiere der Gesetzgeber die Entscheidungen darüber im Einzelfall und damit den Umgang mit außerlandwirtschaftlichen Investoren an die Verwaltung. Für unzureichend hält die Juristin schließlich die Einbeziehung eines agrarstrukturellen Leitbilds. Neben einer fehlenden Verbindung des Leitbilds zum eigentlichen Gesetzestext bemängelt Tölle das Nebeneinander von Vorstellungen des Landes und des Bundes, wie sie etwa in der Bundesrechtsprechung zum Ausdruck komme. Hier stelle sich die Frage, warum Sachsen-Anhalt ein eigenes Gesetz verfasse, wenn dessen Auslegung der Bundesregierung überlassen werde.

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Balmann: Mehr Chance als Risiko

Nach Auffassung von Prof. Alfons Balmann muss ein zukunftsweisendes Bodenmarktinstrumentarium anerkennen, dass die Agrarstruktur in Sachsen-Anhalt einerseits durch rentable größere Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit unterdurchschnittlichem Arbeitskräftebesatz und andererseits durch die für Wertschöpfung und Beschäftigung wichtigen juristischen Personen geprägt werde.

Zudem spiele der Zuzug von Landwirten aus Westdeutschland und dem benachbarten Ausland wie den Niederlanden eine wichtige Rolle. Die agrarstrukturellen Herausforderungen für die Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt sieht der IAMO-Direktor im Generationswechsel in den juristischen Personen, dem zunehmenden Arbeitskräftemangel, Insolvenzrisiken durch geringe Margen bei hoher Ertrags- und Preisunsicherheit, im geringen Viehbesatz sowie im Umgang mit Marktmacht auf dem Bodenmarkt.

In diesem Zusammenhang warnt Balmann vor Pauschalurteilen. Im kapital- und technologieintensiven Sektor Landwirtschaft sei der Einstieg von finanzkräftigen Investoren „mehr Chance als Risiko“. Eine mögliche Regulierung des Anteilerwerbs müsse sowohl die Interessen der Aufbaugeneration in den Nachfolgeunternehmen wahren als auch Perspektiven für künftige Generationen aufzeigen und sie für eine Weiterentwicklung der Landwirtschaft gewinnen.

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